Freitag, Dezember 06, 2013

Melancholie mit Schmäh

Songwriter Lloyd Cole spielte sich in der Szene Wien durch sein Werk 

Ja, wir werden heute einige ganz schön traurige Songs hören und solche, die nur als melancholisch verstimmt zu bezeichnen sind. Es wird um gebrochene Herzen gehen, um ein Gefühl von Endlichkeit und auch darum, dass das Erinnern oft eine bittere Sache ist, im Leben aber nicht zu den schlechtesten Dingen gehört. Diesen überwiegenden Teil seines Werks – der von ironischen Beobachtungen vervollständigt wird – bringt Lloyd Cole seit dem Beginn seiner Karriere im Jahr 1984 dennoch ohne Rührseligkeit über die Bühne. Die entscheidende Frage wird stets mit Understatement im Mitteleinsatz und mit großer Eleganz im Ausdruck gestellt: „Are you ready to be heartbroken?“

In der Szene Wien allerdings erklärt Cole, dass er auch nach Ewigkeiten als Wahl-Amerikaner noch immer ein guter Brite ist. Schließlich werden die berührenden Songs gerne mit einem Witz abmoderiert. Seinem Geburtsland die Ehre erweisend, bevorzugt der heute 52-Jährige die trockene Spielart. Zuspätkommende werden, von der Bühne herab, eigens begrüßt und darauf hingewiesen, dass ihnen ein Hit bereits entgangen sei („Good evening, you’ve only missed ,Rattlesnakes‘“). Ein Cover von Leonard Cohens „Chelsea Hotel #2“ wird mit den Worten „I didn’t write that one“ kommentiert. Und auch über Coles ökonomische Konzertreisen mit sich selbst und zwei Gitarren darf gewitzelt werden. Bei Einstellung eines Roadies müsste man die Sechssaiter zwar nicht blöd selber stimmen und dabei so unsexy aussehen. Dafür aber hätte man auch täglich mit dem Kerl essen zu gehen, ha, ha! 

Über die Performance selbst könnte man sagen: Gehen Sie bitte weiter, es gibt hier nichts zu sehen – oder setzen Sie sich zumindest. Mit Lloyd Cole als stehendem Ausreißer an der akustischen Gitarre wird im bestuhlten Saal so auch der gesetzte Charakter des Abends unterstrichen. Lloyd Cole spielt sich unaffektiert durch sein Werk, dessen Ausrichtung mit mehr als dreißig Songs zwar eingefangen werden könnte. Der anfängliche und mit seinen Commotions produzierte Jangle-Pop, der Cole etwa in die Nähe der Edelpop-Helden Prefab Sprout rückte, mündet aber ebenso in akustische Reduktionen wie sein sanft countryfiziertes späteres Schaffen. Und auch die Rückkehr zum druckvolleren Bandsound unter den Vorgaben des Gitarrenpop, die sein Diesjahres-Album „Standards“ markierte, wird mit Songs wie „No Truck“ oder „Period Piece“ auf das Barden-Format adaptiert.

Dass Cole nie groß um „Zeitgenossenschaft“ bemüht war – geschenkt. Als Songwriting-Klassiker alten Zuschnitts darf er auch die Konzerte entsprechend zeitlos anlegen. Versunkene Erinnerungen wie „2cv“ stehen neben  Göttersongs wie „No Blue Skies“ oder der Versuchungsstudie „It’s Late“. Dazu gibt es von der getreuen Fanschar nach spätestens zwei Tönen erkannte Hadern wie „Jennifer She Said“ oder „Forest Fire“.

Am Ende steht zwar keine Pointe mehr – der Heimgang wird trotzdem von einem Lächeln auf den Lippen begleitet. 

(Wiener Zeitung, 7./8.12.2013)

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