Donnerstag, Oktober 24, 2013

Pop nach Schema F

Pünktlich zu ihrem 29. Geburtstag kehrt US-Popstar Katy Perry zurück ins Geschäft. Neues Album: Prism

Der Albumtitel ist kein Statement, aber schon interessant. „Prism“ wie? Da war doch was. NSA, USA, Schädlweh. Überwachung und totale Kontrolle. Hallo Oma, aber pass auf, da liest wer mit!

Ungläubig betrachtet man das Cover. Ein paranoides Machwerk im Sinne von „The Wall“ ist von Katy Perry eigentlich nicht zu erwarten. Und tatsächlich. Das Frontfoto präsentiert die Sängerin in fröhlich-farbenfroher Umrahmung als post-hippieskes Blumenkind aus dem kalifornischen Träumeland. Erleichterung. Die Sonne scheint. Wolken? Nur ein paar rosige Wattebauschen hoch droben, wo Gott wohnt. 

Selbstfindungsphase 

Katy Perry, von ihrer Plattenfirma zum Promo-Statement genötigt: „I feel like a walking prism. I get to shine a light and beam it to all of my listeners through my songs“. Spätestens jetzt ist alles klar. In ihrer Selbstfindungsphase als Frau, der die Scheidung per SMS eingereicht wurde, darf es heute auch esoterisch zugehen. Zum nur konsequent mit indischen Hilfsmitteln sinnsuchenden „Legendary Lovers“ und dessen Bhangra-Entspannungs-Beats für Menschen mit Erste-Welt-Problemen wie Scheidungsanwälten und Kompensationsshoppingtouren durch die innere Stadt haben sich auch Schlagworte wie „Karma“, „Mantra“, „Energie“, „drittes Auge“ und „Aura“ in die Lyrics geschlichen. Das alles ist spätestens seit Madonna in ihrer „Fang das Licht“-Phase mit den Henna-Tattoos und einem Kabbala-Meister per Humboldt wieder mindestens angesagt, wenn eine spirituelle Krise Unheil verbreiten sollte.

Nach der hocherfolgreichen „Teenage Dream“-Periode von 2010, den fünf dabei abgefallenen Nummer-eins-Hits und ihrer Kunstreichregentschaft als Tortenprinzessin legt Katy Perry „Prism“ nun als vergleichsweise im echten Leben geerdete Arbeit an. Eine gescheiterte Kurzzeitehe mit Russell Brand, dem Strizzi mit der Kurznachricht, stellte hörbar genug Verarbeitungsmaterial zur Verfügung. „Now you’re just a ghost / When I look back never would have known / That you could be so cold“. Liebe ist, wenn man sich für die Antwort über die Zeichenlänge einer SMS hinaus Zeit nimmt und alle Welt daran Teil haben lässt. Und auch das zum Abschluss gereichte „By The Grace Of God“, das vom Titel her an Perrys Vorleben als auf Christian Rock und Gospel gebuchte Pastorentochter erinnert, muss als autobiografisch verstanden werden. Die unterschwellig in Richtung Selbstmordgedanken verweisenden Songzeilen („Found I wasnʼt so tough / Laying on the bathroom floor“) sind dabei aber doch problematisch. Schließlich will diese nicht nur der liebe Gott, sondern auch der klassische Formatradiohörer am Weg in die Arbeit nicht hören. 

Zweifingerkeyboards 

Mit der Selbstermächtigungshymne „Roar“ als erster Single machte folgerichtig das glatte Gegenteil den Auftakt. Und auch mit auf Kernkompetenzen wie Liebemachen (metaphorisch versteckt hinter den Verheißungen eines „Birthday Cake“) und das Luxusleben als solches („This Is How We Do“) fokussierten Songs ist inhaltlich bald wieder alles im Lot. Entstanden unter Schreib- und Produktionshilfe von Namen wie Max Martin, Dr. Luke und Cirkut, auf deren Arbeit für Britney Spears, Justin Bieber oder Miley Cyrus einige der schlimmsten Popverbrechen der letzten zehn Jahre zurückgehen, hat man es hingegen mit musikalischen  Problemfällen zu tun. Tatsächlich ist mit dem Albumtitel nicht das gleichnamige Überwachungsprogramm, sondern die unternehmenseigene Arbeitsformel „Gefühl mal Refrain“ gemeint, die einen Einheitsbrei aus 13 Songs zeitigt. Wir hören aus der Schule von Modern Talking stammende Zweifingerkeyboards, vorsichtige French-House-Einsprengsel, glatt polierten Pop-Funk und dramatische (Power)-Balladen. Stilistisch Reißaus nimmt am ehesten noch „Walking On Air“ als Vintage-House für die Gay-Disco. Das mit Subbässen und Sprechgesang womöglich an Rihanna orientierte „Dark Horse“ hingegen bleibt inkonsequent und wir unter kräftiger Mithilfe des erwähnten Erfolgsalgorithmus bald ebenfalls verkatyperryt.

Als viele, viele US-Dollars lukrierendes Überbrückungswerk in Sachen verspätete Quarterlife Crisis sollte „Prism“ durchaus zweckmäßig sein. Der „Teenage Dream“ allerdings ist vorbei. Am heutigen Freitag feiert Katy Perry ihren 29. Geburtstag.

Katy Perry: Prism (Universal) 

(Wiener Zeitung, 25./26./27.10.2013)

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