Wer sich auf Lopud befindet, ist vermutlich zum Schwimmen gekommen. Schließlich kann die für ihren Šunj Strand geschätzte adriatische Insel, die nur 220 Einwohner zählt, von Dubrovnik aus in kaum 50 Minuten mit dem Schiff erreicht werden. Davon, dass das zur großteils unbewohnten Inselgruppe der Elaphiten gehörende Eiland touristisch aber auch schon bessere Zeiten erlebt haben könnte, zeugt das 1936 errichtete Grand Hotel, das als Ruine der Neuzeit traurig darniederliegt.
Dabei lohnt sich vor allem ein Ausflug ins Hinterland, den
nur ein Bruchteil der Touristen tatsächlich
antreten dürfte. Nur wenige Gehminuten von der Strand-Esplanade und ihrer
überschaubaren Ansammlung von Geschäften, Bars und Restaurants entfernt, hat
man es mit einem Paradebeispiel von Kunst in ungewöhnlicher Umgebung zu tun. Ungleich
schwieriger ist es, aufgrund der beschriebenen Rahmenbedingungen auch von Kunst
im öffentlichen Raum zu sprechen.
Innmitten eines gepflegt verwilderten Gartens, zwischen
Zypressen und Olivenbäumen, erblickt der Besucher die auf einer Anhöhe gelegene
Holzkonstruktion des britischen Architekten David Adjaye, hinter der man auch
die Garage eines begüteten Sommerfrischlers vermuten könnte. Tatsächlich ist
der aus vertikalen Holzpfosten errichtete Art Pavilion Schauplatz der
Lichtinstallation „Your black horizon“ des in Berlin und Kopenhagen ansässigen
Künstlers Olafur Eliasson. Dieser gilt immerhin als einer der wenigen Superstars
im umkämpften Kunstbetrieb, über dessen Grenzen hinweg der heute 44-Jährige etwa
2008 für Aufsehen sorgte, als er mit „The New York City Waterfalls“ vier
künstliche Wasserfälle in Manhattan ansiedelte.
Den Hang zum Superlativ, der Eliasson gern unterstellt wird,
merkt man seiner von Francesca von Habsburgs Thyssen-Bornemisza Art Contemporary
in Auftrag gegebenen, 2005 auf der Biennale von Venedig vorgestellten und seit
2007 nun eben auf Lopud zu bestaunenden Arbeit zwar nicht an. Zentrale Elemente
seines Schaffens hingegen lassen sich aber schnell erkennen: dass etwa die
Architektur ein Bestandteil der Arbeit selbst ist, Ausstellungsraum und Werk
einander bedingen und vor allem auch Natur und „Labor“ in Interaktion begriffen
sind.
Im Inneren des fensterlosen und schwarz ausgehüllten Pavillons
wäre es gruselig finster, würde nicht durch einen in Augenhöhe angebrachten
Schlitz Licht strömen. Dieses gibt über ein 360-Grad-Panorama hinweg das ganze
Spektrum der Lichtverhältnisse auf der Insel wieder – vom gleißend hellen
Tageslicht bis hin zu den orangen und violetten Farbtönen des Abends.
Unser eigener, schwarzer Horizont selbst wird erst beim
Verlassen des Pavillons offensichtlich. Die Begegnung mit der schmalen Lichtquelle
im Inneren zaubert für wenige Sekunden eine schwarze Linie vor das Auge, die
den Ausblick vom Hügel hinab in zwei Hälften schneidet.
Ein Strich wird kommen. Ein Schiff wird kommen. Wie Ausstellungsraum
und Werk sind bei diesem Ausflug auch Kunst und Urlaub nicht exakt voneinander
zu trennen.
(Wiener Zeitung, 14.9.2011)
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