Dienstag, Januar 07, 2014

Gitarren wie Motoren

Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra veröffentlichen ihr mittlerweile 7. Album 

-        Live am 2. März im Brut Wien 

Einen ersten Vorgeschmack auf das neue Material bekam man bereits im November 2012 geboten, als sich das Wiener Blue Bird Festival im Porgy & Bess mit dem kanadischen Label Constellation Records beschäftigte: Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra, neben den gleichfalls von Sänger Efrim Menuck mitbetriebenen Instrumentalrock-Grenzforschern Godspeed You! Black Emperor Aushängeschild und Zentralorgan der Unternehmung, spielten sich als auf fünf Personen entschlacktes Ensemble furios durch nach wie vor epische Songs, die dennoch von einer neuen Direktheit gekennzeichnet waren. Tatsächlich bestätigt sich dieser Eindruck mit „Fuck Off Get Free Pour Light On Everything“ (Constellation Records/Trost), dem demnächst erscheinenden und mittlerweile siebten Album der 1999 in Montreal gegründeten Band. 

Verweigerungshaltung 

Unzureichende Hilfsbegriffe wie „Kammer-Punk“ meinten in den Anfangstagen, dass sich das Kollektiv zwischen nachtschwarz bis apokalyptisch gehaltener Stimmungslage und einem entsprechend elegisch mit Streichern arrangierten Rockentwurf verortete, der auch ohne Songtexte etwas zu sagen hatte. Ebenso wie bei Godspeed You! Black Emperor wurde und wird auch hier viel Wert auf Verweigerungshaltung und Systemkritik gelegt – was neben inhaltlichen Standortbestimmungen auch eine weitgehend an den Vorgaben der Musikindustrie vorbeigespielte Karriere mit unabhängigen Vertriebswegen und aufwändigen Vinyl-Ausgaben für ein erlesenes Liebhaberpublikum bedeutet. Für junge Menschen übersetzt: Facebook war für die kurz Silver Mt. Zion genannte Band bereits ein No-Go, bevor dort die Eltern mitmachen wollten, und das „Like“ für sie nie als Liebesbekundung zu verstehen, sondern als Währungsmittel eines kapitalistisch ausgerichteten Globalisierungsvereins, der unsere Privatsphäre beschneidet – oder so.

Im Bewusstsein um die Härten und Schwierigkeit unserer Zeit, die auch in den monolithischen neuen Songs einmal mehr in den Abgrund blickt, geht es heute verstärkt aber um ein Gegengift, das durchaus in der Gemeinschaft liegen könnte. Immerhin wird das Selbstverständnis der Band zum Auftakt von einer Mädchenstimme erklärt, ehe die Musik auf eins, zwei, dresch in die Vollen geht: „We live on an island called Montreal and we make a lot of noise because we love each other“. 

Keine Gefangenen 

Mit bis zu vierzehnminütigen, von Efrim Menucks skandierter Stimme getragenen und aus dem Hintergrund mit streicherinduzierten Klangkakofonien befeuerten Mantras werden dabei keine Gefangenen gemacht. Fernöstliche Harmonien atmen ebenso aus dem Soundamalgam wie tief- und tiefergestimmte Gitarren, die wie Flugzeugmotoren klingen. Gemeinsam mit der im Grundkurs „John Cale für zu spät Geborene“ geschulten Iits-iits-Bratsche kratzen die Ergebnisse ebenso auf, wie sie mit innigen Gruppengesängen zwischendurch auch besänftigen dürfen. Mit dem im Dreivierteltakt wippenden Göttersong „What We Loved Was Not Enough“, der seinen unterschwelligen Soulcharakter am Ende in aller Pracht und Herrlichkeit offenbart, ist nicht nur in dieser Hinsicht ein Meisterwerk gelungen. Am Ende des epischen Dramas fällt zwar der Vorhang – „And the days come when we no longer feel …“ –, ob dann alles gut wird, ist aber auch eingedenk des wenig beruhigenden Wiegenlieds „Little Ones Run“ stark zu bezweifeln.

Das Wien-Konzert am 2. März im Brut sollte man sich jedenfalls nicht entgehen lassen. „Lord let my son live long enough to see that mountain torn down!"

(Wiener Zeitung, 8.1.2014)

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