Auf neues Material ihrer Herzensband reagieren Depeche-Mode-Fans von Osnabrück bis Cottbus erfahrungsgemäß so, dass a) früher alles besser war und sich b) jetzt kein „Enjoy The Silence“ in dem Sinn auf dem neuen Album befindet (wo sind denn hier die MELODIEN??), sofern es im Dunkel der Forumsnacht bezüglich Ausrufe- und Fragezeichen nicht ohnehin „Alan come back!“ oder „Was soll der Mist??“ heißt.
Es
dauert dann verlässlich längstens vier Jahre, bis das nächste Album alles
relativiert und a) die Klasse des Albums davor (mitsamt seinen damals ja auch
wirklich noch sehr starken Melodien!) heute einfach nicht mehr erreicht wird
und der zwischen Osnabrück und Cottbus mindestens für seine Loyalität
weltberühmte Depeche-Mode-Fan dennoch Tickets für jedes der anstehenden
Stadionkonzerte auf bundesdeutschem Boden kauft, wo sich bestimmt auch „Enjoy
The Silence“ wieder auf der Setlist befinden wird.
Intime Stadionatmosphäre
Intime Stadionatmosphäre
Dieser
Umstand führt nun auch dazu, dass Depeche Mode selbst ihrem exklusiven „Album
Launch Event“ vor weniger als 1500 geladenen Gästen im Wiener Museumsquartier die
Intimität jener Stadionkonzerte verleihen, die ab Frühling auf dem Programm stehen und für die man sich
solchermaßen schon einmal warmzuspielen gedenkt. Mit „Personal Jesus“, „Enjoy
The Silence“ und dem auch nach zwanzig Jahren und fünf Welttourneen noch immer
für Gänsehaut sorgenden „Walking In My Shoes“ gelingt das auch aufgrund eines
entsprechend nostalgisch gestimmten Publikums prächtig. Dieses muss den Schock erst
verdauen, dass mit „Delta Machine“ ein neues Album vorliegt, an dessen
Qualitäten es aus Fan-Sicht wenig zu rütteln gibt – vor allem auch, weil mit
dem hübschen Elektropop von Songs wie „Broken“ nicht zuletzt auf die „Black
Celebration“-Ära verwiesen wird, die man im Publikum bis heute betrauert. Wir
sehen gealterte Männer in nietenbesetzten Lederroben, die in bester
Master-and-Servant-Gedenk-Manier an die 1984 eingeführte Bondage-Motivik
erinnern und von der Band immerhin mit neuen Visuals befriedigt werden, für die
sich auch Marilyn Manson heute zu schade wäre. Auf der Videowall setzt es nichts
weniger als gefallene Liebesengel am Kreuze, die mit Gummiball-Knebel im Mund dem
feuerroten Himmel der Apokalypse entgegenblicken.
Mit
„Angel“ geht das einstündige Konzert um 21 Uhr pünktlich los. Die pulsierenden
Synthesizer unterstützen Dave Gahans Predigt auf dem Pfad der Erlösung, der
über technoide Elektronik letztlich hin zum reinigenden Blues-Mantra des
Refrains führen wird. Ebenso wie mit der als erste Single ausgekoppelten Befreiungs-Ballade
„Heaven“ ist damit erklärt, was Martin Gore vorab mit Songs meinte, die eine
Art Frieden ermöglichen wollen.
Schuld und Sühne
Die hier (und wie so oft seit Anfang der 90er-Jahre) instrumentalisierte Religions-Symbolik passt entsprechend gut zu einem zwischen Schuld und Sühne angesiedelten Karriereweg, der bei Depeche Mode selbst als Passion lesbar ist. Davon, wie vergleichsweise profan das Seelenheil doch erreicht werden kann, kündet der für die Großraumarena produzierte Synthie-Blues von „Soothe My Soul“, der Gahan nach einem „girl“ lechzen lässt. Das von ihm selbst geschriebene „Should Be Higher“ wiederum bündelt als zwischen Licht und Schatten mäanderndes Albumhighlight auch live alle Kernkompetenzen.
Schuld und Sühne
Die hier (und wie so oft seit Anfang der 90er-Jahre) instrumentalisierte Religions-Symbolik passt entsprechend gut zu einem zwischen Schuld und Sühne angesiedelten Karriereweg, der bei Depeche Mode selbst als Passion lesbar ist. Davon, wie vergleichsweise profan das Seelenheil doch erreicht werden kann, kündet der für die Großraumarena produzierte Synthie-Blues von „Soothe My Soul“, der Gahan nach einem „girl“ lechzen lässt. Das von ihm selbst geschriebene „Should Be Higher“ wiederum bündelt als zwischen Licht und Schatten mäanderndes Albumhighlight auch live alle Kernkompetenzen.
(Wiener Zeitung, 26.3.2013)
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