Eros Ramazzotti
gastierte im Rahmen seiner „Noi World Tour“ wieder einmal in Wien
Der
frühe Dienstantritt um 19.30 Uhr bringt es mit sich, dass beträchtliche Teile
des Publikums noch vor der Stadthalle stehen, als das Konzert beginnt. Und
während die pünktlich Anwesenden gerade über den besten Balsamico-Essig aus der
Emilia-Romagna diskutieren, setzt es von der Bühne herab bereits das erste Stromrockgitarrensolo.
Geschuldet ist es mit „Ancora Vita“ einem Stück aus 1991, dessen
Whitney-Houston-Gedenkkeyboards gleichfalls erklären, dass nicht alles im Werk von
Eros Ramazzotti so gut gealtert ist wie der mit 49 Jahren blendend aussehende Held
dieses Abends.
Genau
diese doch etwas angestaubten Italo-Hadern sind es allerdings, die eine zum Schmuserock-Kuschelsong
neigende Formatradiozielgruppengesellschaft alle drei Jahre in die
Mehrzweckhalle ihrer Heimatstadt pilgern lassen. Wir haben uns heute versammelt,
um den größten Hits der 80er- und 90er-Jahre zu lauschen. Wir hören ein
dramatisches „Adesso tu“, das von Ramazzotti an der akustischen Surfer-Gitarre
gegebene „L’aurora“ und natürlich „Se
bastasse una calzone“, den Song von der Pizzeria am Eck.
Sicher,
es stehen auch Lieder vom aktuellen Album „Noi“ auf der Setlist, mit denen
Ramazzotti beweist, dass er nichts mehr beweisen muss. Nach einer Weltkarriere daheim
in Italien sowie mindestens auch quer durch die einstige „Wetten, dass..?“-Empfangszone Deutschland,
Österreich, Schweiz darf man heute gepflegten Midtempo-Pop liefern, der im
Radio nicht weiter auffällt und es den Fans live ermöglicht, von draußen an der
Bar Nachschub zu holen. Immerhin hat man sich von Seiten der Wiener Stadthalle
gut auf das Konzert vorbereitet und schüttet Prosecco in Einwegflöten aus
Plastik, mit denen sich die im Saal anwesenden Vorstandsvorsitzenden und ihre
zu jungen Lebensabschnittspartnerinnen heute einen kleinen Damenspitz antrinken
dürfen. Die sanfte Ignoranz dem neuen Material gegenüber ist zumindest insofern
aber unangebracht, als dieses auf Preset-Unglücke am Keyboard und das
überbordend eingesetzte Tina-Turner-Saxofon verzichtet, mit dem ein zwecks
Authentizität und Emozione von Amerika drüben engagierter Musiker bei den
Klassikern Dienst leisten darf.
Mit seiner siebenköpfigen Band und zwei mit viel
Ausdruck singenden Models am Mikrofonständer absolviert ein leger in Jeanshose
und T-Shirt gekleideter Eros das Konzert mehr oder weniger aus dem Stand
heraus. Er singt seine zwei und hierzulande im Schlagerkarussell rotierenden Textsujets
vom „Bleib immer mein“ und „Komm wieder zu mir“ nicht mit mehr Nachdruck als nötig.
Bei den Hits übernimmt das Publikum selbst. Italienische Arbeitsteilung. Ein
Chef muss delegieren können. Und geht es bei Eros Ramazzotti nicht immer darum,
dass wir nur gemeinsam auch wirklich zusammener sind?
Auf einer betont modernen Modulbühne erweist sich
der Mann während einer Spielzeit von knapp zwei Stunden aber eh als
sympathisch. Man muss sich nur die Rainhard-Fendrich-Akkorde wegdenken, die
unter dem Gospelchor lauern. Händeschütteln im Bühnengraben. Textablesen vom
Teleprompter. Sexy-funky Latin-Lover-Version von „Fuoco nel fuoco“ spielen
gehen und mit „Più
bella cosa“ noch einmal alle beglücken.
Zum
untypischen und mit einem kleinen Pfeifkonzert aus dem Saal beantworteten Ende
um 21:24 Uhr nur zwei Dinge: Ein wilder Rocker in dem Sinn war der Fußball-Fan Eros
Ramazzotti ja noch nie. Und hatte es nicht etwas Tröstliches, Juventus Turin per
Fernsehdrang zumindest über den Kunstgenuss triumphieren zu lassen?
(Wiener Zeitung, 12.4.2013)
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