Montag, April 18, 2011

"Betonen, wie alles zusammenhängt"

Am 28. April startet das Donaufestival in seine siebente Saison – Intendant Tomas Zierhofer-Kin im Gespräch über die Gegenwart und Vergangenheit des Donaufestivals, Netzwerke und das Popfest Wien.

"Wiener Zeitung": Sie stellen dem Donaufestival traditionell ein Motto voran. Haben Sie es sich heuer mit "Nodes, Roots & Shoots" (Knoten, Wurzeln und Triebe) und der Fokussierung auf Netzwerke bewusst einfacher gemacht? Als Teil eines Netzwerks kann heute ja alles und jeder gesehen werden.

Tomas Zierhofer-Kin:
Wir hatten mit "Failed Revolutions" im Vorjahr ein relativ konkretes und ziemlich missverstandenes Thema, bei dem es mir mehr um einen allgemeinen Gesellschaftszustand ging als darum, dass sich die einzelnen Produktionen dazu verhalten müssen.

Die Künstler wurden dabei aber in einen bestimmten Kontext gesetzt, was eher unangenehme Folgen zeitigte. Das Thema heuer ist abstrakter und verhindert diese Beschränkung. Es geht uns schon immer um die Verschränkung der Medien, wobei wir heuer eine neue Stufe erreicht haben.

Sie betonen die Auswirkungen von Netzwerkbeziehungen auf Kunst und Kultur. Worin bestehen diese?

Die sind natürlich einmal so vielschichtig wie die Netzwerke selbst. Was mich interessiert: Dass es zunehmend Menschen gibt, die über sehr viele Grenzen hinweg vernetzt sind. Und letzten Endes ist das Thema politisch interessant. Dass viele Leute, die sich gegen etwas wehren oder für etwas anderes einstehen als den Mainstream von Gesellschaft, Gedanken und künstlerischen Ästhetiken, ihre Verbindungen haben. Viele sind stärker als einer. Das kann am Ende doch zu Veränderungen führen.

Netzwerke haben aber auch etwas Gleichmacherisches. Die Notwendigkeit, sich als Künstler abzugrenzen, wird so doch schwieriger.

Ich glaube, es geht medial sehr schnell darum, Leute in Kleinstschubladen zu stecken. Es gibt Zeiten, in denen Individualität nicht gefragt ist, und es gibt Leute, die trotz guter Verbindungen stur ihren Weg gehen. Klarerweise legen die Kommunikationsstrategien – ich kann mir heute alles sofort ansehen und anhören, es verschicken und dafür sorgen, dass es weitergeneriert wird – die Vermutung der Gleichmacherei zunächst einmal nahe. Was aber sicher auch nicht ganz stimmt.

"Networking" ist oft nur ein schöneres Wort für Verhaberung.

Unangenehm wird es, wenn auf die eigenen Pfründe aufgepasst wird und man den Freunden Sachen zuschanzt. Ein Netzwerk würde Offenheit implizieren. Netzwerke zu öffnen, das macht man hierzulande aber gar nicht so gern.

Das Donaufestival kümmert sich um die Avantgarde. Im Bereich Pop standen in den letzten zehn Jahren aber Retrotendenzen im Vordergrund. Kann Pop heute noch eine Vorreiterrolle erfüllen?

Wenn er sich bricht, ja. Seltsame avantgardistische Künstler wie Jamie Stewart und Xiu Xiu haben immer noch sehr viel zu sagen. Der Mainstream interessiert mich persönlich zwar nicht, aber als Konzeptkunst betrachtet ist Lady Gaga durchaus nicht unspannend. Auch hier wird der Bruch zugelassen.

Wie nahe ist das Donaufestival in seiner siebenten Saison an Ihr Ideal eines Festivals herangerückt?

Wir sind ein großes Stück weitergekommen. Ursprünglich wollten wir ein Festival sein, in dem es um mehrere Medien geht und darum, dass diese etwas miteinander zu tun haben. Der Begriff der Intermedialität kommt ja eigentlich aus der Fluxus-Bewegung. Im Prinzip sind die Medien dabei austauschbar, es geht um das Inhaltliche, das Politische, die Anti-Establishment-Haltung.

Zu Pop und Performance sind mittlerweile auch bildende Kunst, Medienkunst, neue Theaterformen, Film und Vorträge hinzugekommen. Sind damit sämtliche Spielwiesen ausgereizt?

Nicht nur wir verändern uns, es verändern sich auch die Situationen. Als ich nach Krems gekommen bin, war die Performance-Schiene interessant, weil sie neu war. Es gab das brut noch nicht. Das Schauspielhaus ging ein wenig in diese Richtung, und für die Wiener Festwochen versuchte Marie Zimmermann, mit dem Sprechtheater unbekannte Dinge aus den Kellern zu holen. In der Zwischenzeit ist hier ein ganzes Feld aufgegangen. Dazu kommt im Popsegment, dass die kommerziellen Veranstalter heute auch experimentelle Acts abdecken. Musicnet bucht eine Menge, um seine Marktführerschaft zu stärken. Wir reizen zweifellos viele Felder aus, wollen nun aber stärker betonen, wie das alles zusammenhängt.

