Thee Silver Mt.
Zion Memorial Orchestra veröffentlichen ihr mittlerweile 7. Album
-
Live am 2. März
im Brut Wien
Einen
ersten Vorgeschmack auf das neue Material bekam man bereits im November 2012
geboten, als sich das Wiener Blue Bird Festival im Porgy & Bess mit dem
kanadischen Label Constellation Records beschäftigte: Thee Silver Mt. Zion
Memorial Orchestra, neben den gleichfalls von Sänger Efrim Menuck
mitbetriebenen Instrumentalrock-Grenzforschern Godspeed You! Black Emperor
Aushängeschild und Zentralorgan der Unternehmung, spielten sich als auf fünf
Personen entschlacktes Ensemble furios durch nach wie vor epische Songs, die
dennoch von einer neuen Direktheit gekennzeichnet waren. Tatsächlich bestätigt
sich dieser Eindruck mit „Fuck Off Get Free Pour Light On Everything“
(Constellation Records/Trost), dem demnächst erscheinenden und mittlerweile
siebten Album der 1999 in Montreal gegründeten Band.
Verweigerungshaltung
Unzureichende
Hilfsbegriffe wie „Kammer-Punk“ meinten in den Anfangstagen, dass sich das
Kollektiv zwischen nachtschwarz bis apokalyptisch gehaltener Stimmungslage und
einem entsprechend elegisch mit Streichern arrangierten Rockentwurf verortete,
der auch ohne Songtexte etwas zu sagen hatte. Ebenso wie bei Godspeed You!
Black Emperor wurde und wird auch hier viel Wert auf Verweigerungshaltung und
Systemkritik gelegt – was neben inhaltlichen Standortbestimmungen auch eine
weitgehend an den Vorgaben der Musikindustrie vorbeigespielte Karriere mit
unabhängigen Vertriebswegen und aufwändigen Vinyl-Ausgaben für ein erlesenes
Liebhaberpublikum bedeutet. Für junge Menschen übersetzt: Facebook war für die kurz
Silver Mt. Zion genannte Band bereits ein No-Go, bevor dort die Eltern
mitmachen wollten, und das „Like“ für sie nie als Liebesbekundung zu verstehen,
sondern als Währungsmittel eines kapitalistisch ausgerichteten
Globalisierungsvereins, der unsere Privatsphäre beschneidet – oder so.
Im
Bewusstsein um die Härten und Schwierigkeit unserer Zeit, die auch in den
monolithischen neuen Songs einmal mehr in den Abgrund blickt, geht es heute
verstärkt aber um ein Gegengift, das durchaus in der Gemeinschaft liegen
könnte. Immerhin wird das Selbstverständnis der Band zum Auftakt von einer
Mädchenstimme erklärt, ehe die Musik auf eins, zwei, dresch in die Vollen geht:
„We live on an island called Montreal and we make a lot of noise because we
love each other“.
Keine Gefangenen
Mit
bis zu vierzehnminütigen, von Efrim Menucks skandierter Stimme getragenen und aus
dem Hintergrund mit streicherinduzierten Klangkakofonien befeuerten Mantras
werden dabei keine Gefangenen gemacht. Fernöstliche Harmonien atmen ebenso aus dem
Soundamalgam wie tief- und tiefergestimmte Gitarren, die wie Flugzeugmotoren
klingen. Gemeinsam mit der im Grundkurs „John Cale für zu spät Geborene“ geschulten
Iits-iits-Bratsche kratzen die Ergebnisse ebenso auf, wie sie mit innigen
Gruppengesängen zwischendurch auch besänftigen dürfen. Mit dem im
Dreivierteltakt wippenden Göttersong „What We Loved Was Not Enough“, der seinen
unterschwelligen Soulcharakter am Ende in aller Pracht und Herrlichkeit offenbart,
ist nicht nur in dieser Hinsicht ein Meisterwerk gelungen. Am Ende des epischen
Dramas fällt zwar der Vorhang – „And the days come when we no longer feel …“ –,
ob dann alles gut wird, ist aber auch eingedenk des wenig beruhigenden
Wiegenlieds „Little Ones Run“ stark zu bezweifeln.
Das
Wien-Konzert am 2. März im Brut sollte man sich jedenfalls nicht entgehen
lassen. „Lord let my son live long enough to see that mountain
torn down!"
(Wiener Zeitung, 8.1.2014)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen