SuperHeavy: ein Joint Venture um Mick Jagger und Joss
Stone und sein Debütalbum.
Zuletzt erzählte man sich den Witz, dass es wohl bald zu
einer neuen Tour der Rolling Stones kommen müsse. Nicht etwa, weil Mick Jagger es
noch einmal wissen und die Welt mit einem revolutionären neuen Album beglücken
wolle, sondern weil U2 nach Abschluss ihrer 360°-Konzertreise mit der
finanziell erfolgreichsten Tournee aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingegangen
waren. Stop, halt! Es kann und darf nicht sein, dass ausgerechnet Mensch Bono
mehr Gerstl sein Eigen nennt als Sir Mick. Dazu kommt, dass Jagger selbst auch
aufgrund der angeschlagenen Weltwirtschaftslage bereits die eine oder andere
steuerbefreite US-Dollar-Million mehr am Konto gehabt haben mag.
Ehe eventuell aber ohnehin alles ganz anders kommt, steht
einstweilen der Zeitvertreib im Vordergrund. Und weil alle mitmüssen, wenn ein
Stein ins Rollen gerät, liegt nun, ein Jahr, nachdem sich Mick Jagger in Keith
Richards autobiografischer Erinnerung „Life“ als Kurzzumpf verunglimpft sah, ein
Lebenszeichen des Sängers vor, das die Verhältnisse wiederherstellen soll. Der
solchermaßen Stärke und Größe verheißende Projekt- und Albumtitel „SuperHeavy“
ließ diesbezüglich schon Schlimmes erahnen.
Als Kopfgeburt des ehemaligen Eurythmics Dave Stewart, der
in seiner Wahlheimat auf Jamaika hörbar von der einen oder anderen
Entspannungszigarette inspiriert wurde, geht es dabei explizit um den Genremix.
Gemeinsam mit der 24-jährigen britischen Soul-Bardin Joss Stone und ihrem
Janis-Joplin-Gedenk-Organ, dem indischstämmigen Komponisten, Produzenten und
Keyboarder A. R. Rahman, den man unter anderem für seinen Soundtrack zu „Slumdog
Millionaire“ kennt, und Damian Marley, dem jüngsten Sprössling Bob Marleys, wurde
dabei aber dann doch übertrieben.
Das Anfang des Jahres 2009 mit losen Jams in einem Studio in
Los Angeles eingeläutete Projekt, von dem die Öffentlichkeit aber erst heuer im
Mai und mit einem kaum aussagekräftigen Video-Teaser auf Youtube erfahren
durfte, bringt mit den zwölf Songs seines Debütalbums nicht den angekündigten
Cocktail, sondern einen deftigen Eintopf auf den Tisch. Dabei nehmen sich die
Beteiligten so wichtig, dass inmitten des alles mit allem kombinierenden Sounds
beinahe eine Kampfsituation entsteht: jeder gegen jeden. Vor allem Joss Stone,
die Frau mit der vielen Emotion in der meisten Stimme, röhrt sich im tiefroten Pegelbereich
durch das Album.
Ihre Grundierung erhalten die zentralen Stücke durch Reggae-
und Dancehall-Grooves, die sich teils innerhalb von nur einem Song mit
Stadionrock-Gitarren, Einsprengseln von Ethno-Kitsch, Halbmond-Streichern,
Country-Geigen und Discosizern verbünden. Arbeitsmotto: Himmelherrgott, wenn da
jetzt nicht für jeden etwas dabei ist, dann weiß ich auch nicht mehr weiter! Dazwischen
setzt es dumpfen Drei-Akkord-Rock („I Can’t Take It No More“), bei dem der
Oberstein auch textlich einen Tiefpunkt erreicht. „All you scurvy politicians /
When you are in opposition / You are promising this, you swear you’ll do that /
You all sound like magicians / I can’t take it
/ I can’t fake it no more.”
Mit der Stones-Soundalike-Ballade "Never Gonna
Change" zeigt sich Jagger hingegen klassisch, während er sich anderswo
selbst in Reggae- und Sanskrit-Gesängen übt oder bei "Unbelievable"
an den Muezzin übergibt, der im Weiteren sein Tagwerk verrichtet.
Musik vom Boxenturm der Großraumarena, Musik aus dem Wipfel
der Kokospalme. Von einem solchen soll Keith Richards übrigens schon einmal
gestürzt sein. Jetzt ist Mick Jagger dran.
SuperHeavy: SuperHeavy (Universal Music)
(Wiener Zeitung, 15.9.2011)
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