Freitag, Februar 11, 2011

Große Geste, kleine Kammer

Neue Pop-Alben aus Österreich: I Am Cereals, Bernhard Eder und Deckchair Orange legen nach.

Ginge es darum, das neue Selbstbewusstsein im österreichischen Pop anhand eines Beispiels zu erklären: I Am Cereals böten sich an. Dabei widmet sich das niederösterreichische Sextett einer hierzulande tendenziell außergewöhnlichen Disziplin, bei der Bescheidenheit vollkommen fehl am Platz wäre. Der Band um Singer/Songwriter Ben Martin und Gerald Huber, den man auch als Human Beatbox der Vokalakrobaten Bauchklang kennen könnte, geht es um Pop mit großer Geste.

Böllernd und soulful


Während das Sextett auf seinem 2009 erschienenen, selbstbetitelten Debütalbum nicht zuletzt den knackigen "Musicology"-Funk eines Prince in den Vordergrund rückte (und dafür eine Nominierung für den Amadeus als FM4-Alternative-Act einheimste), lässt daran vor allem der nun nachgeschobene Zweitling keinen Zweifel mehr. Man höre etwa den Titeltrack von "Galaxy", der diesen Umstand auch im Text unterstreicht: "I want to be captain of my ship. I want to be in charge of my galaxy!"

Der Schwerpunkt des am guten Pop der 1980er Jahre orientierten Albums liegt auf nicht zu knapp aufgetragenen Synthesizern, die mit um Funk und Groove veredelten Bässen verschmelzen. Bei "You Know What" kokettiert die Band mit dem Geböller eines Electro-Tracks, vergleichsweise soulful schreitet sie hingegen bei "If Only" ans Werk. Und anstatt, wie bei Bauchklang, Drumsounds aus seinem Brustkorb zu pressen, widmet sich Gerald Huber sanften Gesängen.

Vor allem die Leichtigkeit, mit der I Am Cereals die Melodien und Hooks von der Hand gehen, ist dabei erstaunlich. Ob es daran liegt, dass die Band immerhin auf gleich vier Songwriter zurückgreifen kann? Neben Martin und Huber werden nämlich auch Tastenmann Felix Teiretzbacher und der am Schlagzeug tätige Daniel Letschka als Autoren geführt.

Das sichere Gespür der Band für Arrangements und Songdramaturgie sorgt jedenfalls dafür, dass die Ergebnisse sicher nach Hause gebracht werden, wie man im Sport so blöd sagt. Einmal abgesehen von "Army Of Light", bei dem die Band an The Human League in einem ihrer zahlreichen uninspirierten Momente erinnert, bietet "Galaxy" großen Ideenreichtum – und keinen Schwachpunkt.

Junger Melancholiker

Große Gesten sind Bernhard Eder wiederum fremd. Der gebürtige Oberösterreicher kümmert sich auch auf seinem dritten Album um eine Art Kammer-Folk der introspektiven Sorte. Der junge Melancholiker, der mit Songtiteln wie "Sad Ballad Man" oder "Fog Over Land" bereits klarstellt, wohin die Reise geht, dekoriert seine von akustischen Gitarren getragenen Kompositionen bevorzugt mit greinenden Streichern, für die – praktischerweise – seine Ehefrau Vera sorgt. Und auch der markante, gut angejazzte Kontrabass Simon Bauers spielt eine wichtige Rolle.

Eder, der nach zwei in Berlin verbrachten Jahren nun wieder in Österreich lebt, mag den Vergleich nicht mehr hören können. Dennoch: Der viel zu früh verstorbene US-amerikanische Schmerzensmann Elliott Smith war ihm sicher ein Einfluss. Und natürlich John Lennon, wie die Harmonien verraten. Mit dem Einstieg von "To Disappear Doesn’t Mean To Run Away" legt sich Eder die Latte hoch: Die ersten drei, vier Lieder kann man ohne Abstriche unterschreiben. Bei "Unexpected" tröten traurige Mariachi-Bläser, "Until The End" wiederum lässt die Pedal-Steel-Gitarren wie Honig aus den Boxen tropfen. Das alles kann man auch als gediegene Langeweile bezeichnen – oder als zeitlose Eleganz, je nachdem.

Um Zurückhaltung und Understatement, so viel steht fest, geht es bei Deckchair Orange nicht. Die fünfköpfige Band orientiert sich am internationalen Markt, wofür nicht nur ein Vertriebs-Deal mit Rough Trade spricht. In ihrer Musik widmen sich die Jungmänner dem Indie-Rock britischer Prägung: Bass und Schlagzeug drängen nach vorne, Keyboards arbeiten unaufdringlich, aber entscheidend zu, Klavier, Glockenspiel und Chöre runden das Klangbild ab.

Dabei macht die Band hinsichtlich ihrer Zielgruppe (Malen nach Zahlen!) exakt gar nichts falsch. Allerdings hätte ein Mehr an eigenen Ideen nicht geschadet.

I Am Cereals: Galaxy (Violet Noise Records/Hoanzl)

Bernhard Eder: To Disappear Doesn’t Mean To Run Away (Tron Records/Hoanzl)

Deckchair Orange: The Age Of The Peacock (Dienje Music/Rough Trade)

(Wiener Zeitung, 12./13.2.2011)

1 Kommentar:

Konrad hat gesagt…

Danke für diese Empfehlungen - eine gute Anregung für meine Musiksammlung!

Konrad