Mittwoch, August 10, 2011

Eine Bank ohne Krise

Die US-Hip-Hop-Größen Jay-Z und Kanye West veröffentlichen als The Throne ein gemeinsames Album: Die Konten frohlocken!

Das Cover des Albums ist golden - und erklärt bereits, dass man es hier mit einer sicheren Geldanlage zu tun hat. Schließlich handelt es sich bei The Throne um das Joint Venture der US-Hip-Hop-Größen Jay-Z und Kanye West, die bereits jeweils für sich Millionen von Dollars lukrieren und nun auch mit ihrem Debütalbum „Watch The Throne” vor allem eines darstellen: eine Bank in Zeiten der Krise.

Weil es sich aber nicht nur aus finanziellen Gründen um die stärksten Player am Markt handelt, gilt es zunächst, die Macht zu demonstrieren. Jeder ist bekanntlich selbst der Größte - ein Umstand, der bereits Gerüchte aufkommen ließ, dass es bei der Studioarbeit nicht gänzlich friktionsfrei zugegangen sein könnte. Immerhin hat man es mit dem ersten Werk zu tun, das die beiden Rapper auf Augenhöhe vereint. Während West als Produzent für Jay-Z seine Arbeit zunächst im Hintergrund verrichtete, ist er fünf Soloalben inklusive seines in jedweder Hinsicht überbordenden Vorjahres-Meisterwerks „My Beautiful Dark Twisted Fantasy” später selbst am Olymp angekommen.

Die Ursprünge der Musiker liegen aber nicht nur geografisch betrachtet ein Stück weit voneinander entfernt. Jay-Z, 1969 in ärmliche Verhältnisse in New York geboren, kennt ein Grundthema seiner Arbeit, das Leben auf der Straße, aus der Ich-Perspektive - als junger Erwachsener verdingte sich der Mann sogar als Crack-Dealer, ehe er sich der Musik zuwandte. Kanye West, der 1977 im kaum als Metropole des Hip-Hop zu bezeichnenden Chicago zur Welt kam, wuchs als Sohn einer Universitätsprofessorin für Anglistik vergleichsweise behütet auf.

In ihrer Arbeit eint sie letztlich der Ehrgeiz. Dieser ließ Jay-Z nach heute als Klassiker geltenden Arbeiten wie „Reasonable Doubt” oder „The Black Album” auch zum Unternehmer werden. Unter anderem als Besitzer seiner eigenen Plattenfirma, einer Modekette oder als Teilhaber an den New Jersey Nets hat sich der seit 2008 mit dem R-’n-B-Star Beyoncé verheiratete Musiker ein Vermögen erwirtschaftet, das auf 450 Millionen US-Dollar geschätzt wird. Der künstlerisch radikalere West wiederum definierte sich mit aufwändigen Produktionen als Gesamtkunstwerk, befreite den Hip-Hop aus der Geiselhaft des reinen Gangsta-Klischees und reicherte ihn musikalisch mit einer großen Portion Pop an. Der Mann kann nur mehr über sich selbst stolpern: wie etwa bei den MTV-Awards 2009, als er die Dankesrede von Taylor Swift unterbrach und gegen ihre Auszeichnung intervenierte, wofür ihn sogar US-Präsident Obama als „Jackass” bezeichnete.

Wests Pop-Affinität lässt nun auch „Watch The Throne” strahlen, für dessen markanteste Rap-Parts aber Jay-Z sorgt. Die mit Rücksicht auf die Terminkalender ihrer Protagonisten in Hotelzimmern und Studios zwischen Los Angeles, Paris, Australien und Abu Dhabi (!) aufgenommene Arbeit dürfte in ihrer Sparte somit tatsächlich das Album des Jahres sein. Neben Gastauftritten von Beyoncé oder Frank Ocean, der als Mitglied der Underground-Rapper von OFWGKTA nun auch im Mainstream angekommen sein sollte, bringt die mit prominenten Namen wie Q-Tip, The RZA oder The Neptunes besetzte Produzentenriege die Ergebnisse mehr als bloß sicher in den Hafen.

Zwischen vereinzelt eingestreuten Auto-Tune-Gesängen, Gameboyelektronik und angenehmen Bläsersätzen sowie bei Rückgriffen auf den Ton angebende Samples aus dem Werkkatalog so unterschiedlicher Künstler wie Otis Redding, James Brown, Cassius oder Phil Manzanera von Roxy Music geht es immer wieder um freilich mit großem Spaß an der Freud ausgestellten Selbstreferenzialismus. Neben Religion („No Church In The Wild”) und einem ewigen Kampf namens Leben („Welcome To The Jungle”) beschäftigen sich die Herren schließlich auch mit der Zukunft ihrer dereinst zu zeugenden Thronfolger („New Day”).

Einstweilen aber bleiben Jay-Z und Kanye West selbst die Könige eines Reiches, dessen Wirtschaft dem globalen Trend zum Trotz ungebrochen floriert. Triple-A - mindestens!

Jay-Z & Kanye West alias The Throne: Watch The Throne (Def Jam / Universal)


(Wiener Zeitung, 11.8.2011)

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