Mittwoch, Januar 22, 2014

Mit Dub und düster

The Hidden Cameras veröffentlichen ihr neues Album „Age“ und gastieren live beim FM4-Geburtstagsfest 

Die Musik seiner Hidden Cameras bezeichnete Joel Gibb einmal als „Gay church folk music“. Das war ebenso augenzwinkernd gemeint wie natürlich mindestens richtig. Seit seinem Debüt mit dem Album „Ecce Homo“ im Jahr 2001 geht es dem um Gibb herum wechselnd besetzten Projekt aus Toronto schließlich auch darum, zu wahlweise grüblerischem Gestus an der Singer-Songwriter-Gitarre oder scheppernd-ausgelassenen Dreiminütern samt Glockenspiel und schwelgerischer Streicherumrahmung auch den entsprechenden Inhalt zu transportieren. Das mochte sich zwar im heimischen Jugendradio ganz prächtig anlassen – in der texanischen Pampa sowie in Wladimir-Putinstan allerdings sah es mit den Tantiemen auch deshalb ungleich weniger rosig aus, weil sich Songs über schwule Liebe (und Körperflüssigkeiten!) dort keiner allzu großen Beliebtheit erfreuen. Womit sie ihr Schicksal mit von männlichen Go-go-Tänzern umrahmten Auftritten teilen, die die Hidden Cameras über Jahre hinweg absolvierten. 

Queere Lebensfreude 

Gerade auch vor dem Outing des ehemaligen deutschen Fußballnationalspielers Thomas Hitzlsperger darf man sich aktuell daran erinnern, dass Bayern-München-Profi Mehmet Scholl die Hidden Cameras im Jahr 2007 dazu einlud, seine offizielle Abschiedsfeier mit queerer Lebensfreude aufzumischen – was im Fußball bekanntlich noch immer als großer Schritt gilt. Joel Gibb, der kurz zuvor in der Partymetropole Berlin ansässig wurde, begann zu diesem Zeitpunkt bereits, das Leben auch einmal über die Kunst siegen zu lassen. Immerhin folgte auf das in Sachen stilistischer Richtungswechsel zwischen semi-symphonischem Drama und gewitzter Unterhaltungselektronik unentschlossene Album „Origin:Orphan“ (2009) fünf Jahre lang nichts. Mit einer Spielzeit von knapp 35 Minuten und nur acht neuen Songs unterstreicht das nun erscheinende sechste Studiowerk mit dem Titel „Age“ neben einem weiteren Ausfransen der Einflüsse vor allem ein noch größeres Interesse am Dunklen und Düsteren. Mit „Gay Goth Scene“ kündete bereits die von schwerem Moll und unbehaglichen Arrangements getragene Auftaktsingle davon. Als Coming-out- sowie Coming-of-Age-Geschichte auch mit einem alltagsgrauen Musikvideo erzählt, fiel das Ergebnis durchaus beklemmend aus. Textlich korrespondiert dieser Einschlag des Albums mit Zeilen wie „We are in love with the bars that take us into the dark“ oder „We fool ourselves into thinking this is happiness“ zwar ziemlich gut. Wobei man den Überschwang und die Euphorie von einst schon auch vermissen darf. 

Neue alte Einflüsse 

Als Beschäftigung Joel Gibbs mit der Musik seiner Jugend  schließt das Album nun auch jamaikanischen Dub-Reggae („Afterparty“) sowie in den Club drängenden und dabei durchaus an Vertreter wie The Human League erinnernden Synthie-Pop („Carpe Jugular“) mit den gewohnten Bandcharakteristika kurz. Diese liegen bei Songs wie „Skin & Leather“ einmal mehr in den andächtigen und hier beinahe kathedralischen Gesängen Gibbs sowie im gefühlig arrangierten Erwachsenenpop von Songs wie „Year Of The Spawn“, bei dem sich Gäste wie Mary Margaret OʼHara oder Chilly Gonzales zu den Hidden Cameras gesellen.

Zur Live-Präsentation des neuen Materials kommt es übrigens am kommenden Samstag im Rahmen des FM4-Geburtstagsfests, das heuer erstmals in der Ottakringer Brauerei über die Bühne geht. Dabei u. a. auch zu erleben: The Notwist, S O H N, Caged Animals – und Ja, Panik, über deren neues Album Sie in der Samstag-Ausgabe der Wiener Zeitung mehr lesen können. 

Hidden Cameras: Age (Evil Evil/Motor Music) 

(Wiener Zeitung, 23.1.2014)

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