Donnerstag, März 14, 2013

„Und du sagst Oh-oh-oooh!“

„The 20/20 Experience“: US-Popstar-Darsteller Justin Timberlake veröffentlicht sein drittes Album.

Das Leben kann so schön sein! Diese Erkenntnis liegt nahe, wenn man, wie Justin Timberlake, mit nur zwei Soloalben nichts weniger als die erfolgreichste männliche Pop-Solokarriere der Nullerjahre bestritten und von den mit Hollywood-Schauspielerinnen verbrachten Jetset-Urlauben dazwischen neuen Stoff für Lieder über Liebe, Lust und Leidenschaft mitgenommen hat. Man darf dann über Reisen im Raumschiff für zwei singen, vom Liebemachen am Mond und auch darüber, wie es klingt, wenn einem das Schatzi im Orbit zärtlich ein „Oh-oh-oooh!“ ins Ohr raunt.

Im Falle des 32-jährigen Popstar-Darstellers aus Memphis, Tennessee, hat das diesbezügliche Wiederhören nun etwas länger gedauert – was auch insofern erstaunlich ist, als Justin Timberlake mit seinem Zweitling „FutureSex/LoveSounds“ im Jahr 2006 an einem Punkt angelangt war, den man a) im Mainstream-Pop nur mit viel Mühe (und der nötigen Dosis Glück) erreicht und von dem aus b) zügig nachgelegt werden sollte.

Timberlake gelang ein Jahr später zwar auch noch der Coup, für Madonnas „Hard Candy“-Album als Duett- und Schreibpartner mindestens wichtig zu sein. Bald darauf aber wurde es nicht etwa deshalb still um den Musiker Justin Timberlake, weil dieser als Besitzer dreier Restaurants, eines Modelabels, seines eigenen Golfplatzes, der Tequila-Marke 901 und, und, und auch noch damit beschäftigt war, das Musikportal Myspace zu retten. Der Mann, der allein wegen der Lizensierung seines Songs „I’m Lovin‘ It“ für die US-Burgerbude mit dem gelben M längst hauptberuflich im Pool planschen könnte, widmete sich vor allem seiner Zweitkarriere als Schauspieler, die ihm unter anderem eine Rolle in David Finchers Oscar-prämiertem Biopic „The Social Network“ einbrachte. Die Arbeiten zu Timberlakes nun erscheinendem dritten Streich „The 20/20 Experience“ (Sony Music) fanden folgerichtig während des branchentypischen Promo-Marathons statt, der Filmmenschen bevorzugt Stehsätze wie „Es war total toll, mit XY zu drehen“ und „Die Stimmung am Set hätte nicht besser sein können“ bemühen lässt. Zudem schloss der Entertainer im Oktober 2012 mit US-Schauspielerin Jessica Biel den Bund fürs Leben. 

Sinatrischer Streicherschmelz 

Das erneut von Timberlakes Haus- und Hof-Produzenten Timbaland in Form gebrachte Album erklärt mit zehn neuen Songs und einer Spielzeit von 70 Minuten auf wenig radiofreundliche Weise zunächst, dass hier noch immer jemand an seiner „künstlerischen“ Vergangenheit als Plastikpopper der Boyband 'N Sync leidet. Das Bemühen, zwischen klassischen Soul- und R&B-Klängen und betont modernistischen Sounds Bedeutung zu generieren, ist in all seiner Emphase ebenso hörbar wie ja auch durchaus löblich. Immerhin spielt es die mit dem Produktionsbudget Timberlakes jederzeit möglichen Welthits zugunsten des Albums als Gesamtwerk diesmal nicht – wobei gerade das noch am ehesten als Versuch eines Single-Erfolgs zu verstehende „Mirrors“ als Aufguss der Timbaland’schen Standardproduktion für Nelly Furtado von 2006 kaum überzeugt.

Mit dem versunkenen Streicherschmelz von „Pusher Love Girl“ geht es hingegen sinatrisch los. Soul-Licks fallen ein. Ein lyrisches Girl macht Justin Timberlake („You’re my drug!“) hörbar „high“ – zumindest die Falsettfistelei kündet davon, ehe Jay-Z als Gastmacker der im Anschluss gereichten Vorabsingle „Suit & Tie“ auftaucht, deren Beginn gemütliche Kifferrunden im Studio zumindest nicht ganz unrealistisch erscheinen lässt. 

Inniges Johlen 

„Don’t Hold The Wall“ dringt mit hölzernen Percussions schließlich auch in Track-Ebenen vor, während das beatzentrierte „Let The Groove Get In“ außer mit uns tanzen nur mit uns tanzen will. Grundsätzlich macht sich im Gegensatz zur kantigen Produktion des Vorgängers aber ein stärkerer Hang zu einer Art Schlafzimmersoul 2.0 bemerkbar, der den Notstand des Autoren-Ichs zu smoothen Sounds mit innigem Johlen vertont. Nicht erstmals werden entsprechend auch Erinnerungen an Prince wach, wenn Timberlakes Michael-Jackson-Gedächtnis-Intonation nicht gerade den im Werk ungleich keuscheren King of Pop beschwört.

Auf Basis genuin schwarzer Musiken erzählt mit Justin Timberlake also ein noch immer recht junges Bleichgesicht die Geschichte von der einen Frau für dieses einzige Leben. „Clouded from anywhere, a million people around – all I see is you. Everything just disappears, I got that tunnel vision!“ – das hört die vom akustischen „Strawberry Bubblegum“ des Albums wohlig charmierte Zielgruppe gerne. „Love is swinging in the air tonight. Let me show you a few things!“ 

Welche Dinge das sein könnten, darf man sich gerne selbst ausmalen. In Ermangelung tatsächlicher Hits möchte man PR-technisch aber zurufen: Eine Art Nipplegate wäre sicher nicht schlecht.

(Wiener Zeitung, 15.3.2013)

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