Erstes Album
seit 23 Jahren: Crime & The City Solution und „American Twilight“
- Comeback
von Simon Bonney mit alten und neuen Mitstreitern
Die Rückkehr von
Simon Bonney mit seiner Band Crime & The City Solution bietet zunächst
einmal Anlass, sich an ein besonderes Kapitel der Popgeschichte zu erinnern – die
Rede ist von einer Zeit ab den späten 1970er-Jahren, als mit Bands wie Nick
Caves kaputtem Lumpentrupp The Birthday Party gleichermaßen hocheinflussreiche
wie bisweilen akut obskure Musik entstand. Während sich bereits diese Vorgängerformation
der Bad Seeds für die alte Geschichte vom Irren im Moor interessierte, ging es
musikalisch darum, den Blues als Ursuppe des Rock ’n’ Roll mit gequältem
Endzeitpunk kurzuschließen.
Im
Jahr 1977 stellte auch Simon Bonney die Weichen für seinen Werdegang mit Crime
& The City Solution, der aber erst nach dem Ende der Birthday Party Fahrt aufnahm.
Immerhin wechselten mit Mick Harvey, der als Kreativpartner Caves auch bei den
Bad Seeds zentral bleiben sollte, und dem 2009 verstorbenen Gitarristen Rowland
S. Howard zwei Ex-Mitglieder der gleichfalls aus Australien stammenden Band zu
Bonney – und übersiedelten mit diesem nach London, wo Daniel Millers Label Mute
Records Crime & The City Solution bereitwillig aufnahm. Nach dem Debütalbum
„Room Of Lights“ ging es weiter in das künstlerische Epizentrum der Ära. Mit einem
neuen Line-up, zu dem auch Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten gehörte,
erschienen von Berlin aus drei Alben, auf denen sich Bonney & Co zwischen
1988 und 1990 für frische Einflüsse öffneten und etwa auch mit vom Jazz her
kommenden Bläsern experimentierten.
Deutlich
weniger störrisch als die Birthday Party, aber gleichfalls tief im Dunklen
verortet, fand die Karriere der Band mit einem Gastauftritt in Wim Wenders’
Klassiker „Der Himmel über Berlin“ ihren Höhepunkt. Dieser erklärt das Wesen von
Crime & The City Solution mit Bonneys beschwörender Stimme und seiner
leidenschaftlichen Bühnenpräsenz als zwischen den Polen Lust und Leid ganz dem
Obsessiven verschrieben.
Unbedingte
Hingabe
Das
Comeback der Band nach 23-jähriger Pause, in denen Bonney zwei von der Welt
ignorierte Soloalben veröffentlichte, um ansonsten ganz seine Rolle als
Familienvater zu erfüllen, sollte alten Männern nun zwar nostalgische
Glückstränen aus den Augenwinkeln treiben. Dabei wird aber schnell deutlich,
dass „American Twilight“ keine sentimentale Angelegenheit, sondern schlicht ein
sehr gutes Album geworden ist. Aufgenommen mit dem Kern der Berlin-Formation, allerdings
ohne Mick Harvey und um neue Mitstreiter wie David Eugene Edwards (Woven Hand) ergänzt, gefällt mit „Goddess“ bereits der druckvolle
Auftakt: Zu elegischen Geigen, markanten Gitarrenriffs und einer generell viel
Wert auf Hall legenden Produktion kündet Bonney im prototypischen Sprechgesang
erneut von bedingungsloser Hingabe: „Eternal love from where you start / I
celebrate your sexual heart / Oh goddess!“ – wobei der obsessive Einschlag mit
dem programmatisch betitelten und von einem Befreiungschor getragenen „Domina“
noch einmal gesteigert wird.
Groovebetont-repetitive
Stücke wie das bluesgrundierte „Riven Man“ oder das von Mariachi-Bläsern
befeuerte „My Love Takes Me There“, düstere Meditationen („The Colonel“) und
Art-Country-Balladen („Beyond Good And Evil“) lassen nach 41 bündigen Minuten
keinerlei Zweifel an der Richtigkeit dieses Comebacks. Auch wegen dem überwiegend
trostspendenden Charakter des Albums: Schön, dass es diese Band wieder gibt!
Crime & The City Solution: American Twilight (Mute)
(Wiener Zeitung, 28.3.2013)
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