Erstmals seit 18
Jahren veröffentlicht Neneh Cherry ein Album unter eigenem Namen
- Mit
„Blank Project“ ist Neneh Cherry ein erstaunliches Comeback gelungen
Der
breiten Masse ist Neneh Cherry als Frau bekannt, die in den 90er Jahren sowohl
im Musikfernsehen als auch im Berieselungsradio für entspannte Autofahrten heim
von der Arbeit Mainstream mit Mehrwert bot. Auf Emotion gepolte, beim
Wiederhören für grundsätzlich gut gealtert befundene Songs wie „7 Seconds“ im
Duett mit dem senegalesischen Sänger Youssou
NʼDour, die James-Brown-Replik „Woman“ oder auch das besorgte „Manchild“ wurden
zu millionenfach verkauften Hits. Für den kommerziellen Siegeszug reichten der
in Schweden geborenen Stieftochter des US-Jazz-Trompeters Don Cherry gerade
einmal drei Alben aus, die zwischendurch auch die Anfänge des Trip-Hop
markierten.
Familien-Bande
Der 1989 von Tim Simenon mitproduzierte und wie alle
weiteren Werke Cherrys in einer Arbeitspartnerschaft mit ihrem künftigen
Ehemann Cameron McVey entstandene Erstling „Raw Like Sushi“ schloss Proto-Rap
mit Drumcomputer-Beats und Dance-Pop der Marke Madonna kurz – und gab sich
dabei durchaus angriffslustig. Das drei Jahre später veröffentlichte „Homebrew“
wurde erstmals auf Sophistication gestimmt. Es folgten die Hits des Albums
„Man“, ehe sich Neneh Cherry aber bereits 1996 aus dem Geschäft zurückzuziehen
begann, um mehr Zeit für den Nachwuchs zu haben.
Eher nebenbei kam es zu zwei zurückgelehnten Alben
des um Gäste erweiterten Familien-Projekts CirKus sowie zu sporadischen
Auftritten als Gaststimme so unterschiedlicher Namen wie Pulp, Gorillaz oder
Peter Gabriel. 2012 schließlich überraschte Neneh Cherry mit dem schwedisch-norwegischen
Jazz-Trio The Thing und dem Cover-Album „The Cherry Thing“. Darauf erinnerte
sie mit Interpretationen einschlägiger Acts wie Suicide oder The Stooges
indirekt an ihre musikalischen Wurzeln. Diese liegen nicht zuletzt in der
(feministischen) Punk-Szene Londons, der Cherry sich als junge Schulabbrecherin
anschloss. Eine Bekanntschaft mit Ari Up führte beispielsweise zu einem
Engagement für deren Debütalbum mit den Slits.
Mut
zur Lücke
Weil es der Geschichte bekanntlich obliegt, bereits
vorbei zu sein, zeigt sich Neneh Cherry auf ihrem ersten unter eigenem Namen
erscheinenden Album seit 18 Jahren aber alles andere als nostalgisch. Mit dem
besser als Four Tet bekannten Produzenten Kieran Hebden sowie dem Londoner Duo
RocketNumberNine wurden für die zehn neuen und mit dem Titel „Blank Project“
überschriebenen Songs entsprechend auch Erfüllungsgehilfen gewählt, die sich
auf der Höhe der Zeit bewegen. Gemeinsam ist während einer nur fünftägigen
Aufnahmesession ein zwar auch moderner Sound gelungen, der grundsätzlich aber
in der Zeitlosigkeit wurzelt. Mit Mut zur Lücke und nach dem Tod von Cherrys
Mutter auch als Schmerztherapie angelegt, zieht das Album ab Song Nummer eins
in seinen Sog. Dieser ist abwärts gerichtet und lässt das Licht zwischendurch
auch einmal ganz ausgehen.
Programmatisch nur mit nüchtern gesetztem Schlagwerk
und Cherrys beschwörender Stimme inszeniert, erklärt „Across The Water“ gleich
zu Beginn die tonangebenden Elemente des Albums. Zwischendurch verbreiten
elektronische Klangwolken düstere Harmonien. Weltabgewandte Beats, die zum
gedämpften Wippen im Trockeneisnebel laden, runden die Ergebnisse ab. Der
Titelsong wiederum lässt auch an Ebony Bones denken, wenn diese keine
Kostümparty feiern würde, während „Cynical“ als abstrahierter Dancehall mit
raumauslotendem Hall daherkommt und uns das bei Kraftwerk andockende
Elektronikgerüst von „Spit Three Times“ und dessen gut abgebremster
Hip-Hop-Beat vehement mit dem Kopf nicken lässt.
Gemeinsam mit der schwedischen Synthie-Chanteuse
Robyn wird mit „Out Of The Black“ schließlich der Weg aus dem Dunkel
beschworen. Der Erfolg dieses Unterfangens bleibt ungewiss – das Album selbst
wird man sich für die Jahresbestenliste allerdings schon jetzt vormerken
dürfen.
Neneh Cherry: Blank Project (Smalltown Supersound/Rough Trade)
(Wiener Zeitung, 1./2.3.2014)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen