Sechs
Jahre nach seinem letzten Album kehrt Pop-Eklektiker Beck ins Geschäft zurück
- Album
„Morning Phase“ als dezidiertes Songwriter-Werk
In
den letzten sechs Jahren war es etwas still um den Mann. Dabei verbrachte Bek David Campbell, der Welt seit
seinem Durchbruch mit dem Slacker-Manifest „Loser“ vor mittlerweile gut zwei
Dekaden als Beck bekannt, die Zeit keineswegs untätig – nach der
Veröffentlichung des Albums „Modern Guilt“ im Jahre 2008 wurde nur eine
Karriere abseits des Rampenlichts als zur Abwechslung auch nicht schlecht befunden.
Urlaubmachen vom Popstarsein. Das Ego einrexen und nach hinten ins Kastl!
Beck
produzierte seither nicht nur die Werke musikalisch Verbündeter wie Charlotte
Gainsbourg, Thurston Moore oder Stephen Malkmus – er kam auch auf die im Grunde
fantastische Idee, zwar ein neues Album zu schreiben, dieses aber keinesfalls
einzuspielen. Das sollte die interessierte Weltöffentlichkeit selbst
übernehmen, der Beck lediglich Partituren der Songs zur Verfügung stellte.
Erschwertes Comeback
Zudem
leistete sich der heute 43-jährige Sänger, Songwriter, Produzent und
Multiinstrumentalist mit seinem Record Club das Hobby, mit wechselnden
prominenten Mitmusikern historische Albumklassiker in jeweils eintägigen Sessions
zu interpretieren und sie ausschließlich über seine Homepage zu verbreiten. Das
war gratis, aber nicht umsonst.
Zuletzt
erschwerten ernsthafte Rückenprobleme das Comeback Becks als Solokünstler, das
heuer noch im großen Stil über die Bühne geht. Schließlich wird auf einem noch
titellosen und mit Gästen wie Pharrell Williams eingespielten Album an die
eigentliche Kunst des US-Amerikaners erinnert: Man nehme eine kaputte Gitarre,
kombiniere Lo-Fi-Ästhetik, eingängige Pop-Hooks und die ironischen Textierungen
eines Schelms mit so ziemlich allen Genres zwischen Indie, Hip-Hop, Funkytime, Grenzland-Folk
und Gameboy-Klingeling. Ehe es aber wieder soweit ist, erscheint mit „Morning
Phase“ am kommenden Freitag zunächst ein weiteres Werk, mit dem sich Beck als Leidensmann
und ernstzunehmende Songwriting-Größe in Erinnerung bringt. Als solche etablierte
sich der bekennende Scientologe vor zwölf Jahren mit der autobiografisch von
einer gescheiterten Beziehung ermöglichten Herzschmerzballaden-Sammlung „Sea
Change“ an der Wandergitarre.
Mit
bis ins Jahr 2005 zurückdatierenden Songs, die Beck für ein dann doch nicht
zustande gekommenes „Nashville“-Album verwenden wollte, wird es also gefühlig.
Passend zur gedämpften Grundstimmung des Materials durfte Becks Vater
persönlich die Streicherarrangements komponieren. Diese allein bestimmen dann
etwa auch einen bereits vorab ausgekoppelten Song namens „Wave“, der als um
ätherischen Gesang erweiterte Elegie zu einer Art „All Is Lost“-Analogie hochbrandet
– wobei der Mayday-Ruf hier als eindringliches „Isolation!“ aus dem Innersten
der Künstlerseele schallt.
Grundsätzlich
legt Beck während einer knappen Dreiviertelstunde aber viel Wert auf die Leerstellen.
Mit Schlichtheit statt Schwulst wird das Geschehen über weite Strecken von nur
wenigen Tonspuren bestimmt. Das Glockenspiel zerreißt die Stille mit einer lieblichen
Melodie. Eine Steel-Gitarre heult zur Sperrstunde an der Trucker-Bar auf. Man
ist weinerlich und hat kein Problem, es auch zuzugeben. Das Leben tut weh.
In
den folknäheren Stücken dockt Beck nicht zuletzt bei Neil Young an – man höre
das entsprechend auch mit Mundharmonika auffahrende „Country Down“ –, während „Turn Away“ wiederum nicht
zu gering simonandgarfunkelt. Andächtig vorgetragene Stoßseufzer fahren mit
zartem Streicherschmelz himmelwärts. Näher,
mein Gott, zu ihr: „Can we start it all over again this morning? / I lost all
my defenses this morning / Wonʼt you show me the way it used to be?“
Ganz
außen vor kann der Kitsch dabei nicht bleiben. Trotzdem – oder vielleicht gerade
auch deshalb – ist Beck mit „Morning Phase“ ein überzeugendes Comeback-Album
gelungen.
Beck: Morning
Phase (Universal)
(Wiener Zeitung, 22./23.2.2014)
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