Loblieder der
Psychedelik: Temples aus Großbritannien und ihr Debütalbum
- Album „Sun Structures“
nach Durchbruch per Youtube
Die
vier jungen Männer sehen natürlich durchwegs schlecht aus. Schlecht im Sinne
von zu wenig Schlaf und definitiv keine Nahrungsaufnahme. Man steht auf dünnen
Beinen, trägt noble Blässe und bevorzugt einen Out-of-Bed-Look zwischen leicht
richtbaren Helm-Frisuren der Sorte Beatmusik anno 1963 und Pudelperücke – was
vor allem dann hilfreich ist, wenn man den Weg zum Lattenrost wieder einmal
doch nicht gefunden hat.
Immerhin
kann man die Nacht unter Zuhilfenahme wucki machender Substanzen auch im
Schneidersitz vor dem Shiva-Gedenkschrein verbringen und dabei die
Räucherstäbchen so lange beim Abbrennen beobachten, bis die Vogerl neben dem
Traumfänger draußen in der Baumkrone signalisieren, dass es langsam Zeit für
ein Loblied auf die Morgensonne wird. Dieses darf zu sparsamen Tabla-Rhythmen
oder dezenter Sitarbegleitung angestimmt werden, ehe das Tagwerk als
Rockmusiker auf ungleich verstärkterer Basis bestritten wird.
Ab ins Tanzcafé
Temples
aus Großbritannien – bereits der Name kommt als Ansage daher – sind mit ihrem
Debütalbum „Sun Structures“ angetreten, das mit Kollegen wie MGMT, Tame Impala,
Unknown Mortal Orchestra und etlichen anderen mehr seit Jahren grassierende
Psychedelik-Revival mit Nachschub zu versorgen. Dabei ging man durchaus (zu)
zügig vor. Als die Band nach eigenverantworteter Veröffentlichung erster Songs
per Youtube von der Musikindustrie entdeckt wurde, hatte sie sich nämlich weder
als feste Arbeitsgemeinschaft zusammengerauft, noch war jemals ein Live-Konzert
absolviert worden. Mit einem Plattenvertrag in der Tasche sollte sich das
mindestens ebenso rasch aber ändern. Die Erwartungshaltung an Sänger James Edward Bagshaw, den Mann
mit dem Pudel über der Stirn, und seine drei Kollegen an Gitarre, Bass und
Schlagzeug stieg schließlich, als erste namhafte Musiker sich als frühe Fans
der dienstjungen Kapelle bekannten. Neben Johnny Marr wurde vor allem auch Noel
Gallagher mit einem diesbezüglichen Outing und öffentlichen
Unterstützungserklärungen vorstellig. Diesem dürften vermutlich die Britpop-Einflüsse
der Band besonders gefallen haben. Ja, an der einen oder anderen Stelle wird
bemerkbar, dass das Quartett seinerzeit auch Oasis gehört hat – anders als die
Gebrüder Gallagher aber nicht zu fassweise geleertem Guinness-Bier, Nasenschnee
und zünftigen Schlägereien unter Männern, sondern zu narrischen Schwammerln und
Vergnügungen mit den Damen vom Tanzcafé neigt.
Happy Pills
Im
Vordergrund stehen auf den zwölf Songs des Debüts aber Harmonien, wie man sie
von den Byrds oder den Beatles her kennt. Diese sorgen dafür, dass sich die
Ergebnisse stets am Song orientieren und dabei nicht ganz so gaga ausfallen,
wie man es aufgrund der Stoßrichtung vermuten könnte. Wir hören stampfende, mit
viel Hall belegte und zweitweise auch vom Krautrock beeinflusste (Midtempo-)Beats,
mäandernde Gitarren-Melodien, mächtige wie mächtig den Ton angebende
Bassmotive, zuarbeitende Orgelakkorde und mitunter auch schamanisch gestimmte
Gruppengesänge – sowie zirpende Outer-Space-Harfen und einen Hauch von Glam und
Westküstenfolk. Bei „Sand Dance“ wiederum wird in den fernen Osten geschweift,
wo über das einst auch von Klaus Eberhartinger und seiner EAV besungene
Dromedara in der tiefen Sahara ein harmonisch zweifelhafter Ohrwurm lauert.
Einen
Song wie „Mesmerise“ – zweifelsohne der Hit des Albums – muss man allerdings
erst einmal schreiben. Happy Pills auf musikalischer Basis, für die es weder
einen Arzt noch einen Apotheker braucht. Der Gong sei
mit euch!
Temples:
Sun Structures (Heavenly/PIAS Cooperative)
(Wiener Zeitung, 14.2.2014)
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