Freitag, Februar 28, 2014

Das Licht geht aus

Erstmals seit 18 Jahren veröffentlicht Neneh Cherry ein Album unter eigenem Namen

- Mit „Blank Project“ ist Neneh Cherry ein erstaunliches Comeback gelungen 

Der breiten Masse ist Neneh Cherry als Frau bekannt, die in den 90er Jahren sowohl im Musikfernsehen als auch im Berieselungsradio für entspannte Autofahrten heim von der Arbeit Mainstream mit Mehrwert bot. Auf Emotion gepolte, beim Wiederhören für grundsätzlich gut gealtert befundene Songs wie „7 Seconds“ im Duett mit dem senegalesischen Sänger Youssou NʼDour, die James-Brown-Replik „Woman“ oder auch das besorgte „Manchild“ wurden zu millionenfach verkauften Hits. Für den kommerziellen Siegeszug reichten der in Schweden geborenen Stieftochter des US-Jazz-Trompeters Don Cherry gerade einmal drei Alben aus, die zwischendurch auch die Anfänge des Trip-Hop markierten. 

Familien-Bande 

Der 1989 von Tim Simenon mitproduzierte und wie alle weiteren Werke Cherrys in einer Arbeitspartnerschaft mit ihrem künftigen Ehemann Cameron McVey entstandene Erstling „Raw Like Sushi“ schloss Proto-Rap mit Drumcomputer-Beats und Dance-Pop der Marke Madonna kurz – und gab sich dabei durchaus angriffslustig. Das drei Jahre später veröffentlichte „Homebrew“ wurde erstmals auf Sophistication gestimmt. Es folgten die Hits des Albums „Man“, ehe sich Neneh Cherry aber bereits 1996 aus dem Geschäft zurückzuziehen begann, um mehr Zeit für den Nachwuchs zu haben.

Eher nebenbei kam es zu zwei zurückgelehnten Alben des um Gäste erweiterten Familien-Projekts CirKus sowie zu sporadischen Auftritten als Gaststimme so unterschiedlicher Namen wie Pulp, Gorillaz oder Peter Gabriel. 2012 schließlich überraschte Neneh Cherry mit dem schwedisch-norwegischen Jazz-Trio The Thing und dem Cover-Album „The Cherry Thing“. Darauf erinnerte sie mit Interpretationen einschlägiger Acts wie Suicide oder The Stooges indirekt an ihre musikalischen Wurzeln. Diese liegen nicht zuletzt in der (feministischen) Punk-Szene Londons, der Cherry sich als junge Schulabbrecherin anschloss. Eine Bekanntschaft mit Ari Up führte beispielsweise zu einem Engagement für deren Debütalbum mit den Slits. 

Mut zur Lücke 

Weil es der Geschichte bekanntlich obliegt, bereits vorbei zu sein, zeigt sich Neneh Cherry auf ihrem ersten unter eigenem Namen erscheinenden Album seit 18 Jahren aber alles andere als nostalgisch. Mit dem besser als Four Tet bekannten Produzenten Kieran Hebden sowie dem Londoner Duo RocketNumberNine wurden für die zehn neuen und mit dem Titel „Blank Project“ überschriebenen Songs entsprechend auch Erfüllungsgehilfen gewählt, die sich auf der Höhe der Zeit bewegen. Gemeinsam ist während einer nur fünftägigen Aufnahmesession ein zwar auch moderner Sound gelungen, der grundsätzlich aber in der Zeitlosigkeit wurzelt. Mit Mut zur Lücke und nach dem Tod von Cherrys Mutter auch als Schmerztherapie angelegt, zieht das Album ab Song Nummer eins in seinen Sog. Dieser ist abwärts gerichtet und lässt das Licht zwischendurch auch einmal ganz ausgehen.

Programmatisch nur mit nüchtern gesetztem Schlagwerk und Cherrys beschwörender Stimme inszeniert, erklärt „Across The Water“ gleich zu Beginn die tonangebenden Elemente des Albums. Zwischendurch verbreiten elektronische Klangwolken düstere Harmonien. Weltabgewandte Beats, die zum gedämpften Wippen im Trockeneisnebel laden, runden die Ergebnisse ab. Der Titelsong wiederum lässt auch an Ebony Bones denken, wenn diese keine Kostümparty feiern würde, während „Cynical“ als abstrahierter Dancehall mit raumauslotendem Hall daherkommt und uns das bei Kraftwerk andockende Elektronikgerüst von „Spit Three Times“ und dessen gut abgebremster Hip-Hop-Beat vehement mit dem Kopf nicken lässt.

Gemeinsam mit der schwedischen Synthie-Chanteuse Robyn wird mit „Out Of The Black“ schließlich der Weg aus dem Dunkel beschworen. Der Erfolg dieses Unterfangens bleibt ungewiss – das Album selbst wird man sich für die Jahresbestenliste allerdings schon jetzt vormerken dürfen. 

Neneh Cherry: Blank Project (Smalltown Supersound/Rough Trade) 

(Wiener Zeitung, 1./2.3.2014)

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