Samstag, Januar 11, 2014

Demo per Demo

Schall & Rauch 

Im deutschen Sprachgebrauch gilt die Bezeichnung Demo als Fremdwort. Das hat einerseits damit zu tun, dass von den Umständen da draußen Enttäuschte lieber ihre direkte Umgebung im, sagen wir, Wirtshaus, anjammern, als gezielte Forderungen zu formulieren und sie auf der, sagen wir, Straße auch nachdrücklich kundzutun. Der Gang auf die Straße ist, vom heimischen Standpunkt aus betrachtet, eher etwas für (in Sachen Zornbinkerltum bereits von Louis de Funès auf Kampfmaßnahmen gestimmte) Franzosen und (zur Empörung mit dem nötigen Sprachtemperament ausgestattete) Italiener und bedeutet, dass der Zug nicht mehr fährt, das Flugzeug nicht fliegt, kein Wirtshaus geöffnet hat, in dem man sich über all die Unannehmlichkeiten ausjammern könnte, sowie natürlich auch, dass die Postkarte aus dem Kurzurlaub lange benötigt, um den Weg nach Hause zu finden. In Österreich ärgert sich der Schalterbeamte dann zwar darüber, dass er in einer zu kleinen Filiale zu schlecht gelaunte Kunden besänftigen muss, für die er auch die Bankgeschäfte mitabwickeln darf – um, während sein Blick auf die nasskalte Straße fällt, pragmatisch den Dienst zu versehen. Die Stimme der vermeintlichen Vernunft ist ein Wiener, der „Was soll man machen?“ sagt.

Als Bezeichnung für eine skizzierte Song-Idee war das Wort Demo bei uns wiederum lange vernachlässigbar, weil die IG Klassik traditionellerweise Partituren vertraut, Jazzer schon bei ihrer Erfindung zu cool für Noten waren und, generationsübergreifend wie per Dauerschleife tradiert, Aberseer G’stanzl- und Gailtaler Tanzlmusi als gut gesichertes Kulturgut gelten. An dieser Stelle ein Partytipp: Auch diesbezüglich hat YouTube massig zu bieten!

Ähnlich, wie Demos im Sinne von W wie Wutbürger oder „Widerstand!“ bei uns selten sind, hat man es auch bei Demos in Form eines musikalischen Grobentwurfs mit einem flüchtigen Gut zu tun. Schließlich wandern die Skizzen zumeist ohne den Umweg einer Veröffentlichung ins Archiv, um Fans und Fetischisten die schmerzhaften Freuden einer Leidenschaft zu erklären, die nicht befriedigt wird. Verschluss bedeutet Verdruss. Atlantis und Bernsteinzimmer. Der Heilige Gral. Das Blut Christi! Zu erwarten wäre immerhin nichts weniger als die scheinbare Anwesenheit beim Entstehungsprozess mit entsprechenden Einblicken in die Künstlerseele. Erzeugung, Schöpfung, Geburt. Die ultimative Intimität!

Eigentlich ist es ein Skandal, dass uns das alles verborgen bleibt. Wie, was? Was soll man machen? Einen Protestsong schreiben? Na gut. Beginnen wir mit einem Demo als Demo für mehr Demos. Und veröffentlichen wir es.

(Wiener Zeitung, 11./12.1.2014)

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