Dienstag, Januar 14, 2014

Die Zeit steht still

Die deutschen Slow-Motion-Jazzer von Bohren & der Club of Gore sind zurück 

-        Neues Album „Piano Nights“, Wien-Konzert Ende März 

Auch wenn die Musik selbst nicht unbedingt darauf schließen lässt: Ja, diese Band hat Humor! Schließlich begrüßt das 1988 in Mülheim an der Ruhr gegründete Slow-Motion-Quartett Bohren & der Club of Gore seine Homepage-Besucher mit einem selbstironischen „Dear friends of uneventful music“.

Das hat damit zu tun, dass das Kollektiv seit seinem Debütalbum „Gore Motel“ aus dem Jahre 1994 so ziemlich die langsamste Musik entstehen lässt, die man sich vorstellen und für Mußestunden als Flucht vor einer hektischen Welt auch nur wünschen kann. Oder anders gesagt: Während die Band von einem Akkord zum nächsten wechselt, könnte man zwar zwei Arbeitsmails schreiben oder den Terminkalender mit Nachschub versorgen. Weil es sich bei der Musik von Bohren & der Club of Gore aber auch um die beste denkbare Barbeschallung handelt, sollte sich währenddessen vor allem eine schnelle Runde im Ecklokal sowie ein philosophischer Exkurs über das Leben mit dem Sitznachbarn ausgehen. 

Unbedingte Nachtmusik 

Ursprünglich vom Metal her kommend, verabreichten Bohren & der Club of Gore mit ihrem Frühwerk fiktive Soundtracks für Alptraumszenarien unter Regie David Lynchs sowie die Begleitmusik für nächtliche Autofahrten durch das Industriegebiet unseres Misstrauens. Mit an einschlägige B-Movies erinnernden Songtiteln wie „Conway Twitty zieh mit mir“, von Angelo Badalamenti geschulten Twang-Gitarren und einer rhythmischen Grundierung, die vor allem an zum Friedhof schreitende Elefanten gemahnte, ging es dabei düster zu – unzureichende Hilfsbegriffe wie „Horror Jazz“ und „Doom Jazz“ waren die Folge. Mit dem Durchbruchsalbum „Sunset Mission“ (2000) und der dabei erfolgten Hinwendung zu einem smootheren Sound mit Fender Rhodes und Saxofon allerdings war eine Entwicklung begonnen, die gediegenere und etwa auch bloß für Barhocker-Melancholie sorgende Ergebnisse mit sich brachte. Stets treu ist man auf Alben von „Black Earth“ (2002) über „Dolores“ (2008) bis hin zum 2011 mit Mike Patton entstandenen „Beileid“ einer Ästhetik geblieben, die auf eigene Naturgesetzt in Sachen Zeit vertraut. Schließlich ist diese hier immer relativ und in jedem Fall massig vorhanden – nachzuprüfen auch mit den neun neuen Stücken, die nächste Woche unter dem Titel „Piano Nights“ veröffentlicht werden.

Nun auch unter Miteinbeziehung schwerer Klavierakkorde und mit sanft erweitertem Instrumentarium zwischen Heimorgelgrundierung, Mellotron und Vibraphon arrangiert, wird dabei unbedingte Nachtmusik gestaltet, deren Betonung auf Aussparung und Reduktion jedes einzelne Element umso stärker gewichtet. Zwischen Beserlschlagzeug-Vormacht und einer entsprechend introspektiven Grundgestimmtheit wird das erwähnte Akkordwechsel-Spiel mitunter so weit gedehnt, dass sich vermeintliche Songenden letztlich als bloße Umgreifpause erweisen. Ja, der durchschnittliche Dienstleister darf Bohren & der Club of Gore an dieser Stelle um ihr Arbeitstempo beneiden.

Der Kontrabass jazzt sich rein. Das Saxofon läuft wie Öl aus den Boxen. Durch das Barfenster gerinnen die Lichter der Stadt zu rot-gelben-Schlieren: Live gastiert die Band am 29. März in der Grellen Forelle. Man wird dabei sein müssen. 

Bohren & der Club of Gore: Piano Nights (PIAS/ Rough Trade) 

(Wiener Zeitung, 15.1.2014)

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