Donnerstag, März 14, 2013

(Keine) Mickey-Mouse-Karrieren

- Karriereschatten "Boygroup" 

Statistisch betrachtet ist die Chance, als ehemaliges Boygroup-Mitglied eine erfolgreiche Solokarriere zu starten, weniger aussichtsreich, als mit Meldungen über einen Besuch bei Betty Ford und ihren kranken Schwestern oder ur-investigativen Reportagen über unbezahlbare Stromrechnungen in der Klatschpresse zu landen. Neben der Info „ … ist glücklich verheiratet und Vater eines Sohnes“ geben Datenbanken für nutzloses Wissen und Society-Portale aber auch darüber Auskunft, dass nach in Netzhemden und Gummihosen verbrachten Arbeitsjahren auf der Bühne oft ein Wechsel in als solider empfundene Branchen nottut, die von manchen als Halsabschneiderei, von anderen wiederum als Immobiliensektor bezeichnet werden.

Kurz: Wer sich im Fernsehen als „Dancing Star“ oder Juror im „Starmania“-Fach durchschlagen darf, ist vergleichsweise gut dabei. Robbie Williams (Take That) als in den Fußballstadien Europas und Justin Timberlake ('N Sync) als im Gegensatz dazu auch und vor allem in den USA reüssierender Entertainer sind große Ausnahmen.

Als Industrieprodukt zur Umsatzmaximierung der in den 90er-Jahren noch wesentlich größeren Major-Labels waren Boygroup-Karrieren zwar grundsätzlich auf Kurzlebigkeit angelegt – nicht nur, aber auch weil das akut minderjährige Zielpublikum irgendwann erwachsen werden wollte. Aufgrund hart selektierender Castings und eingedenk der Vorlaufzeiten über Talentwettbewerbe sind die mangelnden Zweitlaufbahnen am Ende aber doch erstaunlich. Stigmatisierung per Peinlichkeitsverdacht oder die Unmöglichkeit, bereits mit Anfang 20 als ironischer Schatten seiner selbst (wie David Hasselhoff) durch die Peripherie zu gondeln, sind als Gründe zu nennen. Und natürlich auch die Schwierigkeit, nach erfolgter Bandauflösung ein emanzipiertes Künstler-Ich anzunehmen – niemand war diesbezüglich konsequenter und erfolgreicher als Robbie Williams, dessen Stammband gleichfalls ein Kunststück gelang. Immerhin gelten die wiedervereinten Take That vor allem in ihrer britischen Heimat nach wie vor als Teil der kommerziellen Oberliga, wofür wiederum ihre mehr oder minder würdevolle Erwachsenwerdung verantwortlich zeichnet.

Apropos: Auf Youtube sind Videos des 13-jährigen Justin Timberlake aus seiner Kaderschmiede, dem auch von Britney Spears, Christina Aguilera oder Ryan Gosling moderierten „Mickey Mouse Club“, ein Hit. Man kann sich vorstellen, dass die aktuell mit dem nötigen Kleingeld kompensierte Entwicklung zum globalen Player nicht immer die scheinbare Kinderjause war.

(Wiener Zeitung, 15.3.2013)

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