„The 20/20
Experience“:
US-Popstar-Darsteller Justin Timberlake veröffentlicht
sein drittes Album.
Das
Leben kann so schön sein! Diese Erkenntnis liegt nahe, wenn man, wie Justin
Timberlake, mit nur zwei Soloalben nichts weniger als die erfolgreichste
männliche Pop-Solokarriere der Nullerjahre bestritten und von den mit Hollywood-Schauspielerinnen
verbrachten Jetset-Urlauben dazwischen neuen Stoff für Lieder über Liebe, Lust
und Leidenschaft mitgenommen hat. Man darf dann über Reisen im Raumschiff für
zwei singen, vom Liebemachen am Mond und auch darüber, wie es klingt, wenn
einem das Schatzi im Orbit zärtlich ein „Oh-oh-oooh!“ ins Ohr raunt.
Im
Falle des 32-jährigen Popstar-Darstellers aus Memphis, Tennessee, hat das diesbezügliche
Wiederhören nun etwas länger gedauert – was auch insofern erstaunlich ist, als
Justin Timberlake mit seinem Zweitling „FutureSex/LoveSounds“ im Jahr 2006 an einem
Punkt angelangt war, den man a) im Mainstream-Pop nur mit viel Mühe (und der
nötigen Dosis Glück) erreicht und von dem aus b) zügig nachgelegt werden
sollte.
Timberlake gelang ein Jahr später zwar auch noch der Coup, für Madonnas
„Hard Candy“-Album als Duett- und Schreibpartner mindestens wichtig zu sein. Bald
darauf aber wurde es nicht etwa deshalb still um den Musiker Justin Timberlake,
weil dieser als Besitzer dreier Restaurants, eines Modelabels, seines eigenen
Golfplatzes, der Tequila-Marke 901 und, und, und auch noch damit beschäftigt war,
das Musikportal Myspace zu retten. Der Mann, der allein wegen der Lizensierung
seines Songs „I’m Lovin‘ It“ für die US-Burgerbude mit dem gelben M längst
hauptberuflich im Pool planschen könnte, widmete sich vor allem seiner
Zweitkarriere als Schauspieler, die ihm unter anderem eine Rolle in David
Finchers Oscar-prämiertem Biopic „The Social Network“ einbrachte. Die Arbeiten
zu Timberlakes nun erscheinendem dritten Streich „The 20/20 Experience“ (Sony Music) fanden
folgerichtig während des branchentypischen Promo-Marathons statt, der Filmmenschen
bevorzugt Stehsätze wie „Es war total toll, mit XY zu drehen“ und „Die Stimmung
am Set hätte nicht besser sein können“ bemühen lässt. Zudem schloss der
Entertainer im Oktober 2012 mit US-Schauspielerin Jessica Biel den Bund fürs
Leben.
Sinatrischer
Streicherschmelz
Das
erneut von Timberlakes Haus- und Hof-Produzenten Timbaland in Form gebrachte
Album erklärt mit zehn neuen Songs und einer Spielzeit von 70 Minuten auf wenig
radiofreundliche Weise zunächst, dass hier noch immer jemand an seiner „künstlerischen“
Vergangenheit als Plastikpopper der Boyband 'N Sync leidet. Das Bemühen,
zwischen klassischen Soul- und R&B-Klängen und betont modernistischen Sounds
Bedeutung zu generieren, ist in all seiner Emphase ebenso hörbar wie ja auch
durchaus löblich. Immerhin spielt es die mit dem Produktionsbudget Timberlakes
jederzeit möglichen Welthits zugunsten des Albums als Gesamtwerk diesmal nicht
– wobei gerade das noch am ehesten als Versuch eines Single-Erfolgs zu
verstehende „Mirrors“ als Aufguss der Timbaland’schen Standardproduktion für
Nelly Furtado von 2006 kaum überzeugt.
Mit
dem versunkenen Streicherschmelz von „Pusher Love Girl“ geht es hingegen sinatrisch
los. Soul-Licks fallen ein. Ein lyrisches Girl macht Justin Timberlake („You’re
my drug!“) hörbar „high“ – zumindest die Falsettfistelei kündet davon, ehe
Jay-Z als Gastmacker der im Anschluss gereichten Vorabsingle „Suit & Tie“ auftaucht,
deren Beginn gemütliche Kifferrunden im Studio zumindest nicht ganz unrealistisch
erscheinen lässt.
Inniges Johlen
„Don’t Hold The Wall“ dringt mit
hölzernen Percussions schließlich auch in Track-Ebenen vor, während das
beatzentrierte „Let The Groove Get In“ außer mit uns tanzen nur mit uns tanzen
will. Grundsätzlich macht sich im Gegensatz zur kantigen Produktion des
Vorgängers aber ein stärkerer Hang zu einer Art Schlafzimmersoul 2.0 bemerkbar,
der den Notstand des Autoren-Ichs zu smoothen Sounds mit innigem Johlen
vertont. Nicht erstmals werden entsprechend auch Erinnerungen an Prince wach,
wenn Timberlakes Michael-Jackson-Gedächtnis-Intonation nicht gerade den im Werk
ungleich keuscheren King of Pop beschwört.
Auf Basis genuin schwarzer
Musiken erzählt mit Justin Timberlake also ein noch immer recht junges
Bleichgesicht die Geschichte von der einen Frau für dieses einzige Leben.
„Clouded from anywhere, a million people around – all I see is you. Everything
just disappears, I got that tunnel vision!“ – das hört die vom akustischen
„Strawberry Bubblegum“ des Albums wohlig charmierte Zielgruppe gerne. „Love is
swinging in the air tonight. Let me show you a few things!“
Welche Dinge das sein könnten,
darf man sich gerne selbst ausmalen. In Ermangelung tatsächlicher Hits möchte man
PR-technisch aber zurufen: Eine Art Nipplegate wäre sicher nicht schlecht.
(Wiener Zeitung, 15.3.2013)
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