Für die fünfte Ausgabe von „Das Supertalent“ wurde nun auch in Wien gecastet.
- RTL-Format als Quoten-Hit
- Ein Streifzug durch das Casting
Was ist Talent? Man weiß es nicht – allein, es wird nicht reichen.
In Zeiten der Überhöhung der Klimax hin zum Megalativ sollte man zumindest über ein Supertalent verfügen, um im sogenannten Showgeschäft nicht unterzugehen. Als Feinde des Stars sind im Echtzeitalter vor allem Gewöhnungseffekte ins Feld zu führen. Kennt man schon, braucht man nicht. Hey, Leute: Wer kann etwas anderes noch besser?
Während das Wirtschaftswunder ausbleibt, der Absturz also viel näher ist als der Aufschwung, soll dabei aber auf eines nicht vergessen werden. Wir alle sind spätestens seit Durchschnittsbürgern wie Paul Potts oder Susan Boyle auch immer selbst der Superstar. Christina Aguilera mag aus der Distanz zur Hochglanzindustrie ja ganz nett anzusehen sein. Als Durchhalteparole in durchwegs nüchternen Zeiten darf das Privatfernsehen seiner Kernschicht aber durchaus auch Hoffnung spenden. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von sozialem Auftrag – genau!
Im Fahrwasser von Formaten wie „Pop Idol“, das hierzulande als „Starmania“ bekannt werden sollte, etablierten sich Castingshows als Quotenzugpferde nicht nur der Privaten. Im deutschsprachigen Raum zeichnet dafür vor allem der in Köln ansässige Fernsehproduzent Grundy Light Entertainment verantwortlich, der international zur FreMantleMedia („Britain’s Got Talent“) gehört. Mit Dieter Bohlen als Haus-und-Hof-Gesicht reüssierte das Unternehmen mit Produktionen wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder eben „Das Supertalent“. Aber auch der öffentlich-rechtliche Bereich wird nicht außen vor gelassen. „Das Quiz mit Jörg Pilawa“ oder „Herzblatt“ laufen in der ARD.
Sehen und staunen
Mit der 2007 erstmals ausgestrahlten RTL-Castingshow „Das Supertalent“, die Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, egal, auf welchem Gebiet, präsentiert, wurden im Vorjahr bis zu 8,5 Millionen Zuseher pro Sendung erreicht. Die Aussicht auf Menschen mit tatsächlichen Talenten wurde dabei aber schnell nebensächlich. Die Lust am öffentlichen Scheitern mindertalentierter Teilnehmer, bei „DSDS“ oder „Starmania“ einst mit „Leider nein“-Clips bedient, wurde live in den Hauptabend gehoben. Von der Couch aus gesehen, sind die Depperten immer die anderen. Einerseits. Neben grotesken Attraktionen wie dem Penismaler Tim Patch, dessen Kunst man sich keineswegs als Hommage an das Vagina Painting einer Valie Export vorstellen darf, dem Kunstfurzer Mr. Methane oder Busty Heart, der Frau, die mit ihren Brüsten Bierdosen zertrümmerte, wurde andererseits aber bald auch der Faktor Mitleid ein Thema. Die detailliert ausgebreiteten Leidensgeschichten vieler Teilnehmer führten schließlich zum Reflexvoting. Die Teilnehmer selbst wurden – höchst erfolgreich – mit einer Siegesprämie von 100.000 Euro gelockt: Mehr als 40.700 Personen bewarben sich im Vorjahr für die Show.
Die zahlreichen Österreicher unter ihnen, die bislang zum Casting nach München pendeln mussten, wurden heuer in die Filmstadt Wien eingeladen. Gut fünfzig Mitarbeiter vor Ort kümmerten sich am Samstag um den Ablauf, der die Kandidaten zunächst mit einem Fragebogen und Zwangsauskünften zu Themen wie „Sind Sie vorbestraft?“ konfrontierte. Vor dem öffentlichen Casting am Sonntag, mit dem auch all jene erreicht werden sollten, die die Anmeldefrist nicht einhalten konnten, hatte man es am Samstag vor allem mit Vokal- und Turnakrobaten zu tun.
Endlich in der Zeitung
Alexander, ein 24-jähriger Wiener mit Zirkuserfahrung, jonglierte mit Keulen, Ringen und Tennisbällen. Seine Performance wurde für die Vorjury auf Video festgehalten – ebenso wie ein Interview, mit dem sich alle Kandidaten vorstellen mussten. Warum er an „Das Supertalent“ teilnehmen wolle? „Ruhm - I want to be famous!“ Aber man braucht sich nichts vorzumachen: Wie auch die mit extremer Körperbeherrschung beeindruckenden Sportakrobaten Robin aus Freiburg und Timon aus Berlin, die beruflich nicht zu wenige Firmenfeiern bespielen, wäre er besser als Kunstfurzer oder Penismaler zur Welt gekommen.
Während im Warteraum einander bislang unbekannte Teilnehmer das gemeinsame Musizieren überkam, erzählte O.C. vom Akrobatikshowteam The Freaks aus St. Valentin stolz über seine Trainingseinheiten mit den Stuntmen von drüben in Hollywood. Ulrike, die einen Hit der Finnen Sunrise Avenue im Dirndl zum Besten gab, blieb realistisch und wollte „einmal schauen“. Ein unbekanntes Mädchen rief aus, dass sie jetzt in die Zeitung kommt. Für den flotten Ballermann Alex und seinen Glitzerhut – leider nein! – war Döner schöner und machte Pizza spitzer. Der Beatboxer Fii, den man zuletzt im Rahmen der Wiener Festwochen erleben konnte, verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, als öffentliche Figur mit Medienpräsenz durch „Das Supertalent“ auch im Radio zu rotieren.
Die Geschicktesten am Areal werden sich übrigens auch für „Die große Chance“ bewerben, mit denen das Format im Herbst als neueste Sau durch den ORF getrieben wird. Dort allerdings öffentlich-rechtlich, also ohne die Kunstfurzer, die auch am Samstag weder gesichtet noch sonst wie vernommen wurden.
(Wiener Zeitung)
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