Am Donnerstag startete das
Donaufestival in Krems in seine mittlerweile neunte Saison
Sicher, das mit dem Rocken hat
sich nach ungeschickten Interview-Aussagen des Alphatiers Peter Weibel
hinsichtlich seiner Band dann ganz schnell erledigt. Zwar hätte der
Tausendsassa zwischen Kunst, Medientheorie und allem, was man sonst noch
mitnehmen kann, zur Eröffnung des diesjährigen Donaufestivals in der ehemaligen
Minoritenkirche Krems-Stein auch daran erinnern sollen, dass sein Hotel
Morphila Orchester ihm einst tatsächlich sehr gut Songs zur Verfügung stellte –
zu denen Weibel als Textmeister und Bühnenzentralmittelpunkt nicht nur
Kontaktanzeigen aus der Kronen Zeitung („Sex in der Stadt“) zum Besten gab oder
in bemühtem Englisch den Saubartel mimte: „Married women feel my cock / when
I’m dancing with you the rock!“
Zimmerlauter Noise
Nachdem ihm seine nicht ganz zu
Unrecht wohl etwas eingeschnappte Band die Gefolgschaft verweigerte, kam es am
Donaufestival dann allerdings zu einem Crashkurs in Sachen der von Weibel als
Vorstand des Karlsruher ZKM vermittelten Pole Kunst und Medientechnologie. Im - verglichen mit bisherigen Donaufestival-Auftakt-Acts wie etwa James Blake vor
zwei Jahren nicht ganz so kuschelig vollen, im Gegensatz zu den traurig
verlassenen Resthallen des Eröffnungstags aber ganz anständig besuchten - Klangraum, ließ der von einer Sporttänzerin absolvierte erste Akt unter
audiovisuellen Vorzeichen allerdings schon eines vermuten: Womöglich musste die
ZKM-Belegschaft in ihrer Ausnahmerolle als SOKO Krems gegen Ende der
Produktionsplanung noch etwas stärker rotieren, um das mangels Band knappere
Programm gestreckt über die Bühne zu bringen.
Peter Weibel setzte im Rahmen
seines ersten Eigenbeitrags zu diesem „3D-Rausch-Konzert“ ein unechtes Jo-Jo
auf dem Bildschirm über ihm mit einer echten Schnur in Bewegung. Real, digital,
phänomenal. Programmatisch: Nicht Peter Weibel kam zur Schnur. Die Schnur kam
zu Peter Weibel. Im Hintergrund entfesselten sich dazu donnernde Soundscapes in
angenehmer Zimmerlautstärke, die die im Weiteren erfolgte Theoretisierung des
Forschungsgebiets Noise, Lärm und kosmisches Rauschen doch etwas Lügen strafte.
Peter Weibel darf nicht Merzbow werden! Er darf im Rahmen einer Lehrstunde über
den Ursprung aller Dinge für uns für den Urknall viel zu junge Leute aber fest
in die Schreibmaschine klopfen. Die klingt, wie Peter Weibel selbst sprechen
würde – schnell, sprunghaft, abgehackt –, nur mit dem Unterschied, dass am Ende
der live mitverfolgbaren Textarbeit alle Silben erhalten bleiben.
Selbst auf die einen Elektrobeat
absondernde Trommel klopfend und an der Geige und Querflöte spielenden
Verfremdungsgitarre aktiv, definierte der Herr Kunstprofessor gegen Ende noch
den ihm inhärenten Spielwiesendrang eines ewigen Kindes, während mit dem
theoretischen Rock des 2011er-Revivals „Wir sind Daten“ im Vollplayback und mit
Peter Weibel irgendwo draußen in Stein auch das Hotel Morphila Orchester noch
ansatzweise zu Ehren kam.
Tuckern und Pluckern
Im Anschluss galt es, Konzerte
der zwischen abstraktem Gebell, tanzbarem Mehrwert und Donnerwetter arbeitenden
Bastards Of Fate oder der in New York aus unerfindlichen Gründen angesagten
Nervensägen Zs zu überstehen. Allgemeinverträglicher das zum selbstgebauten
Instrument neigende Duo Buke and Gase oder Portishead-Mann Geoff Barrow, der
mit seinem gespensternden Krautrock-Projekt Beak> standesgemäß für den
Headliner aufwärmte: Mit Michael Rother von Neu! erinnerte ein diesbezüglicher
Miterfinder an die Avantgarde von 1972.
Süßliche, akut romantische Melodien und repetitive Grundmuster, die per
Laptop verstärkt elektronisch-maschinell tuckerten und pluckerten, brachten die
ebenso lange wie längliche Nacht zwar in Richtung Happy End. Frei nach Peter
Weibel war ein gewisser Hospitals-Charakter des Kremser Eröffnungstags aber
nicht ganz von der Hand zu weisen.
(Wiener Zeitung, 27./28.4.2013)
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