Montag, Januar 27, 2014

Sie sind die Roboter

In der Nacht auf Montag wurden in Los Angeles zum 56. Mal die Grammys verliehen

- Als große Sieger des Abends gingen Daft Punk nach Hause 

Zur Feier des Tages nahmen die einstigen Roboter-Futuristen Daft Punk ihre Preise nicht nur in den feinsten Sonntagsanzügen entgegen. Vor allem auch in Sachen Helm-Mode wurde im Staples Center mit auf Hochglanz polierten Visieren nichts weniger als dem Anlass gebotener Edelstoff angelegt. Immerhin ging es darum, gleich fünf Grammys – auch in den Hauptkategorien „Album des Jahres“ und „Aufnahme des Jahres“ – nach Frankreich zu holen. Die Maulfaulheit bei der Preisannahme ging im Übrigen nicht auf mangelnde Fremdsprachenkenntnis zurück, sondern auf die einer handelsüblichen Maschine unbekannte Lust, sich mit Trivialitäten aufzuhalten. „Get Lucky“-Sänger Pharrell Williams durfte die Pflicht übernehmen und sich stellvertretend ausmalen, wem Daft Punk wohl danken mochten. Und nein, es war nicht Gott, dem sich bei den auch mit Kategorien wie „Best Contemporary Christian Music Song“ aufwartenden Grammy Awards kein Geringerer zuwandte als der durchaus weltliche Rapper Jay-Z. 

Pop trifft Produkt 

Nach einst nicht nur in Sachen Konzept kompromisslosen und künstlerisch dringlichen Arbeiten wie dem bahnbrechenden Debüt „Homework“ von 1997 sind Daft Punk mit den nun ausgezeichneten Disco-Wiedergängen ihres Albums „Random Access Memories“ zwar längst in der Vergangenheit angekommen. Für die nie an den Rändern, sondern nur an einer der gesellschaftlichen Mitte auch verkaufbaren Schnittmenge aus Pop und Produkt interessierten Grammys ist der Preissegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nur folgerichtig.

Dass Daft Punk bei ihrem Auftritt mit Stevie Wonder zunächst auf der Bühne fehlten – vorgeschickt wurden Pharrell Williams und Chic-Mastermind Nile Rodgers –, durfte entfernt als Referenz an Kraftwerk gedeutet werden, an deren statt einst allerdings tatsächliche Roboter dienstleisteten. Kraftwerk, ohne deren Pionierarbeit Daft Punk in dieser Form nicht denkbar wären, erhielten am selben Abend zwar den Grammy für ihr Lebenswerk – was eine gewisse Versöhnung mit der gerade in den USA oft missverstandenen Band bedeutete (man erinnere sich an „The Big Lebowski“ und die darin als Kraftwerk-Persiflage in Erscheinung tretende Formation Autobahn). Die Beschränkung des Preises auf eine Randnotiz ohne Auftritt allerdings verdeutlichte, dass die Grammys Wichtigeres zu tun haben. Sich mit Trivialitäten aufzuhalten, zum Beispiel. 

Warten auf die Werbung 

Der zum Auftakt gereichte Balzer des Branchen-Ehepaars Beyoncé und Jay-Z etwa erwies sich erst nach den belanglosen Auftritten von Hunter Hayes oder Keith Urban als vergleichsweise spannend. Taylor Swift wiederum versuchte mit verhaltensauffälligem Haupthaargeschüttel von ihrer Musik abzulenken. Pink legte die Rolle des Popstars erneut als Hochleistungssportlerin am Trapez an. Und Metallica, diesmal gemeinsam mit dem Pianisten Lang Lang, setzten die lang-lange Liste ihrer verunglückten Kollaborationen fort. Immerhin aber dauerte es bis zur nächsten Werbepause jeweils nur 20 Minuten!

Ein (freiwillig) bizarrer Ausreißer vom Zuschnitt einer Miley Cyrus wurde letztlich vermisst. Rührend der gemeinsame Auftritt von Paul McCartney und Ringo Starr, der auch Yoko Ono zum Tanzen brachte. Expressiv, dabei aber dennoch jugendlich-verhuscht die mit „Royals“ für den „Song des Jahres“ ausgezeichnete 17-jährige Neuseeländerin Lorde und ihr Mainstream mit Mehrwert.

Den pathosschwangeren Höhepunkt im Grammy-Sinn markierte die Trauung von 33 Paaren zu den Klängen des nicht nur als Gay-Hymne hörbaren „Same Love“ von Macklemore & Ryan Lewis – inklusive Queen Latifah und Madonna in ihren Zweitjobs als Standesbeamtin und Hochzeitssängerin. 

Ja, so ein Grammy ist harte Arbeit für alle Beteiligten. Ein Roboter müsste man sein: „Up all night to get lucky!" 

(Wiener Zeitung, 28.1.2014)

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