Savages und der hochenergetische
Post-Punk ihres Debütalbums „Silence Yourself“
Neben
dem Foto der vier Frauen aus London ist auf dem Albumcover auch noch ein Text
abgedruckt. Das Manifest, das die Savages ihrem Debüt voranstellen, handelt von
der Reizüberflutung in einer schnellen, lauten Welt, von Überforderung und der
daraus resultierenden Aufgeriebenheit – oder so. Und es wäre sicherlich auch
ganz interessant, das alles zu lesen, müsste man – sakradi! – nicht gerade
fünfzehn E-Mails und vier SMS gleichzeitig beantworten, während das Festnetz im
Hintergrund klingelt und bimmelt. Auf ihrer Homepage bittet die 2011 gegründete
Band ihre Hörerschaft übrigens mit einem ähnlich programmatischen Text, bei
Konzerten keine grausigen Handyvideos zu drehen, um im Anschluss daran zu
erinnern, worum es bei Musik eigentlich geht: Leidenschaft, emotionale
Dringlichkeit, Reinigung. Und überhaupt: „This
album is to be played loud in the foreground.”
Das große
Poltern
Leidenschaft,
emotionale Dringlichkeit, Reinigung – das alles gelingt den Savages mit den elf
in knapp 39 Minuten gereichten Songs von „Silence Yourself“ höchst überzeugend.
Als Transportmittel einer Grundhaltung, die sich auch in im Zeichen des großen
Anti stehenden Songtexten veräußert, wird der gute, alte Post-Punk beschworen,
den die Savages störrisch und wüst von den Saiten reißen wie kaum eine Band des
diesbezüglich seit mehr als zehn Jahren florierenden Genrerevivals. Neu erfunden
wird dabei natürlich nichts. Unüberhörbar von Namen wie Siouxsie And The
Banshees, Bauhaus, Patti Smith oder Joy Division geprägt, sind die Ergebnisse
aber zu mitreißend, um dem Quartett daraus einen Strick zu drehen.
Es
wütet und wirbelt, es holtert und poltert. Die Gitarren sägen und schleifen.
Der Bass bohrt sich in die Magengrube. Das Schlagzeug – „zack, zack!“ – hat
reichlich zu tun. Neben gegen den Strich gebürsteten Songs wie dem kaputt um
Haue, Haue bittenden „Hit Me“, das für seinen Start-Ziel-Sieg keine zwei
Minuten benötigt, wird aber auch ein Gespür für die Hits bewiesen. Vor allem „Shut
Up“ oder das mit rotierendem Disco-Bass für den Indie-Dancefloor und die
Konzerthalle gleichermaßen geeignete „She Will“ künden davon.
Zwischendurch
fährt das mit hübschem Twang auf der Gitarre veredelte „Strife“ auf der Route
66 in die Nacht. „Waiting For A Sign“ erinnert an die sehnsuchtsvoll-sündigen
Hotelzimmer-Dramen Anna Calvis, während „Dead Nature“ die desperate
Grundstimmung des Albums als karg-unbehagliches Instrumental unterstreicht. Das
am Ende auch noch mit angejazztem Bläsersolo und Klavier daherkommende „Marshall
Dear“ erklärt den diesbezüglichen Gefrierpunkt mit seinen nüchternen ersten
Textzeilen: „I hope you’re breathing your last breath, oh Marshall Dear / And
you will die soon …“
Als
kaum weniger angriffslustig erweist sich auch ein Schlüsselstück von „Silence
Yourself“. Immerhin erklärt Sängerin Jehnny Beth bei „Husbands“, dass sie die
Anwesenheit des neben ihr im Bett liegenden Mannes schon beim Aufwachen nicht
mehr ertragen kann, um sich im hechelnd vorgetragenen Refrain schließlich freizuspielen:
„Oh god I wanna get rid of it / My house, my bed, my husbands!“
Das
klingt fantastisch und lässt keinen Wunsch mehr offen – außer vielleicht dem
nach einem baldigen Wien-Konzert.
Savages: Silence
Yourself (4AD/Indigo)
(Wiener Zeitung, 16.5.2013)
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