Katie Stelmanis und ihre Synthie-Pop-Band Austra zu Gast in
Wien
Dass man es bei den 80er-Jahren mit einem Jahrzehnt zu tun
hat, das von Menschen, die es aktiv durchleben mussten, vor allem für seine Geschmacksentgleisungen
in Sachen Mode und Musik in gar schrecklicher Erinnerung behalten wird, war an
den Charts und Bestenlisten der letzten Jahren kaum abzulesen. Immerhin stellten
zahlreiche Musiker über die Sozialisationsgrenzen hinweg den Sound von anno
Schnee wahlweise ungebrochen nach oder überführten ihn unter Beigabe modernen
Brimboriums ins Heute. Siehe dazu so unterschiedliche Beispiele wie den
quengeligen Partypop von La Roux, die mainstreamlastigen Elektroschlager des britischen
Duos Hurts, das melancholische Songwriting der Junior Boys oder die tollen
New-Wave-Wiedergänge von Twin Shadow aus Hipster City. Ganz abgesehen von einer
Hunderschaft an Produzenten, die ihre stets auf der Höhe der Zeit pulsierenden
Tracks für den Tanz durch die Clubs mit Achtzigerjahre-Sounds abrundeten, lud zuletzt
vor allem die US-Schmerzensfrau Zola Jesus mit ihrem Gothic-Pop zur Black Celebration
auf den Friedhof unseres Bedauerns.
Als Entdeckung dieses Jahres berief sich das aus Toronto
stammende Trio Austra auf seinem programmatisch betitelten Debütalbum „Feel It
Break“ nun nicht mehr bloß auf einschlägige historische Vorbilder zwischen Kate
Bush und The Human League. Die Band um ihre queere Frontfrau Katie Stelmanis,
die nach Anfängen als Einfrauunternehmen oder als Teil der Riot Grrrls von
Galaxy nun eine fixe Arbeitsbasis gefunden zu haben scheint, dockt hörbar auch
bei jüngeren Kollegen wie dem schwedischen Geschwisterduo The Knife und dessen Ableger
Fever Ray an.
Dominiert von Vierviertelbeats und dünnen Snare-Klopfern aus
den Drummaschinen von Seinerzeit, Hall auf den Tonspuren und Synthesizern, die
der Neigungsgruppe Human League auf Anhieb Freudentränen aus den Augen pressen,
geht es bei Austra zart melancholisch, bittersüß und auch düster im Sinne von
Zola Jesus zu. Als gelernte Sängerin, die es ursprünglich in Richtung Oper zog,
betreibt Stelmanis vokales Understatement der guten Sorte, ohne es an Ausdruck mangeln
zu lassen. Dazu kommen Vokalschichtungen zu elegischen Chorälen aus nur einer
Kehle.
Die nach Stelmanis Mittelname und somit der lettischen Göttin des Lichts
benannte Band wird dabei nicht selten eingängig bis an die Erträglichkeitsgrenze
– und klingt doch nie so simpel, wie es sich anhört. Ein großer Spaß für alle,
die ihre Schwermut auch auf dem Dancefloor nicht ablegen wollen.
Sonntag, 11. September 2011, Arena Wien. Beginn: 20 Uhr
(Wiener Zeitung, 10./11.9.2011)
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