Mittwoch, Mai 15, 2013

Wüste Wucht und Angriffslaune

Savages und der hochenergetische Post-Punk ihres Debütalbums „Silence Yourself“

Neben dem Foto der vier Frauen aus London ist auf dem Albumcover auch noch ein Text abgedruckt. Das Manifest, das die Savages ihrem Debüt voranstellen, handelt von der Reizüberflutung in einer schnellen, lauten Welt, von Überforderung und der daraus resultierenden Aufgeriebenheit – oder so. Und es wäre sicherlich auch ganz interessant, das alles zu lesen, müsste man – sakradi! – nicht gerade fünfzehn E-Mails und vier SMS gleichzeitig beantworten, während das Festnetz im Hintergrund klingelt und bimmelt. Auf ihrer Homepage bittet die 2011 gegründete Band ihre Hörerschaft übrigens mit einem ähnlich programmatischen Text, bei Konzerten keine grausigen Handyvideos zu drehen, um im Anschluss daran zu erinnern, worum es bei Musik eigentlich geht: Leidenschaft, emotionale Dringlichkeit, Reinigung. Und überhaupt: „This album is to be played loud in the foreground.”

Das große Poltern


Leidenschaft, emotionale Dringlichkeit, Reinigung – das alles gelingt den Savages mit den elf in knapp 39 Minuten gereichten Songs von „Silence Yourself“ höchst überzeugend. Als Transportmittel einer Grundhaltung, die sich auch in im Zeichen des großen Anti stehenden Songtexten veräußert, wird der gute, alte Post-Punk beschworen, den die Savages störrisch und wüst von den Saiten reißen wie kaum eine Band des diesbezüglich seit mehr als zehn Jahren florierenden Genrerevivals. Neu erfunden wird dabei natürlich nichts. Unüberhörbar von Namen wie Siouxsie And The Banshees, Bauhaus, Patti Smith oder Joy Division geprägt, sind die Ergebnisse aber zu mitreißend, um dem Quartett daraus einen Strick zu drehen.

Es wütet und wirbelt, es holtert und poltert. Die Gitarren sägen und schleifen. Der Bass bohrt sich in die Magengrube. Das Schlagzeug – „zack, zack!“ – hat reichlich zu tun. Neben gegen den Strich gebürsteten Songs wie dem kaputt um Haue, Haue bittenden „Hit Me“, das für seinen Start-Ziel-Sieg keine zwei Minuten benötigt, wird aber auch ein Gespür für die Hits bewiesen. Vor allem „Shut Up“ oder das mit rotierendem Disco-Bass für den Indie-Dancefloor und die Konzerthalle gleichermaßen geeignete „She Will“ künden davon.

Zwischendurch fährt das mit hübschem Twang auf der Gitarre veredelte „Strife“ auf der Route 66 in die Nacht. „Waiting For A Sign“ erinnert an die sehnsuchtsvoll-sündigen Hotelzimmer-Dramen Anna Calvis, während „Dead Nature“ die desperate Grundstimmung des Albums als karg-unbehagliches Instrumental unterstreicht. Das am Ende auch noch mit angejazztem Bläsersolo und Klavier daherkommende „Marshall Dear“ erklärt den diesbezüglichen Gefrierpunkt mit seinen nüchternen ersten Textzeilen: „I hope you’re breathing your last breath, oh Marshall Dear / And you will die soon …“

Als kaum weniger angriffslustig erweist sich auch ein Schlüsselstück von „Silence Yourself“. Immerhin erklärt Sängerin Jehnny Beth bei „Husbands“, dass sie die Anwesenheit des neben ihr im Bett liegenden Mannes schon beim Aufwachen nicht mehr ertragen kann, um sich im hechelnd vorgetragenen Refrain schließlich freizuspielen: „Oh god I wanna get rid of it / My house, my bed, my husbands!“

Das klingt fantastisch und lässt keinen Wunsch mehr offen – außer vielleicht dem nach einem baldigen Wien-Konzert.

Savages: Silence Yourself (4AD/Indigo)


(Wiener Zeitung, 16.5.2013)

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