Freitag, September 09, 2011

Ein Spaß ohne Freude

Katie Stelmanis und ihre Synthie-Pop-Band Austra zu Gast in Wien

Dass man es bei den 80er-Jahren mit einem Jahrzehnt zu tun hat, das von Menschen, die es aktiv durchleben mussten, vor allem für seine Geschmacksentgleisungen in Sachen Mode und Musik in gar schrecklicher Erinnerung behalten wird, war an den Charts und Bestenlisten der letzten Jahren kaum abzulesen. Immerhin stellten zahlreiche Musiker über die Sozialisationsgrenzen hinweg den Sound von anno Schnee wahlweise ungebrochen nach oder überführten ihn unter Beigabe modernen Brimboriums ins Heute. Siehe dazu so unterschiedliche Beispiele wie den quengeligen Partypop von La Roux, die mainstreamlastigen Elektroschlager des britischen Duos Hurts, das melancholische Songwriting der Junior Boys oder die tollen New-Wave-Wiedergänge von Twin Shadow aus Hipster City. Ganz abgesehen von einer Hunderschaft an Produzenten, die ihre stets auf der Höhe der Zeit pulsierenden Tracks für den Tanz durch die Clubs mit Achtzigerjahre-Sounds abrundeten, lud zuletzt vor allem die US-Schmerzensfrau Zola Jesus mit ihrem Gothic-Pop zur Black Celebration auf den Friedhof unseres Bedauerns.

Als Entdeckung dieses Jahres berief sich das aus Toronto stammende Trio Austra auf seinem programmatisch betitelten Debütalbum „Feel It Break“ nun nicht mehr bloß auf einschlägige historische Vorbilder zwischen Kate Bush und The Human League. Die Band um ihre queere Frontfrau Katie Stelmanis, die nach Anfängen als Einfrauunternehmen oder als Teil der Riot Grrrls von Galaxy nun eine fixe Arbeitsbasis gefunden zu haben scheint, dockt hörbar auch bei jüngeren Kollegen wie dem schwedischen Geschwisterduo The Knife und dessen Ableger Fever Ray an.




Dominiert von Vierviertelbeats und dünnen Snare-Klopfern aus den Drummaschinen von Seinerzeit, Hall auf den Tonspuren und Synthesizern, die der Neigungsgruppe Human League auf Anhieb Freudentränen aus den Augen pressen, geht es bei Austra zart melancholisch, bittersüß und auch düster im Sinne von Zola Jesus zu. Als gelernte Sängerin, die es ursprünglich in Richtung Oper zog, betreibt Stelmanis vokales Understatement der guten Sorte, ohne es an Ausdruck mangeln zu lassen. Dazu kommen Vokalschichtungen zu elegischen Chorälen aus nur einer Kehle.

Die nach Stelmanis Mittelname und somit der lettischen Göttin des Lichts benannte Band wird dabei nicht selten eingängig bis an die Erträglichkeitsgrenze – und klingt doch nie so simpel, wie es sich anhört. Ein großer Spaß für alle, die ihre Schwermut auch auf dem Dancefloor nicht ablegen wollen.  

Sonntag, 11. September 2011, Arena Wien. Beginn: 20 Uhr

(Wiener Zeitung, 10./11.9.2011)

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