Die deutschen
Slow-Motion-Jazzer von Bohren & der Club of Gore sind zurück
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Neues Album
„Piano Nights“, Wien-Konzert Ende März
Auch
wenn die Musik selbst nicht unbedingt darauf schließen lässt: Ja, diese Band
hat Humor! Schließlich begrüßt das 1988 in Mülheim an der Ruhr gegründete
Slow-Motion-Quartett Bohren & der Club of Gore seine Homepage-Besucher mit
einem selbstironischen „Dear friends of uneventful music“.
Das
hat damit zu tun, dass das Kollektiv seit seinem Debütalbum „Gore Motel“ aus
dem Jahre 1994 so ziemlich die langsamste Musik entstehen lässt, die man sich
vorstellen und für Mußestunden als Flucht vor einer hektischen Welt auch nur
wünschen kann. Oder anders gesagt: Während die Band von einem Akkord zum
nächsten wechselt, könnte man zwar zwei Arbeitsmails schreiben oder den
Terminkalender mit Nachschub versorgen. Weil es sich bei der Musik von Bohren
& der Club of Gore aber auch um die beste denkbare Barbeschallung handelt,
sollte sich währenddessen vor allem eine schnelle Runde im Ecklokal sowie ein
philosophischer Exkurs über das Leben mit dem Sitznachbarn ausgehen.
Unbedingte
Nachtmusik
Ursprünglich
vom Metal her kommend, verabreichten Bohren & der Club of Gore mit ihrem
Frühwerk fiktive Soundtracks für Alptraumszenarien unter Regie David Lynchs
sowie die Begleitmusik für nächtliche Autofahrten durch das Industriegebiet
unseres Misstrauens. Mit an einschlägige B-Movies erinnernden Songtiteln wie
„Conway Twitty zieh mit mir“, von Angelo Badalamenti geschulten Twang-Gitarren
und einer rhythmischen Grundierung, die vor allem an zum Friedhof schreitende
Elefanten gemahnte, ging es dabei düster zu – unzureichende Hilfsbegriffe wie
„Horror Jazz“ und „Doom Jazz“ waren die Folge. Mit dem Durchbruchsalbum „Sunset
Mission“ (2000) und der dabei erfolgten Hinwendung zu einem smootheren Sound
mit Fender Rhodes und Saxofon allerdings war eine Entwicklung begonnen, die
gediegenere und etwa auch bloß für Barhocker-Melancholie sorgende Ergebnisse
mit sich brachte. Stets treu ist man auf Alben von „Black Earth“ (2002) über
„Dolores“ (2008) bis hin zum 2011 mit Mike Patton entstandenen „Beileid“ einer
Ästhetik geblieben, die auf eigene Naturgesetzt in Sachen Zeit vertraut.
Schließlich ist diese hier immer relativ und in jedem Fall massig vorhanden –
nachzuprüfen auch mit den neun neuen Stücken, die nächste Woche unter dem Titel
„Piano Nights“ veröffentlicht werden.
Nun
auch unter Miteinbeziehung schwerer Klavierakkorde und mit sanft erweitertem
Instrumentarium zwischen Heimorgelgrundierung, Mellotron und Vibraphon
arrangiert, wird dabei unbedingte Nachtmusik gestaltet, deren Betonung auf
Aussparung und Reduktion jedes einzelne Element umso stärker gewichtet.
Zwischen Beserlschlagzeug-Vormacht und einer entsprechend introspektiven
Grundgestimmtheit wird das erwähnte Akkordwechsel-Spiel mitunter so weit
gedehnt, dass sich vermeintliche Songenden letztlich als bloße Umgreifpause
erweisen. Ja, der durchschnittliche Dienstleister darf Bohren & der Club of
Gore an dieser Stelle um ihr Arbeitstempo beneiden.
Der
Kontrabass jazzt sich rein. Das Saxofon läuft wie Öl aus den Boxen. Durch das
Barfenster gerinnen die Lichter der Stadt zu rot-gelben-Schlieren: Live
gastiert die Band am 29. März in der
Grellen Forelle. Man wird dabei sein müssen.
Bohren & der Club of Gore: Piano Nights (PIAS/ Rough Trade)
(Wiener Zeitung, 15.1.2014)
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