Songwriter Lloyd
Cole spielte sich in der Szene Wien durch sein Werk
Ja,
wir werden heute einige ganz schön traurige Songs hören und solche, die nur als
melancholisch verstimmt zu bezeichnen sind. Es wird um gebrochene Herzen gehen,
um ein Gefühl von Endlichkeit und auch darum, dass das Erinnern oft eine
bittere Sache ist, im Leben aber nicht zu den schlechtesten Dingen gehört. Diesen
überwiegenden Teil seines Werks – der von ironischen Beobachtungen vervollständigt
wird – bringt Lloyd Cole seit dem Beginn seiner Karriere im Jahr 1984 dennoch
ohne Rührseligkeit über die Bühne. Die entscheidende Frage wird stets mit
Understatement im Mitteleinsatz und mit großer Eleganz im Ausdruck gestellt:
„Are you ready to be heartbroken?“
In
der Szene Wien allerdings erklärt Cole, dass er auch nach Ewigkeiten als
Wahl-Amerikaner noch immer ein guter Brite ist. Schließlich werden die
berührenden Songs gerne mit einem Witz abmoderiert. Seinem Geburtsland die Ehre
erweisend, bevorzugt der heute 52-Jährige die trockene Spielart. Zuspätkommende
werden, von der Bühne herab, eigens begrüßt und darauf hingewiesen, dass ihnen
ein Hit bereits entgangen sei („Good evening, you’ve only missed ,Rattlesnakes‘“).
Ein Cover von Leonard Cohens „Chelsea Hotel #2“ wird mit den Worten „I didn’t
write that one“ kommentiert. Und auch über Coles ökonomische Konzertreisen mit
sich selbst und zwei Gitarren darf gewitzelt werden. Bei Einstellung eines
Roadies müsste man die Sechssaiter zwar nicht blöd selber stimmen und dabei so unsexy
aussehen. Dafür aber hätte man auch täglich mit dem Kerl essen zu gehen, ha,
ha!
Über
die Performance selbst könnte man sagen: Gehen Sie bitte weiter, es gibt hier
nichts zu sehen – oder setzen Sie sich zumindest. Mit Lloyd Cole als stehendem
Ausreißer an der akustischen Gitarre wird im bestuhlten Saal so auch der
gesetzte Charakter des Abends unterstrichen. Lloyd Cole spielt sich
unaffektiert durch sein Werk, dessen Ausrichtung mit mehr als dreißig Songs zwar
eingefangen werden könnte. Der anfängliche und mit seinen Commotions
produzierte Jangle-Pop, der Cole etwa in die Nähe der Edelpop-Helden Prefab
Sprout rückte, mündet aber ebenso in akustische Reduktionen wie sein sanft countryfiziertes
späteres Schaffen. Und auch die Rückkehr zum druckvolleren Bandsound unter den
Vorgaben des Gitarrenpop, die sein Diesjahres-Album „Standards“ markierte, wird
mit Songs wie „No Truck“ oder „Period Piece“ auf das Barden-Format adaptiert.
Dass
Cole nie groß um „Zeitgenossenschaft“ bemüht war – geschenkt. Als Songwriting-Klassiker
alten Zuschnitts darf er auch die Konzerte entsprechend zeitlos anlegen. Versunkene
Erinnerungen wie „2cv“ stehen neben
Göttersongs wie „No Blue Skies“ oder der Versuchungsstudie „It’s Late“. Dazu
gibt es von der getreuen Fanschar nach spätestens zwei Tönen erkannte Hadern
wie „Jennifer She Said“ oder „Forest Fire“.
Am
Ende steht zwar keine Pointe mehr – der Heimgang wird trotzdem von einem
Lächeln auf den Lippen begleitet.
(Wiener Zeitung, 7./8.12.2013)
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