Sie können mit einem Budget arbeiten, um das Sie viele beneiden. Der Großteil davon besteht mit 1,5 Millionen Euro aus einer Förderung durch das Land Niederösterreich. Gibt es dennoch Künstler, die Sie bisher nicht anlocken konnten?

Da gibt es viele. In Salzburg habe ich einst ein Projekt mit Björk zugesagt bekommen, die aber schnell alles liegen und stehen ließ, als sie mit Lars von Trier drehen konnte. Mit ihrem Agenten bin ich bis heute in Kontakt. Die Frau allein würde mehr als die Hälfte unseres operativen Budgets aufbrauchen.

Im Vorjahr fand erstmals und teils zeitgleich zum Donaufestival das Popfest Wien statt. Das wurde schnell zum Kampf "rotes Wien" gegen "schwarzes Niederösterreich" stilisiert. Wie haben Sie die Debatte wahrgenommen?

Als ich im Vorjahr vom Austragungstermin erfuhr, riss mich das zu boshaften Postings auf Facebook hin. Mittlerweile stehe ich in Kontakt mit Robert Rotifer, der das Popfest kuratiert. Es ist wichtig, über solche Situationen einfach zu reden. Und wir sind in der selben Situation: Wir müssen beide vor den Wiener Festwochen austragen, weil wir sonst medial nicht mehr durchkämen. In Wien fällt zusätzlich das Wochenende vom 1. Mai als Austragungstermin weg. Aus organisatorischen Gründen teilen wir uns also auch heuer wieder ein Wochenende.

Inhaltlich sehe ich keine Probleme – das sind zwei ganz unterschiedliche Festivals. Ärgerlich ist für mich einzig der Gratis-Charakter des Popfests. Die Leute überlegen sich dann doch, ob sie mit dem Shuttlebus nach Krems fahren, dort Eintritt bezahlen und konsumieren, wenn sie sich in Wien gratis ins Freie legen, selbst mitgebrachtes Bier trinken und Konzerte erleben können. Auch wenn wir mit unserer Preisgestaltung recht moderat sind.

Österreichische Musiker finden sich in Ihrem Line-up heuer kaum. Ist das eine Konsequenz aus dieser Überschneidung?

Bei österreichischen Acts braucht es einen Mehrwert über spezielle Projekte, wie im Vorjahr bei einem Stück mit Ja, Panik. Wenn eine Band im Jahr zehn Mal in Wien und in den Bundesländern auftritt, ist eine Wiederholung dessen in Krems nicht sonderlich spannend.

Die Stimmen, laut denen eine Veranstaltung wie das Donaufestival in Wien stattfinden müsste, sind nie verstummt.

Das Land hat seine Vorteile. Es ist doch schön, mit der Kunst an einem Ort in Berührung zu kommen, an dem man das nicht erwarten würde. Zudem hat man Ruhe und eine Reduktion auf die Dinge. Dass Wien ein Festival braucht, das neu formatiert, strukturiert und verinhaltlicht ist, das ist mir allerdings klar. Ich hoffe, dass diesbezüglich schon bald etwas in Bewegung kommt.

Zur Person

Tomas Zierhofer-Kin, 1968 in Salzburg geboren, wurde als Leiter des Zeitfluss-Festivals bekannt, das er 1993 bis 2001 im Rahmen der Salzburger Festspiele mit Markus Hinterhäuser gestaltete. 2005 positionierte er das Kremser Donaufestival mit den Schwerpunkten Pop und Performance radikal neu. Sein Vertrag endet im Jahr 2012 und beinhaltet eine Verlängerungsoption bis zur Saison 2014.

Festivalprogramm

Unter dem Motto "Nodes, Roots & Shoots" (Knoten, Wurzeln und Triebe) widmet sich das Donaufestival auch in seiner siebenten Saison subkulturellen Strömungen zwischen Pop, Performance, Kunst und Film. Ausgetragen an sechs Spieltagen zwischen 28. April und 7. Mai, gibt es heuer erstmals auch eine Diskursleiste mit Vorträgen etwa zum Thema Sound und Politik. Neben alten Vorreitern wie John Cale gastieren aktuelle Trendsetter wie James Blake, der Dubstep mit Songwriting kurzschließt, oder Wesley Pentz alias Diplo mit seinem Weltensound. Mit Spannung erwartet wird mit "New Black" außerdem eine Kollaboration der Regisseurin Monika Gintersdorfer und des bildenden Künstlers Knut Klaßen mit Künstlern aus der Elfenbeinküste. Programm und Informationen unter www.donaufestival.at

(Wiener Zeitung, 19.4.2011)

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