Schall &
Rauch
Im deutschen Sprachgebrauch gilt die Bezeichnung
Demo als Fremdwort. Das hat einerseits damit zu tun, dass von den Umständen da
draußen Enttäuschte lieber ihre direkte Umgebung im, sagen wir, Wirtshaus,
anjammern, als gezielte Forderungen zu formulieren und sie auf der, sagen wir,
Straße auch nachdrücklich kundzutun. Der Gang auf die Straße ist, vom
heimischen Standpunkt aus betrachtet, eher etwas für (in Sachen Zornbinkerltum bereits
von Louis de Funès auf Kampfmaßnahmen gestimmte) Franzosen und (zur Empörung
mit dem nötigen Sprachtemperament ausgestattete) Italiener und bedeutet, dass
der Zug nicht mehr fährt, das Flugzeug nicht fliegt, kein Wirtshaus geöffnet
hat, in dem man sich über all die Unannehmlichkeiten ausjammern könnte, sowie
natürlich auch, dass die Postkarte aus dem Kurzurlaub lange benötigt,
um den Weg nach Hause zu finden. In Österreich ärgert sich der Schalterbeamte
dann zwar darüber, dass er in einer zu kleinen Filiale zu schlecht gelaunte
Kunden besänftigen muss, für die er auch die Bankgeschäfte mitabwickeln darf –
um, während sein Blick auf die nasskalte Straße fällt, pragmatisch den Dienst
zu versehen. Die Stimme der vermeintlichen Vernunft ist ein Wiener, der „Was soll
man machen?“ sagt.
Als Bezeichnung für eine skizzierte Song-Idee war
das Wort Demo bei uns wiederum lange vernachlässigbar, weil die IG Klassik traditionellerweise
Partituren vertraut, Jazzer schon bei ihrer Erfindung zu cool für Noten waren
und, generationsübergreifend wie per Dauerschleife tradiert, Aberseer G’stanzl-
und Gailtaler Tanzlmusi als gut gesichertes Kulturgut gelten. An dieser Stelle
ein Partytipp: Auch diesbezüglich hat YouTube massig zu bieten!
Ähnlich, wie Demos im Sinne von W wie Wutbürger oder
„Widerstand!“ bei uns selten sind, hat man es auch bei Demos in Form eines
musikalischen Grobentwurfs mit einem flüchtigen Gut zu tun. Schließlich wandern
die Skizzen zumeist ohne den Umweg einer Veröffentlichung ins Archiv, um Fans
und Fetischisten die schmerzhaften Freuden einer Leidenschaft zu erklären, die
nicht befriedigt wird. Verschluss bedeutet Verdruss. Atlantis und
Bernsteinzimmer. Der Heilige Gral. Das Blut Christi! Zu erwarten wäre immerhin
nichts weniger als die scheinbare Anwesenheit beim Entstehungsprozess mit entsprechenden
Einblicken in die Künstlerseele. Erzeugung, Schöpfung, Geburt. Die ultimative
Intimität!
Eigentlich ist es ein Skandal, dass uns das alles
verborgen bleibt. Wie, was? Was soll man machen? Einen Protestsong schreiben?
Na gut. Beginnen wir mit einem Demo als Demo für mehr Demos. Und
veröffentlichen wir es.
(Wiener Zeitung, 11./12.1.2014)
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