Nach einer langen Phase als Problem-Promi setzt Boy
George zum Comeback an.
- Neues Album "This Is What I Do" mit viel Reggae und Soul
Sorgen
musste man sich um Boy George bereits in den 1980er Jahren. Ein Grund dafür mag
zwar auch gewesen sein, dass sich der am 14. Juni 1961 als George Alan O’Dowd
geborene Sänger unter tatkräftiger Mithilfe seiner Band Culture Club liebend
gerne als Drama-Queen und Schmerzensmann inszenierte. Millionenfach verkaufte
Welthits wie "Do You Really Want To Hurt Me" zeugen davon - und auch
an von diesen mitermöglichte spätere Albumtitel wie "From Luxury To Heartache" sei diesbezüglich erinnert.
Öffentlicher
Abstieg
Vor allem aber war es sein Appetit auf nicht zwingend als weich zu bezeichnende
Drogen wie Kokain und Heroin, der Boy George in die Gefahrenzone beförderte.
Nach langer Vorarbeit kam es im Jahr 2006 schließlich zu einer Verurteilung wegen
Drogenbesitzes, die in den Klatschgazetten genüsslich dokumentiert wurde.
Immerhin konnte man einen aufgedunsenen einstigen Pop-Star im freien Fall auch
dabei beobachten, wie er seinen Sozialdienst als New Yorker Straßenkehrer
versah. Die Fesselung eines Callboys in seiner Wohnung - so viel zum Thema
"die Streiche der Reichen!" - führte 2009 wiederum zu vier Monaten
Gefängnis, womit auch der Tiefpunkt einer Dauerphase als gebeutelter
Problem-Promi erreicht war.
Kaum
erleichtert wurde Boy Georges Weg zur Abstinenz von einer Karriere als DJ, die
seine einstige Erwerbsarbeit als Songwriter längst ersetzt und die
Bühnenkarriere auf Auftritte als Gastsänger eingeschränkt hatte. Dass mit
"This Is What I Do" kommende Woche ein neues Studioalbum erscheint,
ist also mindestens so verwunderlich wie die radikal erschlankte Erscheinung
des mittlerweile 52-Jährigen. Und auch die Promo-Info, Boy George hielte seinen
Substanzgusto heute mit spiritueller Stärke, Nichiren-Buddhismus und privaten
Mantragesängen in Schach, darf überraschen.
Brückenschläge
Das Album selbst eröffnet standesgemäß mit großer Geste und
selbstreferenziellem Einschlag. Es geht um das echte Leben in einem
unwirklichen Gewerbe, um Aufstieg, Fall, Wiedergenesung und solchermaßen vor
allem auch um den verbliebenen Restkatholizismus des Boy George, der zwischen
Vergebung und Reue ankert. Zu klassisch arrangierter Midtempoware, die man als
Elder-Statesman-Pop bezeichnen könnte, wendet sich der geläuterte Entertainer
mit einer Entschuldigung an seine Fans: "You know I’m sorry/For the times
I made you cry/I made an art of letting you down" - wobei sich die Kunst
der Enttäuschung nicht auf den erstaunlich hübschen Song namens "King Of Everything" überträgt. Abgesehen vom etwas zu dick auftragenden "My
God" hat das Album im Anschluss aber wenig Ähnliches zu bieten und
konzentriert sich neben Soul-Referenzen vor allem auf Reggae-Songs, die ebenso
simpel und sonnendurchflutet ("Nice And Slow") wie elaboriert und
eklektisch ausfallen dürfen - das zum Abschluss gereichte "Feel The
Vibration" etwa schafft den Brückenschlag zwischen jamaikanischen
Entspannungsbeats, Düsseldorfer Krautrockgitarren, US-amerikanischen
Blaxploitation-Bläsern und fernöstlicher Folklore tatsächlich. Mit "It’s
Easy" steht zusätzlich ein countryfizierter Schunkler auf dem Programm,
während die vom Leben verdunkelte Stimme Boy Georges nicht nur bei "Death
Of Samantha", einer Coverversion des gleichnamigen Yoko-Ono-Songs aus
ihrem Album "Approximately Infinite Universe" von 1973, durchaus an
den verdienten Roots-Reggae-Sänger Horace Andy denken lässt.
"This
Is What I Do" ist hörbar nicht das Drama geworden, das man erwarten
durfte. Vor allem, wenn man die Fehlgriffe des Albums angesichts einer gewissen
Verhältnismäßigkeit freundlich ignoriert. Stichwort: "Love is bigger than war/Bigger than The Beatles, The
Rolling Stones/Bigger than Elvis - but not Yoko!" Allerdings soll
auch die Rückkehr von Culture Club unmittelbar bevorstehen. Wenn das bloß gut geht!
Boy George: "This Is What I Do"
(Very Me Records)
(Wiener
Zeitung, 17.1.2014)
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