Pünktlich zu
ihrem 29. Geburtstag kehrt US-Popstar Katy Perry zurück ins Geschäft. Neues Album: Prism
Der
Albumtitel ist kein Statement, aber schon interessant. „Prism“ wie? Da war doch
was. NSA, USA, Schädlweh. Überwachung und totale Kontrolle. Hallo Oma, aber
pass auf, da liest wer mit!
Ungläubig
betrachtet man das Cover. Ein paranoides Machwerk im Sinne von „The Wall“ ist
von Katy Perry eigentlich nicht zu erwarten. Und tatsächlich. Das Frontfoto präsentiert
die Sängerin in fröhlich-farbenfroher Umrahmung als post-hippieskes Blumenkind
aus dem kalifornischen Träumeland. Erleichterung. Die Sonne scheint. Wolken? Nur
ein paar rosige Wattebauschen hoch droben, wo Gott wohnt.
Selbstfindungsphase
Katy Perry, von ihrer
Plattenfirma zum Promo-Statement genötigt: „I feel like a walking prism. I get to shine a light and beam it to all of my
listeners through my songs“. Spätestens jetzt ist alles klar. In ihrer
Selbstfindungsphase als Frau, der die Scheidung per SMS eingereicht wurde, darf
es heute auch esoterisch zugehen. Zum nur konsequent mit indischen Hilfsmitteln
sinnsuchenden „Legendary Lovers“ und dessen Bhangra-Entspannungs-Beats für
Menschen mit Erste-Welt-Problemen wie Scheidungsanwälten und Kompensationsshoppingtouren
durch die innere Stadt haben sich auch Schlagworte wie „Karma“, „Mantra“,
„Energie“, „drittes Auge“ und „Aura“ in die Lyrics geschlichen. Das alles ist spätestens
seit Madonna in ihrer „Fang das Licht“-Phase mit den Henna-Tattoos und einem
Kabbala-Meister per Humboldt wieder mindestens angesagt, wenn eine spirituelle
Krise Unheil verbreiten sollte.
Nach
der hocherfolgreichen „Teenage Dream“-Periode von 2010, den fünf dabei
abgefallenen Nummer-eins-Hits und ihrer Kunstreichregentschaft als
Tortenprinzessin legt Katy Perry „Prism“ nun als vergleichsweise im echten
Leben geerdete Arbeit an. Eine gescheiterte Kurzzeitehe mit Russell Brand, dem
Strizzi mit der Kurznachricht, stellte hörbar genug Verarbeitungsmaterial zur
Verfügung. „Now you’re just a ghost / When I look back never
would have known / That you could be so cold“. Liebe ist, wenn man sich für die
Antwort über die Zeichenlänge einer SMS hinaus Zeit nimmt und alle Welt daran
Teil haben lässt. Und auch das zum Abschluss gereichte „By The Grace Of God“, das
vom Titel her an Perrys Vorleben als auf Christian Rock und Gospel gebuchte
Pastorentochter erinnert, muss als autobiografisch verstanden werden. Die unterschwellig
in Richtung Selbstmordgedanken verweisenden Songzeilen („Found I wasnʼt so
tough / Laying on the bathroom floor“) sind dabei aber doch problematisch. Schließlich
will diese nicht nur der liebe Gott, sondern auch der klassische
Formatradiohörer am Weg in die Arbeit nicht hören.
Zweifingerkeyboards
Mit
der Selbstermächtigungshymne „Roar“ als erster Single machte folgerichtig das
glatte Gegenteil den Auftakt. Und auch mit auf Kernkompetenzen wie Liebemachen
(metaphorisch versteckt hinter den Verheißungen eines „Birthday Cake“) und das Luxusleben
als solches („This Is How We Do“) fokussierten Songs ist inhaltlich bald wieder
alles im Lot. Entstanden unter Schreib- und Produktionshilfe von Namen wie Max
Martin, Dr. Luke und Cirkut, auf deren Arbeit für Britney Spears, Justin Bieber
oder Miley Cyrus einige der schlimmsten Popverbrechen der letzten zehn Jahre zurückgehen,
hat man es hingegen mit musikalischen
Problemfällen zu tun. Tatsächlich ist mit dem Albumtitel nicht das
gleichnamige Überwachungsprogramm, sondern die unternehmenseigene Arbeitsformel
„Gefühl mal Refrain“ gemeint, die einen Einheitsbrei aus 13 Songs zeitigt. Wir
hören aus der Schule von Modern Talking stammende Zweifingerkeyboards,
vorsichtige French-House-Einsprengsel, glatt polierten Pop-Funk und dramatische
(Power)-Balladen. Stilistisch Reißaus nimmt am ehesten noch „Walking On Air“ als
Vintage-House für die Gay-Disco. Das mit Subbässen und Sprechgesang womöglich an Rihanna
orientierte „Dark Horse“ hingegen bleibt inkonsequent und wir unter kräftiger
Mithilfe des erwähnten Erfolgsalgorithmus bald ebenfalls verkatyperryt.
Als
viele, viele US-Dollars lukrierendes Überbrückungswerk in Sachen verspätete
Quarterlife Crisis sollte „Prism“ durchaus zweckmäßig sein. Der „Teenage Dream“
allerdings ist vorbei. Am heutigen Freitag feiert Katy Perry ihren 29.
Geburtstag.
Katy Perry:
Prism (Universal)
(Wiener Zeitung, 25./26./27.10.2013)
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