Mit „Ready To
Die“ veröffentlichen Iggy & The Stooges ein neues Album. Darauf zu hören:
Schlechter Geschmack, keine Manieren – aber auch sanfte Töne.
Sicher,
das mit den Stooges ist ein bisschen eine Augenauswischerei. Auch wenn die „Protopunks“
von 1969 vordergründig schon immer über Iggy Pop wahrgenommen wurden, den narrischen
Sänger mit dem Dresscode „Oben ohne“ vorne am Bühnenrand (oder unten im Graben
liegend …), ist die Band seit dem Tod ihres Gitarristen Ron Asheton im Jahr
2009 doch nicht mehr komplett.
Nachdem
The Stooges, die in ihrer Kernzeit bis 1973 drei für die Geschichtsschreibung
des Rock ’n’ Roll mindestens maßgebliche Alben veröffentlicht hatten, mit den
neuen Songs des Albums „The Weirdness“ gerade erst im Jahr 2007 zu einem Comeback
aufgebrochen waren, erschien eine weitere Fortsetzung der Bandgeschichte zunächst
mehr als fraglich. Immerhin zeigte sich Iggy Pop vom Ableben seines Freundes tief
betroffen. Vermutlich war es dann aber das auf Jazz-Anklänge und französischen
Chanson gepolte Spätwerk mit Alben wie „Préliminaires“ (2009) und „Après“ (2012), das Punk-Gevatter
Pop nach einer Auszeit im derben Fach lechzen ließ. Für das jetzt unter dem Namen
Iggy & The Stooges veröffentlichte neue Album „Ready To Die“ wurde neben
dem 1970 an Bord geholten zweiten Gitarristen James Williamson auch Mike Watt wieder
rekrutiert, der seit 2003 am Bass aushilft. Als letztes Gründungsmitglied neben
Iggy Pop verbleibt mit Ashetons Bruder Scott der Schlagzeuger im Line-up.
Wenige Ideen
Nun stellt sich angesichts
der zehn neuen und in knapp 35 Minuten abgespulten Songs natürlich eine
entscheidende Frage. Sie lautet: Warum? Nach dem, vorsichtig formuliert, wenig
zwingenden Material von „The Weirdness“ und den darauf gehörten, auch für Iggy
Pop sehr schlechten Texten („England and
France, these cultures are old / The cheese is stinky and the beer isn't cold“) könnte man
sagen, dass eine Tour mit den alten Hadern wohl auch vollkommen reichen würde. Die
Frage nach der Würde des Unterfangens hingegen ist deshalb nicht angebracht,
weil The Stooges seit jeher nach maximaler Würdelosigkeit streben. Mit Iggy Pop
als nach einem zu ungesunden Tag sich auf der Bühne übergebenden Sänger, der
zur besseren Illustration seiner explizit-derben und daher kaum illustrationsbedürftigen
Texte ins Mikrofon bellte, während er sich wahlweise mit Glas selbst verstümmelte
oder auf ein heilendes Körperpeeling per Erdnussbutter setzte, war Punk als
Bühnenhaltung auch schon definiert. Neben dem grundsätzlichen Bekenntnis zu
sehr schlechtem Geschmack und exakt gar keinen Manieren ging es musikalisch
darum, es mit möglichst wenigen Ideen und Akkordwechseln sowie über das
Hilfsmittel der Wiederholung doch noch auf ein ganzes Album zu bringen. Uff!
Der Legende zufolge wurden weite Teile des von John Cale produzierten,
selbstbetitelten Debüts erst in der Nacht vor Beginn der Studiosessions geschrieben.
Zur
geradlinigen, knappen und gehörig scheppernden Ästhetik von programmatischen Punkbrettern
wie „I Wanna Be Your Dog“ gesellten sich Bläser-Einsprengsel und psychedelische
Elemente ebenso wie kakofonische Störfeuer im Sinne des „L.A. Blues“. Dazu
stand inhaltlich Angriffslust gegen die Welt und alle „Motherfucker“ da draußen
auf dem Programm, wenn Iggy Pop nicht gerade über die Freuden der Körpermitte
referierte (also bellte). Zunehmende Drogeneskapaden und vor allem die schwere
Heroinabhängigkeit des 1947 als James Newell Osterberg geborenen Sängers allerdings
besiegelten das (vorläufige) Ende der Stooges – während deren Vorstand a. D. in
eine von David Bowie beförderte Solokarriere startete, die ihm erstmals gutes
Geld und somit auch die Zeit einbrachte, nach künstlerisch ergiebigen und
körperlich erschöpfenden Substanz-Jahren in Berlin per Reha-Klinik clean zu
werden. Der Rest der alles andere als eintönigen, dafür aber äußerst durchwachsenen
Laufbahn von Iggy Pop ist gut dokumentierte Rock-Geschichte.
Die
Gegenwart von Iggy & The Stooges hingegen kommt mit dem Sprenggürtel daher,
den unser liebster Alt-Punk auf dem Cover von „Ready To Die“ um die Hüfte trägt
– was in den USA nach den Attentaten von Boston womöglich Dynamit bedeutet. Dabei
soll hier doch nur klargestellt werden, dass man auch heute noch grantig ist, ironisch,
vielleicht auch kritisch oder einfach nur blöd. Wie es in einem Song namens
„Gun“ so schön heißt: „Everybody’s talkin’ loud, I can’t stand the fuckin’
sound / If I had a fuckin’ gun, I could shoot at everyone / Freaking out in the
USA!” – wobei es textlich durchaus noch dämlicher wird, wie etwa „DD’s” in
seiner Form als Loblied auf Riesenbrüste beweist, mit dem auch Russ Meyer seine
Freude gehabt hätte. Und auch das
zwischen Unterbezahlung und Wut angesiedelte „Job” hat mit dicker Punk-Lippe ungeniert vor allem
eines zu sagen: „I’m just a guy with a rockstar attitude / I got no belief and I got no
gratitude / I don’t wanna talk to my coworkers / I think they’re a bunch of
dumb cock-jerkers.”
Am Highway
To Hell
Umrahmt
wird derlei Poesie von kratzbürstigen, weitgehend akkord- und melodiearmen Midtempo-Songs,
Metal-Versatzstücken und flotten Hardrock-Boogies. Das Titelstück empfiehlt
sich besonders für Autofahrten über den Highway To Hell. Anderswo sorgen
Ska-lastige oder soulige Bläser für akustischen Zierrat.
Dass
Iggy Pop die Altersmilde seiner letzten Soloveröffentlichungen mit zumindest
drei Songs nun auch auf die Stooges überträgt, ist freilich gewöhnungbedürftig.
Schließlich geht es in den entsprechenden Texten auch nicht darum, jemandem
aufs Maul zu hauen oder den Röcken der Stadt hinterherzujagen. Dabei gehören „Unfriendly
World” als Iggy Pops Plädoyer für die Liebe und das von ätherischen
Frauengesängen umrahmte „Beat That Guy” mit zum Besten, was „Ready To Die” zu
bieten hat – ehe „The Departed” als grundsätzlicher Abgesang am Ende das Licht
ausmacht. „My lights are
all burnt out / I can’t feel nothin’ real / What is the point of friendship??”
Spätestens beim Open-Air-Konzert von Iggy & The Stooges
am 9. August in der Wiener Arena wird aber wieder gerockt. Ja,
natürlich: „We will have a real cool time!"
Iggy & The Stooges: Ready To Die (Fat Possum / PIAS)
(Wiener Zeitung, 4./5.5.2013)
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