Immer am Zweifeln: The Who The What The Yeah und Farewell Dear Ghost
- Zwei neue
österreichische Alben im Zeichen der Unsicherheit
„Hoffentlich
wird es nicht so schlimm, wie es schon ist!“ – bereits der bayerische Komiker Karl
Valentin verstand es, einer urösterreichischen „Befürchtung“ Ausdruck zu
verleihen. War das Fatalistische hinter dieser Überlegung früher den Alten von
der Parkbank vorbehalten – „Ihr werdet schon noch schauen!“ –, hat sich
der ernüchterte (Aus-)Blick und die mit ihm verbundene Unsicherheit längst auf
die Jugend übertragen. Vom Praktikum in den Deppen-Job ist es ja auch kaum
einen Gehaltssprung mehr weit. Und überhaupt: Hallo, Krise?
Widrigkeiten
„No
Time For Dreaming“, von James-Brown-Wiedergänger Charles Bradley autobiografisch
und sozialrealistisch besungen, ist längst auch im Pop angekommen. Verunsicherte
junge Männer mit Wandergitarren, dünnen Stimmen und traurigen Texten haben die
Utopie auf ihr Existenzminimum reduziert. Nur dass in der Sache mit der
Rebellion noch reichlich Luft nach oben besteht, überrascht diesbezüglich.
The
Who The What The Yeah hätten für den Widerstand zunächst einmal die richtige
Formensprache gefunden. Auf ihrem soeben erschienenen dritten Album mit dem
programmatischen Titel „Strom“ (Monkey/Rough Trade) wird ein zwischen Post-Punk
und Indie-Rock gehaltener und mitunter an die Kollegen von Kreisky erinnernder Song-Entwurf
verabreicht, der auch an Hamburger Bands wie (die frühen) Blumfeld oder
Kolossale Jugend denken lässt. Unter
Produktion von Hans Platzgumer geht es an der Schnittstelle von Sturm und Drang
und eingeschobenen Zwischenspielen im schwingenden 60er-Jahre-Sound allerdings
eher um Widerstände und Widrigkeiten – und um deren Folgen. „Die Gegenwart ist
ein schwarzes Loch, das alle Hoffnungen und Träume in sich hineinzieht.“
Sänger
Martin Konvicka, dessen zumeist skandierter Gesang Frust, Ärger und Grant eine
Stimme verleiht, ist entsprechend unwohl zumute: „Ein Körper gemacht aus Zweifel,
eine Seele aus Unsicherheit.“ Kein Wunder, dass der Mann fliehen möchte. Nur
wohin? In der Auftaktsingle wird mit „Neuseeland“ zwar ein vermuteter
Sehnsuchtsort in Sachen Katharsis gefunden, eines ändert sich aber auch dort
nicht: man selbst. „Am anderen Ende der Welt steck ich immer noch in derselben Haut
…“ Das hat auch mit einer selbstreflexiven Erkenntnis zu tun, die man sich erst
einmal eingestehen muss. Martin Konvicka geht als löbliches Beispiel und stellvertretend
für uns voran: „Kein Berg ist hoch genug um über allem zu stehen!“
Die
Fuzzgitarren sind auf Anschlag gestellt, der Verstärker johlt auf. „Ich bin mit
meiner Welt nicht im Reinen / Die Dinge sind nicht wie sie scheinen …“
Licht ins Dunkel
Die
bürgerlicheren Ergebnisse destilliert Philipp Szalay, der sein Debütalbum unter
dem Alias Farewell Dear Ghost veröffentlicht, aus einer ähnlichen Grundgestimmtheit.
Auf „We Colour The Night“ (Schoenwetter Schallplaten/GoodToGo) regieren
wahlweise diffuse oder liebeszentrierte (Zukunfts-)Ängste und Unsicherheiten,
die sich – der Titel lässt es vermuten – allerdings um Licht ins Dunkel
bemühen. Geschafft wird dies mit akutem Pathos und einer Nähe zu U2 oder,
unterschwelliger, den Kings Of Leon in ihrer Kuschelrock-Phase. Wir hören ebenso
hochprofessionellen wie stadiontauglichen Weltumarmungspop mit Tröstungsgesten,
der auf maximale Wirkung, maximales Gefühl und maximale Melodiebögen abzielt.
Songtitel
wie „Demons“ und „Fears“ ändern nichts am Bestreben, von der Weinerlichkeit direkt
in die Euphorie überzugehen. Ein österreichisches Phänomen, das man auch vom
Branntweiner kennt – und dem The Who The What The Yeah vergleichsweise kaum
zusprechen. Aus allem Übel und Ärger werden hier vor allem Textzeilen gewonnen,
die dann auch von Karl Valentin stammen oder auf einer Parkbank entstanden sein
könnten: „Ich will nicht von vorne anfangen, ich bin froh, dass es vorbei ist."
(Wiener Zeitung, 28.11.2013)
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