The Hidden
Cameras veröffentlichen ihr neues Album „Age“ und gastieren live beim FM4-Geburtstagsfest
Die
Musik seiner Hidden Cameras bezeichnete Joel Gibb einmal als „Gay church folk
music“. Das war ebenso augenzwinkernd gemeint wie natürlich mindestens richtig.
Seit seinem Debüt mit dem Album „Ecce Homo“ im Jahr 2001 geht es dem um Gibb
herum wechselnd besetzten Projekt aus Toronto schließlich auch darum, zu
wahlweise grüblerischem Gestus an der Singer-Songwriter-Gitarre oder
scheppernd-ausgelassenen Dreiminütern samt Glockenspiel und schwelgerischer
Streicherumrahmung auch den entsprechenden Inhalt zu transportieren. Das mochte
sich zwar im heimischen Jugendradio ganz prächtig anlassen – in der texanischen
Pampa sowie in Wladimir-Putinstan allerdings sah es mit den Tantiemen auch
deshalb ungleich weniger rosig aus, weil sich Songs über schwule Liebe (und
Körperflüssigkeiten!) dort keiner allzu großen Beliebtheit erfreuen. Womit sie
ihr Schicksal mit von männlichen Go-go-Tänzern umrahmten Auftritten teilen, die
die Hidden Cameras über Jahre hinweg absolvierten.
Queere
Lebensfreude
Gerade
auch vor dem Outing des ehemaligen deutschen Fußballnationalspielers Thomas
Hitzlsperger darf man sich aktuell daran erinnern, dass Bayern-München-Profi
Mehmet Scholl die Hidden Cameras im Jahr 2007 dazu einlud, seine offizielle
Abschiedsfeier mit queerer Lebensfreude aufzumischen – was im Fußball
bekanntlich noch immer als großer Schritt gilt. Joel Gibb, der kurz zuvor in
der Partymetropole Berlin ansässig wurde, begann zu diesem Zeitpunkt bereits,
das Leben auch einmal über die Kunst siegen zu lassen. Immerhin folgte auf das
in Sachen stilistischer Richtungswechsel zwischen semi-symphonischem Drama und
gewitzter Unterhaltungselektronik unentschlossene Album „Origin:Orphan“ (2009)
fünf Jahre lang nichts. Mit einer Spielzeit von knapp 35 Minuten und nur acht
neuen Songs unterstreicht das nun erscheinende sechste Studiowerk mit dem Titel
„Age“ neben einem weiteren Ausfransen der Einflüsse vor allem ein noch größeres
Interesse am Dunklen und Düsteren. Mit „Gay Goth Scene“ kündete bereits die von
schwerem Moll und unbehaglichen Arrangements getragene Auftaktsingle davon. Als
Coming-out- sowie Coming-of-Age-Geschichte auch mit einem alltagsgrauen
Musikvideo erzählt, fiel das Ergebnis durchaus beklemmend aus. Textlich korrespondiert dieser Einschlag des Albums
mit Zeilen wie „We are in love with the bars that take us into the dark“ oder
„We fool ourselves into thinking this is happiness“ zwar ziemlich gut. Wobei man den
Überschwang und die Euphorie von einst schon auch vermissen darf.
Neue alte
Einflüsse
Als
Beschäftigung Joel Gibbs mit der Musik seiner Jugend schließt das Album nun auch jamaikanischen
Dub-Reggae („Afterparty“) sowie in den Club drängenden und dabei durchaus an Vertreter
wie The Human League erinnernden Synthie-Pop („Carpe Jugular“) mit den
gewohnten Bandcharakteristika kurz. Diese liegen bei Songs wie „Skin &
Leather“ einmal mehr in den andächtigen und hier beinahe kathedralischen
Gesängen Gibbs sowie im gefühlig arrangierten Erwachsenenpop von Songs wie
„Year Of The Spawn“, bei dem sich Gäste wie Mary Margaret OʼHara oder Chilly Gonzales
zu den Hidden Cameras gesellen.
Zur
Live-Präsentation des neuen Materials kommt es übrigens am kommenden Samstag im
Rahmen des FM4-Geburtstagsfests, das heuer erstmals in der Ottakringer Brauerei
über die Bühne geht. Dabei u. a. auch zu
erleben: The Notwist, S O H N, Caged Animals – und Ja, Panik, über deren neues
Album Sie in der Samstag-Ausgabe der Wiener Zeitung mehr lesen können.
Hidden Cameras: Age (Evil Evil/Motor Music)
(Wiener Zeitung, 23.1.2014)
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