Freitag, November 01, 2013

Alles außer Dogma

Das in Wien ansässige Frauen-Duo Fijuka stellt sich mit seinem Debütalbum vor

Das Pressefoto in Zuckerlrosa lässt keine Zweifel. Und auch mit den Spandex-Hosen im Hochglanzvideo zur Single „Behave (From Now On)“ ist erklärt, dass die Protagonistinnen keine Probleme mit den ästhetisch zweifelhaften Erscheinungen der 1980er Jahre haben. Wer nicht dabei war, erinnert sich noch an die tragischen Eckpfeiler des Jahrzehnts: Tschernobyl-Katastrophe, Toast Hawaii, Ronald Reagan, Duran Duran in weißen Lederslippern am Segelboot. 

Indie und Pop 

Dass das deutsch-österreichische und von Wien aus operierende Duo Fijuka sein Debütalbum nun über das per se auf Indie gebuchte heimische Label Seayou Records veröffentlicht, ist dabei nicht zwangsläufig als Widerspruch zu verstehen. Zum einen sind die Einflüsse Fijukas gottlob breiter gefächert. Zum anderen demonstriert hier eine junge Generation an Musikschaffenden womöglich mit Nachdruck, dass alles, was früher keinesfalls gehen konnte, heute mit großer Selbstverständlichkeit, spielerischem Gestus und womöglicher Jetzt-erst-recht-Haltung passieren darf – und muss. Dogma? Nichts außer ein altes Film-Manifest unter Beteiligung Lars von Triers.

Auf ihrem kommende Woche erscheinenden Debütalbum also vereint die nach einer Erstbegegnung im Rahmen des Uni-Wien-Seminars „Frauen in der populären Musik“ gegründete Band ihren grundsätzlichen Lo-Fi-Einschlag mit den großen Gesten des Pop. Und sie stellt den einen oder anderen zwischendurch auch angejazzten Gitarrenakkord im Verbund mit studierten Bässen neben geerdeten und semiakustisch gegebenen Folk, wie man ihn vom wohnzimmerfreundlichen Singer-Songwritertum her kennt.

Neben der ausdrucksstarken Stimme von Sängerin Ankathie, die gerne auch zu geraunten Mehrspurchören geschichtet wird, muss man vor allem die alten und von Kollegin Judith Filimónova gespielten Tasteninstrumente als tonangebendes Element des Albums bezeichnen. Die vor Jahrzehnten vermutlich in Japan gefertigten Kästen, eine Heimorgel und ein Synthesizer, klingen nicht nur billig, sie waren es auch. Und sie übersetzen die in einem hübschen Song namens „Trains (The Cracker)“ vermittelte Ein-Zimmer-Stimmung eines womöglich prekär-kreativen Wohnarbeits-Habitats durchaus stimmig. Mit mehr Einsatz als zur Verfügung stehenden Mitteln machen Fijuka Pop, den man sich leisten kann. Eventuell fließt hier tatsächlich mehr Geld in die als Marketingtool im Netz zentralen Videoclips, von deren Professionalität man sich dann gratis auf YouTube überzeugen kann. 

Grundsteinlegung 

Das Album selbst eröffnet mit dem von Aussparung in den Arrangements und einer Gabe in Sachen Atmosphäre und Dramaturgie gekennzeichneten „I Like“ ebenso sanft wie überzeugend. Man darf an Kate Bush denken, deren eindringliches „Running Up That Hill“ von Fijuka bereits auch gecovert wurde, ehe der melancholisch angehauchte 80er-Jahre-Pop von „Phantom Sentimental“ mit seinem gleichfalls nicht teuer klingenden Beat an den Depeche-Mode-Song „Perfect“ von 2009 erinnert und auch Vergleiche mit deren Labelkollegen Goldfrapp zulässt. Als Hit wiederum orientiert sich das erwähnte „Behave (From Now On)“ eher am Popentwurf von Moloko, während „Your Time Has Come“ als Miniatur bei den Kunstliedatmosphären einer Julia Holter andockt und es mit der aufheulenden Lap-Steel-Gitarre von „Porcelain Girl“ bodenständiger wird.

Nicht alles davor, dazwischen und danach klingt ähnlich vielversprechend – ein guter Grundstein ist mit dieser ersten Talentprobe aber auf jeden Fall gelegt. Albumpräsentation am 13. November im Wiener Chelsea. 

Fijuka: Fijuka (Seayou Records) 

(Wiener Zeitung, 2/3.11.2013)

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