Donnerstag, März 28, 2013

Alte Männer, dicke Tränen

Erstes Album seit 23 Jahren: Crime & The City Solution und „American Twilight“

- Comeback von Simon Bonney mit alten und neuen Mitstreitern 

Die Rückkehr von Simon Bonney mit seiner Band Crime & The City Solution bietet zunächst einmal Anlass, sich an ein besonderes Kapitel der Popgeschichte zu erinnern – die Rede ist von einer Zeit ab den späten 1970er-Jahren, als mit Bands wie Nick Caves kaputtem Lumpentrupp The Birthday Party gleichermaßen hocheinflussreiche wie bisweilen akut obskure Musik entstand. Während sich bereits diese Vorgängerformation der Bad Seeds für die alte Geschichte vom Irren im Moor interessierte, ging es musikalisch darum, den Blues als Ursuppe des Rock ’n’ Roll mit gequältem Endzeitpunk kurzuschließen. 

Im Jahr 1977 stellte auch Simon Bonney die Weichen für seinen Werdegang mit Crime & The City Solution, der aber erst nach dem Ende der Birthday Party Fahrt aufnahm. Immerhin wechselten mit Mick Harvey, der als Kreativpartner Caves auch bei den Bad Seeds zentral bleiben sollte, und dem 2009 verstorbenen Gitarristen Rowland S. Howard zwei Ex-Mitglieder der gleichfalls aus Australien stammenden Band zu Bonney – und übersiedelten mit diesem nach London, wo Daniel Millers Label Mute Records Crime & The City Solution bereitwillig aufnahm. Nach dem Debütalbum „Room Of Lights“ ging es weiter in das künstlerische Epizentrum der Ära. Mit einem neuen Line-up, zu dem auch Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten gehörte, erschienen von Berlin aus drei Alben, auf denen sich Bonney & Co zwischen 1988 und 1990 für frische Einflüsse öffneten und etwa auch mit vom Jazz her kommenden Bläsern experimentierten.

Deutlich weniger störrisch als die Birthday Party, aber gleichfalls tief im Dunklen verortet, fand die Karriere der Band mit einem Gastauftritt in Wim Wenders’ Klassiker „Der Himmel über Berlin“ ihren Höhepunkt. Dieser erklärt das Wesen von Crime & The City Solution mit Bonneys beschwörender Stimme und seiner leidenschaftlichen Bühnenpräsenz als zwischen den Polen Lust und Leid ganz dem Obsessiven verschrieben. 

Unbedingte Hingabe 

Das Comeback der Band nach 23-jähriger Pause, in denen Bonney zwei von der Welt ignorierte Soloalben veröffentlichte, um ansonsten ganz seine Rolle als Familienvater zu erfüllen, sollte alten Männern nun zwar nostalgische Glückstränen aus den Augenwinkeln treiben. Dabei wird aber schnell deutlich, dass „American Twilight“ keine sentimentale Angelegenheit, sondern schlicht ein sehr gutes Album geworden ist. Aufgenommen mit dem Kern der Berlin-Formation, allerdings ohne Mick Harvey und um neue Mitstreiter wie David Eugene Edwards (Woven Hand) ergänzt,  gefällt mit „Goddess“ bereits der druckvolle Auftakt: Zu elegischen Geigen, markanten Gitarrenriffs und einer generell viel Wert auf Hall legenden Produktion kündet Bonney im prototypischen Sprechgesang erneut von bedingungsloser Hingabe: „Eternal love from where you start / I celebrate your sexual heart / Oh goddess!“ – wobei der obsessive Einschlag mit dem programmatisch betitelten und von einem Befreiungschor getragenen „Domina“ noch einmal gesteigert wird.

Groovebetont-repetitive Stücke wie das bluesgrundierte „Riven Man“ oder das von Mariachi-Bläsern befeuerte „My Love Takes Me There“, düstere Meditationen („The Colonel“) und Art-Country-Balladen („Beyond Good And Evil“) lassen nach 41 bündigen Minuten keinerlei Zweifel an der Richtigkeit dieses Comebacks. Auch wegen dem überwiegend trostspendenden Charakter des Albums: Schön, dass es diese Band wieder gibt!

 Crime & The City Solution: American Twilight (Mute

(Wiener Zeitung, 28.3.2013)

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