Sinéad O’Connor
gastierte im Rahmen ihrer „The Crazy Baldhead Tour“ im Wiener Konzerthaus
Es ist
nicht ganz ironiefrei, wenn Sinéad O’Connor ihren Auftritt im Wiener
Konzerthaus mit einer Coverversion von John Grants „Queen Of Denmark“ eröffnet.
Erste Worte: „I wanted to change the world / but I could not even change my
underwear / And when the shit got really really out of hand / I had it all the
way up to my hairline …“
Nach
einer gut dokumentierten lebenslänglichen Problemphase mit Sinéad O’Connor in
der Hauptrolle als sensible Künstlerin ging es im aktuellen Jahrzehnt immerhin
darum, nach sechzehntägiger Blitz-Ehe, anschließendem Scheidungs-Donner und
einem psychiatrischen Hilfsgesuch per Twitter in eine Auszeit zu fliehen. Die im
Rahmen der augenzwinkernd „The Crazy Baldhead Tour“ betitelten Konzertreise nun
wiederaufgenommene Arbeit bringt es mit sich, dass eher aber dem Publikum
mulmig werden darf in der Magengrube. Mit der in Richtung Amtskirche, Vatikan
und Papst polternden, sich als selbstgeweihte Frau Pfarrer aber mindestens
christlich erweisenden Sängerin in der liturgischen Arbeitsbekleidung, sorgt neben
der bisweilen alttestamentarisch-drastischen Textneigung des Abends („I bleed the blood
of Jesus over you / and every fucking thing you do!“) auch das Elfriede-Blauensteiner-Gedenk-Kreuz
am Bande dafür, das O’Connor vom Hals taumelt und baumelt. Heiliger
Schutzpatron der Konzerthausbesucher? Bitte, bitte, bitte für uns!
Am
Programm steht neben ein klein wenig Abrechnung und erheblich mehr Sinnsuche auch
der von O’Connor mit der nötigen Dosis Emphase vorgetragene Wunsch nach
Erlösung. Vor allem das – entgegen der Programm-Ankündigung zwar mit
fünfköpfiger Band, aber durchaus nicht unplugged gegebene – Material aus dem
aktuellen Album „How About I Be Me (And You Be You)?“ kommt der diesbezüglichen
Vorstellung mit ungewohnt positiven Momenten nahe. Das von Blues- und Folkelementen
durchsetzte „4th And Vine“ kündet live ebenso davon wie der radiotaugliche Saturn-Kategorisierungs-Rockpop
von „The Wolf Is Getting Married“. Live um harmonische Gruppengesänge
erweitert, regieren auch bei einst sanft in Trip-Hop-Nähe gerückten Songs wie
„Fire On Babylon“ oder „Thank You For Hearing Me“ gitarrenbasiert Bodenhaftung
und Erdigkeit. Das klingt nicht schlecht. Nur den Soundcheck hätte man
eventuell vor dem Konzert machen können. Zu vokalen Behauptungen kommt es schließlich
mit einer von O’Connor a cappella gegebenen Version von „I Am Stretched On Your
Grave“ sowie mit dem Andachtsgesang von „In This Heart“. Als Dokument ihres
einstigen Popstartums ist auch eine nicht übermäßig bemühte Version von
„Nothing Compares 2 U“ mit dabei.
Na gut, so irre war
das ja gar nicht – mit einem Konzertende um halb zehn nur irre bald vorbei. Eine
Überlegung noch: Was würden wir uns alle ersparen, wenn es auch auf Twitter
eine Sperrstunde gäbe?
(Wiener Zeitung, 30.4.2013)
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