Niemand will das
hören, aber: Pop-Weihnachtsalben verkaufen sich trotzdem
- Jahrgang 2013
mit klassischen und unorthodoxen Weihnachts-CDs
Weihnachten
ist eine tolle Sache – zumindest, wenn man davon lebt. Sicher werden zwar auch
der Maronibrater oder der Weihnachtsmann unseres Vertrauens froh darüber sein,
wenn sie nach getaner Arbeit oder erledigter Tour zwischen dem Mäcki in der
PlusCity Pasching und der Vösendorfer Starbucks-Filiale nach Hause kommen und
finstere Gedanken wie „depperte Papier-Stanitzl!“ oder „scheiß Kinder!“ endlich
laut aussprechen dürfen.
Weil
sich der Dienstleister aber damit trösten darf, dass bald Saisonende ist und er
als brav nachhaltig – also ganz ohne Schlitten mit Düsenantrieb! – zur Tat
schreitender Santa günstig und ohne schlechtes Gewissen von Wien nach Bangkok fliegen
kann, wenn er dazwischen auch noch den Londoner Flughafen besichtigt: letztlich
wird belohnt werden, wer sich per Ausgleichs-Yoga oder Hausapotheke für den Job
rüstet. „Fitspritzen“ ist ein Wort aus der Sportwelt, das sich auf den Erwerbsbetrieb
(sogar für den Weihnachtsmann!) heute so übersetzt, dass man diesen und seine
Begleiterscheinungen ja auch sportlich nimmt. Nehmen muss.
Jedenfalls
ist die Tätigkeit, die die Pause auf Ko Samui finanziert, während die Versicherungs-Leute
vom Süden nur träumen können, in ihrem Glücksverbreitungsstreben durchaus
redlich. Leider funkt ein ähnliches Interesse der Musikindustrie, das nur von
materiellen Begehrlichkeiten noch etwas übertroffen wird, auf
Orchesterschmelz-Basis oder mit fröhlichen Abzählreimmelodien für den
Kindergarten dazwischen. Spätestens am ersten Advent ist damit auch für den
Weihnachtsmann ein Punkt erreicht, an dem die Hausapotheke nichts mehr
ausrichten kann. Empathische Menschen und geschäftstüchtige
Burn-out-Therapeuten können hinter jedem „ho-ho-ho!“ immer auch ein bitteres
„buhu!“ vernehmen. So ein Santa bei Ruefa Reisen, ja, das sieht lustiger aus
als im Mäcki drin, aber man muss das verstehen!
Die
Musikindustrie frisiert ihre Bilanzen am Jahresende schließlich nicht nur mit
Verwurstungsboxen aus dem Archiv tüchtig auf. Heuer beispielsweise im Rennen:
Die Werkschau „Jahreszeiten 1967-2013“ von Reinhard Mey um 222 Euro
(Universal). Vor allem wird mit genuinen Weihnachts-Alben von unter
Bestseller-Verdacht stehenden Künstlern und über Menschen mit zu viel Glühwein
intus versucht, noch einmal wertzuschöpfen.
Die
schon immer für Absatzzahlen auf Weltmeister-Niveau und den entsprechenden
Grammy-Regen Gewehr bei Fuß stehende US-Sängerin Mary J. Blige kommt
diesbezüglich gerade recht. Ihr nach Schema F – Fahrstuhlstreicher mal Faserschmeichelei
– produziertes Weihnachts-Album geht bereits beim Lesen der Eckdaten gehörig
auf die Nerven. Immerhin führte auf „A Mary Christmas“ (Universal) David Foster
Regie, auf dessen Strafregisterauszug bereits ähnliche Machwerke von Michael
Bublé oder Celine Dion verzeichnet sind. Zusätzlich tritt Barbra Streisand in Erscheinung,
die nicht erst seit ihrem Vorjahres-Gastspiel bei John Travolta und Olivia
Newton-John als Frau mit dem Weihnachtssyndrom gilt. Mit üppigen
Orchesterarrangements, Hotellobby-Klavier und Seitensprüngen in Richtung Groove
reicht Mary J. Blige ein Klischee-Album, das sich als Geschenk für Menschen mit
gutem Einkommen und schlechtem Geschmack aber durchaus eignet.
Mit
um Andachts- und lustig klingende britische Latein-Gesänge erweitertem
Synthie-Pop sind Erasure angetreten, weniger auf vorgegebenen Pfaden zu
wandeln. Auf „Snow Globe“ (Mute) wird, gleichermaßen mit Originalsongs und
Genre-Standards, klassische Erasure-Ware geboten. Fans dürften davon nicht nur
begeistert sein, wenn die schnelleren Ausreißer erklären, dass es zu Weihnachten
auch in der Gay-Disco rundgehen kann. Über die (betont religiösen) „Christmas
Songs“ (Epitaph/Indigo) von Bad Religion wiederum lässt sich sagen, dass diese als
gespielter Witz daherkommen, der nichtsdestotrotz ernst gemeint sein könnte. Ein
Gutes aber hat die Sache: 20 Prozent der Erlöse gehen an Opfer von sexuellem
Missbrauch durch Priester.
Mit
ihrem nun erstmals auf CD vorliegenden, zur Hochzeit von 2002 veröffentlichten „A
Christmas Album“ (Saddle Creek/Cargo) erinnern abschließend Bright Eyes daran,
dass ihr Mastermind Conor Oberst von übermotivierten Kritikern einst als neuer
Bob Dylan bezeichnet wurde – auch von diesem ist mittlerweile ein (schlechtes)
Weihnachtswerk erhältlich. Bright Eyes hingegen sorgen mit ihrem verhuschten Lo-Fi-Folk
allerdings für vergleichsweise erträgliche Resultate, die dem Weihnachtsmann
die Arbeit heuer doch noch erleichtern dürften. Urlaub ist super, ein Besuch
beim Thai am Eck tut es aber auch!
(Wiener Zeitung, 13.12.2013)
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