Donnerstag, Februar 13, 2014

Ein Pudel im Prisma

Loblieder der Psychedelik: Temples aus Großbritannien und ihr Debütalbum

 - Album Sun Structures“ nach Durchbruch per Youtube 

Die vier jungen Männer sehen natürlich durchwegs schlecht aus. Schlecht im Sinne von zu wenig Schlaf und definitiv keine Nahrungsaufnahme. Man steht auf dünnen Beinen, trägt noble Blässe und bevorzugt einen Out-of-Bed-Look zwischen leicht richtbaren Helm-Frisuren der Sorte Beatmusik anno 1963 und Pudelperücke – was vor allem dann hilfreich ist, wenn man den Weg zum Lattenrost wieder einmal doch nicht gefunden hat.

Immerhin kann man die Nacht unter Zuhilfenahme wucki machender Substanzen auch im Schneidersitz vor dem Shiva-Gedenkschrein verbringen und dabei die Räucherstäbchen so lange beim Abbrennen beobachten, bis die Vogerl neben dem Traumfänger draußen in der Baumkrone signalisieren, dass es langsam Zeit für ein Loblied auf die Morgensonne wird. Dieses darf zu sparsamen Tabla-Rhythmen oder dezenter Sitarbegleitung angestimmt werden, ehe das Tagwerk als Rockmusiker auf ungleich verstärkterer Basis bestritten wird. 

Ab ins Tanzcafé 

Temples aus Großbritannien – bereits der Name kommt als Ansage daher – sind mit ihrem Debütalbum „Sun Structures“ angetreten, das mit Kollegen wie MGMT, Tame Impala, Unknown Mortal Orchestra und etlichen anderen mehr seit Jahren grassierende Psychedelik-Revival mit Nachschub zu versorgen. Dabei ging man durchaus (zu) zügig vor. Als die Band nach eigenverantworteter Veröffentlichung erster Songs per Youtube von der Musikindustrie entdeckt wurde, hatte sie sich nämlich weder als feste Arbeitsgemeinschaft zusammengerauft, noch war jemals ein Live-Konzert absolviert worden. Mit einem Plattenvertrag in der Tasche sollte sich das mindestens ebenso rasch aber ändern. Die Erwartungshaltung an Sänger James Edward Bagshaw, den Mann mit dem Pudel über der Stirn, und seine drei Kollegen an Gitarre, Bass und Schlagzeug stieg schließlich, als erste namhafte Musiker sich als frühe Fans der dienstjungen Kapelle bekannten. Neben Johnny Marr wurde vor allem auch Noel Gallagher mit einem diesbezüglichen Outing und öffentlichen Unterstützungserklärungen vorstellig. Diesem dürften vermutlich die Britpop-Einflüsse der Band besonders gefallen haben. Ja, an der einen oder anderen Stelle wird bemerkbar, dass das Quartett seinerzeit auch Oasis gehört hat – anders als die Gebrüder Gallagher aber nicht zu fassweise geleertem Guinness-Bier, Nasenschnee und zünftigen Schlägereien unter Männern, sondern zu narrischen Schwammerln und Vergnügungen mit den Damen vom Tanzcafé neigt. 

Happy Pills 

Im Vordergrund stehen auf den zwölf Songs des Debüts aber Harmonien, wie man sie von den Byrds oder den Beatles her kennt. Diese sorgen dafür, dass sich die Ergebnisse stets am Song orientieren und dabei nicht ganz so gaga ausfallen, wie man es aufgrund der Stoßrichtung vermuten könnte. Wir hören stampfende, mit viel Hall belegte und zweitweise auch vom Krautrock beeinflusste (Midtempo-)Beats, mäandernde Gitarren-Melodien, mächtige wie mächtig den Ton angebende Bassmotive, zuarbeitende Orgelakkorde und mitunter auch schamanisch gestimmte Gruppengesänge – sowie zirpende Outer-Space-Harfen und einen Hauch von Glam und Westküstenfolk. Bei „Sand Dance“ wiederum wird in den fernen Osten geschweift, wo über das einst auch von Klaus Eberhartinger und seiner EAV besungene Dromedara in der tiefen Sahara ein harmonisch zweifelhafter Ohrwurm lauert.

Einen Song wie „Mesmerise“ – zweifelsohne der Hit des Albums – muss man allerdings erst einmal schreiben. Happy Pills auf musikalischer Basis, für die es weder einen Arzt noch einen Apotheker braucht. Der Gong sei mit euch! 

Temples: Sun Structures (Heavenly/PIAS Cooperative) 

(Wiener Zeitung, 14.2.2014)

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