„Sing To The
Moon“: Die 26-jährige Britin Laura Mvula und ihr Debütalbum
- Orchestraler Pop
trifft auf Black Music
Zunächst
einmal wäre anzumerken, dass Laura Mvula zu Unrecht „nur“ auf Platz vier des
„BBC Sound of 2013“-Rankings zu finden war, das als einschlägigste Durchbruchsprognose
auch heuer wieder über die Newcomer der Folgesaison informierte (um sie als
selbsterfüllende Prophezeiung gleichsam zu fördern): Im direkten Vergleich mit
der blutjungen, aus der sonnigen Entertainment-Metropole Los Angeles stammenden
Schwesternband Haim, die die Listenspitze diesmal erklomm, hatte Mvula zwar das
offensichtlichere Talent und ungleich mehr Substanz in den besseren Vorabsongs.
Womöglich war es aber auch ihr an ein erwachseneres Publikum gerichteter
Popentwurf, der den in dieser Hinsicht breiter aufgestellten Haim – der Jugend
eine Chance! – am Ende zugutekam.
Von
den Inhalten einmal abgesehen, geht die erwachsene Aura von Mvulas Musik
vordergründig auf einen Stilmix aus orchestralem Pop und Black Music zurück –
wobei vor allem in den starken Gospel-, Soul- und R&B-Bezügen der Songs
eine nicht zu unterschätzende Gefahr lauert. Nach dem Siegeszug von Amy
Winehouse und den im Anschluss entsprechend auch über stattliche Pfund- und
Dollar-Etats geförderten Karrieren von Sängerinnen wie Adele, Duffy, Rumer und
vielen anderen mehr mag die öffentliche Meinung einen neuen Namen als bloß eine
weitere Stimme im Genre-Kanon betrachten. Die aus Birmingham gebürtige Musikerin
mit karibischen Vorfahren allerdings hat hörbar genug Potenzial, um ähnliche
Vorwürfe erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Hinter
der Raffinesse ihres nun vorliegenden Debütalbums „Sing To The Moon“ liegt ein
langer und klassischer Weg der musikalischen Vor-, Aus- und Weiterbildung: Seit
Kindheitstagen am Klavier und an der Geige aktiv, engagierte sich die heute 26-Jährige
später in Gospelchören und Soulbands, ehe sie am Konservatorium ihrer
Heimatstadt ein Kompositions-Diplom erlangte. Dem erdigen Klang ihrer auf
modernistisches Beiwerk verzichtenden Songs zum Trotz entstanden erste Skizzen
aber nicht etwa am Flügel oder beim Griff in die Saiten, sondern am Klapprechner
daheim auf der Couch, während Mvula ihren Lebensunterhalt noch als
Hauptschullehrerein verdiente. Der rasche Weg zum Plattenvertrag mit der
Sony-Tochter RCA Records in New York City muss sich auch aktuell noch etwas
surreal anfühlen.
Ästhetisch
werden die zwölf Songs ihres Erstlingswerks nun von dichten Orchesterklängen (und
unter besonderer Berücksichtigung von zartem Streicherschmelz, taumelnden
Harfen und Paukendonner) sowie den verschiedenen Spielarten genuin schwarzer Genres
getragen – zudem stehen innige, afrikanisch angehauchte Gruppengesänge und
Vokalschichtungen ebenso im Vordergrund wie liebliche Glocken- und Glockenspielmelodien,
die den gefühligen Charakter des Albums untermauern. Die dahingehende Könnerschaft
wird mit „Like The Morning Dew“ bereits vom Auftaktsong unter Beweis gestellt, dessen
zwischenzeitlicher Wiegenlied-Einschlag mit beschwingt-ratternden Snare-Drums
aus der Marching-Band-Schule später zu neuem Leben erwacht – Verlustangst,
Los-lassen-Müssen, Herzerwärmung, alles ist dabei. Als R&B-Stampfer mit tonangebenden
Blechbläsern erweist sich im Anschluss das von Mvula auf Angriffslust gestimmte
„Make Me Lovely“ („Please don’t try to hold me down / It’s over now!“), ehe
„Green Garden“ als nicht nur vergleichsweise dezent arrangierter Pop-Moment mit
vom Jazz her kommendem Kontrabass, Handclaps und Vocoder-Chören bei der
Wieder-Ankunft am Wohlfühlort für heiter-melancholische Glücksgefühle sorgt:
„Take me outside / sit in the green garden / Nobody out there / but it’s okay
now / Bathe in the sunlight / don’t mind if rain falls …“ – runterkommen,
abschalten, durchatmen. Musikalisch findet Mvula die Balance zwischen
konsumbedingender Leichtigkeit und songschreiberischer Tiefe hier auf eine mehr
als überzeugende Art und Weise.
Für
die extrem homogene Produktion wiederum ist es erstaunlich, dass das Album auch
über die Spielzeit von 50 Minuten hinweg nicht monoton wird. Schließlich bieten
die inhaltlich zwischen Herz, Schmerz, emotionaler Standortbestimmung und Seelentröstung
changierenden Songs auch noch Momente seufzender Barhocker-Kontemplation
(„Can’t Live With The World“) und biegen mit „Is There Anybody Out There?“ zwischendurch
in Richtung einer Art Outer-Space- und Sci-Fi-Tauglichkeit ab, ehe es „Father,
Father“ als Meditation am Gospelklavier spielt und das Album mit „I Don’t Know
What The Weather Will Be“ gegen Ende hin einen sublimen Höhepunkt in Sachen Songwriting
erreicht.
Keine
Frage: Laura Mvula ist mit „Sing To The Moon“ der perfekte Karriereauftakt
geglückt. Wir haben es mit einem im besten Sinne berührenden Album zu tun, das die
Laufkundschaft im richtigen Moment ganz schön am falschen Fuß erwischen kann.
Laura Mvula:
Sing To The Moon (RCA / Sony Music)
(Wiener Zeitung, 5.4.2013)
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