Montag, April 29, 2013

Bitte, bitte für uns

Sinéad O’Connor gastierte im Rahmen ihrer „The Crazy Baldhead Tour“ im Wiener Konzerthaus 

Es ist nicht ganz ironiefrei, wenn Sinéad O’Connor ihren Auftritt im Wiener Konzerthaus mit einer Coverversion von John Grants „Queen Of Denmark“ eröffnet. Erste Worte: „I wanted to change the world / but I could not even change my underwear / And when the shit got really really out of hand / I had it all the way up to my hairline …“

Nach einer gut dokumentierten lebenslänglichen Problemphase mit Sinéad O’Connor in der Hauptrolle als sensible Künstlerin ging es im aktuellen Jahrzehnt immerhin darum, nach sechzehntägiger Blitz-Ehe, anschließendem Scheidungs-Donner und einem psychiatrischen Hilfsgesuch per Twitter in eine Auszeit zu fliehen. Die im Rahmen der augenzwinkernd „The Crazy Baldhead Tour“ betitelten Konzertreise nun wiederaufgenommene Arbeit bringt es mit sich, dass eher aber dem Publikum mulmig werden darf in der Magengrube. Mit der in Richtung Amtskirche, Vatikan und Papst polternden, sich als selbstgeweihte Frau Pfarrer aber mindestens christlich erweisenden Sängerin in der liturgischen Arbeitsbekleidung, sorgt neben der bisweilen alttestamentarisch-drastischen Textneigung des Abends („I bleed the blood of Jesus over you / and every fucking thing you do!“) auch das Elfriede-Blauensteiner-Gedenk-Kreuz am Bande dafür, das O’Connor vom Hals taumelt und baumelt. Heiliger Schutzpatron der Konzerthausbesucher? Bitte, bitte, bitte für uns! 

Am Programm steht neben ein klein wenig Abrechnung und erheblich mehr Sinnsuche auch der von O’Connor mit der nötigen Dosis Emphase vorgetragene Wunsch nach Erlösung. Vor allem das – entgegen der Programm-Ankündigung zwar mit fünfköpfiger Band, aber durchaus nicht unplugged gegebene – Material aus dem aktuellen Album „How About I Be Me (And You Be You)?“ kommt der diesbezüglichen Vorstellung mit ungewohnt positiven Momenten nahe. Das von Blues- und Folkelementen durchsetzte „4th And Vine“ kündet live ebenso davon wie der radiotaugliche Saturn-Kategorisierungs-Rockpop von „The Wolf Is Getting Married“. Live um harmonische Gruppengesänge erweitert, regieren auch bei einst sanft in Trip-Hop-Nähe gerückten Songs wie „Fire On Babylon“ oder „Thank You For Hearing Me“ gitarrenbasiert Bodenhaftung und Erdigkeit. Das klingt nicht schlecht. Nur den Soundcheck hätte man eventuell vor dem Konzert machen können. Zu vokalen Behauptungen kommt es schließlich mit einer von O’Connor a cappella gegebenen Version von „I Am Stretched On Your Grave“ sowie mit dem Andachtsgesang von „In This Heart“. Als Dokument ihres einstigen Popstartums ist auch eine nicht übermäßig bemühte Version von „Nothing Compares 2 U“ mit dabei. 

Na gut, so irre war das ja gar nicht – mit einem Konzertende um halb zehn nur irre bald vorbei. Eine Überlegung noch: Was würden wir uns alle ersparen, wenn es auch auf Twitter eine Sperrstunde gäbe?

(Wiener Zeitung, 30.4.2013) 

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