Freitag, November 22, 2013

Kopfgeburt mit Folgen

- San Fermin und ihr selbstbetiteltes Debütalbum 

Zwei, drei der besten The-National-Songs dieses Jahres stammen nicht etwa von The National selbst – sie finden sich auf dem Debütalbum von San Fermin und tragen Titel wie „Methuselah“ oder „Torero“. Der erwähnten Referenzband kommen San Fermin hier in so ziemlich jeder Hinsicht nahe, und nicht nur aufgrund der doch recht deutlich an Matt Berninger erinnernden männlichen Singstimme.

Damit ist dem selbstbetitelten Album der in Brooklyn ansässigen Unternehmung aber noch keinesfalls Genüge getan. Am Notenblatt und als Kopfgeburt des von der sogenannten E-Musik her kommenden, erst 24-jährigen Masterminds Ellis Ludwig-Leone entstanden, lässt der Erstling zahlreiche weitere Querbezüge zu – und funktioniert dabei dennoch als Gesamtwerk. Neben Nick Cave in seiner „No More Shall We Part“-Phase sind vor allem im Songformat experimentierende, heute angesagte Acts wie die Dirty Projectors oder St. Vincent als Einfluss zu nennen: Von elektronischen Beats und verschrobenen Bläsern getragene Songs wie „Crueler Kind“ beispielsweise zeugen davon.

Grundsätzlich aber dominieren ebenso gefühlige wie kluge, dabei allerdings nie zu pathetisch arrangierte Kammerpop-Hymnen, für deren Umsetzung Ludwig-Leone zahlreiche Erfüllungsgehilfen vor seinen Karren spannte. Zu Matt-Berninger-Soundalike Allen Tate sowie Jess Wolfe und Holly Laessig, die diesen mit lockendem Sopran in Mann-Frau-Interaktionen verstricken, so sie ihn nicht gerade in die Rauchpause entlassen, kommen etwa auch dichte Streicher- und Bläserarrangements, Klavier und Metallophone. Abwechselnd schwelgerisch und elegisch, jauchzend und betrübt sowie gerne um Stoßseufzer erweitert hat man es mit 55 erfreulichen Spielminuten zu tun, in die etwas stärker von Klassik und Jazz beeinflusste, (semi-)instrumentale Zwischenspiele intervenieren.

Auch wenn die siebzehn Nummern allfälligen Vorbildern manchmal zu nahe kommen: Den Namen San Fermin wird man sich merken müssen – nicht länger als spanisches Stierhatzfest, sondern als Musikprojekt. 

San Fermin: San Fermin (Downtown/PIAS) 

(Wiener Zeitung, 23./24.11.2013)

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