Freitag, Januar 17, 2014

Liebe und Läuterung

Nach einer langen Phase als Problem-Promi setzt Boy George zum Comeback an. 

- Neues Album "This Is What I Do" mit viel Reggae und Soul 

Sorgen musste man sich um Boy George bereits in den 1980er Jahren. Ein Grund dafür mag zwar auch gewesen sein, dass sich der am 14. Juni 1961 als George Alan O’Dowd geborene Sänger unter tatkräftiger Mithilfe seiner Band Culture Club liebend gerne als Drama-Queen und Schmerzensmann inszenierte. Millionenfach verkaufte Welthits wie "Do You Really Want To Hurt Me" zeugen davon - und auch an von diesen mitermöglichte spätere Albumtitel wie "From Luxury To Heartache" sei diesbezüglich erinnert. 

Öffentlicher Abstieg 

Vor allem aber war es sein Appetit auf nicht zwingend als weich zu bezeichnende Drogen wie Kokain und Heroin, der Boy George in die Gefahrenzone beförderte. Nach langer Vorarbeit kam es im Jahr 2006 schließlich zu einer Verurteilung wegen Drogenbesitzes, die in den Klatschgazetten genüsslich dokumentiert wurde. Immerhin konnte man einen aufgedunsenen einstigen Pop-Star im freien Fall auch dabei beobachten, wie er seinen Sozialdienst als New Yorker Straßenkehrer versah. Die Fesselung eines Callboys in seiner Wohnung - so viel zum Thema "die Streiche der Reichen!" - führte 2009 wiederum zu vier Monaten Gefängnis, womit auch der Tiefpunkt einer Dauerphase als gebeutelter Problem-Promi erreicht war.

Kaum erleichtert wurde Boy Georges Weg zur Abstinenz von einer Karriere als DJ, die seine einstige Erwerbsarbeit als Songwriter längst ersetzt und die Bühnenkarriere auf Auftritte als Gastsänger eingeschränkt hatte. Dass mit "This Is What I Do" kommende Woche ein neues Studioalbum erscheint, ist also mindestens so verwunderlich wie die radikal erschlankte Erscheinung des mittlerweile 52-Jährigen. Und auch die Promo-Info, Boy George hielte seinen Substanzgusto heute mit spiritueller Stärke, Nichiren-Buddhismus und privaten Mantragesängen in Schach, darf überraschen. 

Brückenschläge 

Das Album selbst eröffnet standesgemäß mit großer Geste und selbstreferenziellem Einschlag. Es geht um das echte Leben in einem unwirklichen Gewerbe, um Aufstieg, Fall, Wiedergenesung und solchermaßen vor allem auch um den verbliebenen Restkatholizismus des Boy George, der zwischen Vergebung und Reue ankert. Zu klassisch arrangierter Midtempoware, die man als Elder-Statesman-Pop bezeichnen könnte, wendet sich der geläuterte Entertainer mit einer Entschuldigung an seine Fans: "You know I’m sorry/For the times I made you cry/I made an art of letting you down" - wobei sich die Kunst der Enttäuschung nicht auf den erstaunlich hübschen Song namens "King Of Everything" überträgt. Abgesehen vom etwas zu dick auftragenden "My God" hat das Album im Anschluss aber wenig Ähnliches zu bieten und konzentriert sich neben Soul-Referenzen vor allem auf Reggae-Songs, die ebenso simpel und sonnendurchflutet ("Nice And Slow") wie elaboriert und eklektisch ausfallen dürfen - das zum Abschluss gereichte "Feel The Vibration" etwa schafft den Brückenschlag zwischen jamaikanischen Entspannungsbeats, Düsseldorfer Krautrockgitarren, US-amerikanischen Blaxploitation-Bläsern und fernöstlicher Folklore tatsächlich. Mit "It’s Easy" steht zusätzlich ein countryfizierter Schunkler auf dem Programm, während die vom Leben verdunkelte Stimme Boy Georges nicht nur bei "Death Of Samantha", einer Coverversion des gleichnamigen Yoko-Ono-Songs aus ihrem Album "Approximately Infinite Universe" von 1973, durchaus an den verdienten Roots-Reggae-Sänger Horace Andy denken lässt.

"This Is What I Do" ist hörbar nicht das Drama geworden, das man erwarten durfte. Vor allem, wenn man die Fehlgriffe des Albums angesichts einer gewissen Verhältnismäßigkeit freundlich ignoriert. Stichwort: "Love is bigger than war/Bigger than The Beatles, The Rolling Stones/Bigger than Elvis - but not Yoko!" Allerdings soll auch die Rückkehr von Culture Club unmittelbar bevorstehen. Wenn das bloß gut geht! 

Boy George: "This Is What I Do" (Very Me Records) 

(Wiener Zeitung, 17.1.2014)

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