Donnerstag, Februar 24, 2011

"Wir san do ned zum Spaß"

Am Freitag entscheidet sich, wer für Österreich zum Song Contest fahren wird

Weil es gemeinhin heißt, der Song Contest werde seit dem Vorjahresbewerb und dem Sieg eines gewissen "Fräuleinwunders" namens Lena Meyer-Landrut (19) wieder ernster genommen – zumindest irgendwie: Unter den zehn Teilnehmern, die heute, Freitag, um einen Startplatz für die heuer in Düsseldorf ausgetragene Veranstaltung kämpfen, finden sich jedenfalls nur eineinhalb Spaßbeiträge.

Während Stermann & Grissemann mit Richard Klein einen Briefträger ins Rennen schicken, der sich wähnt, Little Richard zu sein, betonen Alkbottle ihren hochprozentigen Einschlag zwischen schlechtem Geschmack und guter Laune mit dem Dosenbier-Metal von "Wir san do ned zum Spaß". Die Chancen? Immerhin wurde der Song Contest mit den finnischen Monsterrockern Lordi und deren Manifest "Hard Rock Hallelujah" schon einmal von einer blutsverwandten Ecke aus erobert. Rock on!

Man muss es aber leider so sagen: Der große Rest des Teilnehmerfelds nimmt sich, wie am Freitagabend auf ORFeins überprüft werden kann, entschieden zu ernst. Mit diesbezüglich hoch im Kurs stehenden Gesten der Emphase zwischen Wimpernaufschlag, zum Kampf geballter Faust und dem testosteronbedingten Getrampel junger Männer, die ihren Platz in der Gesellschaft vor allem in der Großraumdisco verorten, soll es ohnehin nur darum gehen, künstlerische Allgemeinplätze in die Breite zu treten. Geht man, frei nach Franz Vranitzky, davon aus, dass Visionen lediglich den Gang zum Medizinmann bedingen, steht dem diensthabenden Notarzt am Küniglberg also ein einsatzfreier Abend bevor. Die meiste Musik ist egal. Zwischendurch darf man sich aber auch vortrefflich ärgern – womit die beiden Grundfunktionen des Song Contests auch schon wieder erklärt (und erfüllt) wären.

Kennt man den Song Contest vor allem in den letzten Jahren als einen Bewerb, bei dem die Ökonomie der Aufmerksamkeit ein sattes Investment in Sachen Marktschreierei einfordert, erweist sich das Auftreten zahlreicher nationaler Kandidaten als erstaunlich zurückhaltend. Während Eva K. Anderson, die als Songwriterin etwa für Christl Stürmers Single "Ich lebe" verantwortlich zeichnet, zur sanft gezupften Lagerfeuergitarre ihres Beitrages "I Will Be Here" in etwa so stürmisch klingt wie Bambi nach einem Streifschuss, versuchen sich Leo Aberer & Patricia Kaiser mit ihrem deutsch-englischen Mann-Frau-Duett "There Will Never Be Another You" im Fach der gefühlsduseligen Formatradioballade, die weder auffällt noch wehtut: "Sterne wie Tränen – vorbei mit unseren Plänen".

Die gebürtige Tirolerin Nadine Beiler, Jahrgang 1990 und einst Siegerin der dritten "Starmania"-Staffel – wer kann sich erinnern? –, verschreibt sich der gemeinen Schmalzballade vom Zuschnitt einer Whitney Houston, als diese in den 1980er Jahren Begleitmusik für Sportgroßereignisse sang. "The Secret Is Love" beweist zwischen textlichen Plattitüden, opulentem Streicherschmelz und entwerteten Soulchören vor allem, dass es nicht nur Musik für Menschen gibt, die keine Musik mögen. Es gibt auch Musik für Menschen, die Musik abgrundtief hassen.

Der grundsätzlich sympathische Radiopop von Oliver Wimmer ("Let Love Kick In") wiederum leidet unter seiner sterilen Laborproduktion, die den Funk-Breitseiten und Prince-Anleihen die nötige Wärme abzieht. Und Band WG sind als Deutschrock-Wiederkäuer ohnehin ein weites Stück davon entfernt, für "10 Sekunden Glück" zu sorgen.

Als stilistische Ausreißer erweisen sich vor allem Klimmstein feat. Joe Sumner mit dem Ska-lastigen "Paris, Paris" sowie die einst um eine Karriere als "Kinderstar" bemühte Charlee, deren Beitrag in Sachen Elektropop mit einem schönen Motto zu Ende geht: "It’s gonna be bad."

Wobei man also bei den Trackshittaz um Lukas Plöchl und deren im Mühlviertel geerdeten Traktoren-Rap für die von Multiplex-Kinos umstellten Discos am Stadtrand wäre. So man auf den Freitagabend überhaupt gespannt sein mag: Es stellt sich die Frage, ob das Publikum dem derben, ähm, Charme des g‘scherten Buam noch einmal erliegt. Oder ob bezüglich des Songs "Oida taunz!" letztlich doch die Übersättigung siegt.

(Wiener Zeitung, 25.2.2011)

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