Samstag, Februar 22, 2014

Ein Schelm macht Ernst

Sechs Jahre nach seinem letzten Album kehrt Pop-Eklektiker Beck ins Geschäft zurück 

- Album „Morning Phase“ als dezidiertes Songwriter-Werk 

In den letzten sechs Jahren war es etwas still um den Mann. Dabei verbrachte Bek David Campbell, der Welt seit seinem Durchbruch mit dem Slacker-Manifest „Loser“ vor mittlerweile gut zwei Dekaden als Beck bekannt, die Zeit keineswegs untätig – nach der Veröffentlichung des Albums „Modern Guilt“ im Jahre 2008 wurde nur eine Karriere abseits des Rampenlichts als zur Abwechslung auch nicht schlecht befunden. Urlaubmachen vom Popstarsein. Das Ego einrexen und nach hinten ins Kastl!

Beck produzierte seither nicht nur die Werke musikalisch Verbündeter wie Charlotte Gainsbourg, Thurston Moore oder Stephen Malkmus – er kam auch auf die im Grunde fantastische Idee, zwar ein neues Album zu schreiben, dieses aber keinesfalls einzuspielen. Das sollte die interessierte Weltöffentlichkeit selbst übernehmen, der Beck lediglich Partituren der Songs zur Verfügung stellte. 

Erschwertes Comeback

Zudem leistete sich der heute 43-jährige Sänger, Songwriter, Produzent und Multiinstrumentalist mit seinem Record Club das Hobby, mit wechselnden prominenten Mitmusikern historische Albumklassiker in jeweils eintägigen Sessions zu interpretieren und sie ausschließlich über seine Homepage zu verbreiten. Das war gratis, aber nicht umsonst.

Zuletzt erschwerten ernsthafte Rückenprobleme das Comeback Becks als Solokünstler, das heuer noch im großen Stil über die Bühne geht. Schließlich wird auf einem noch titellosen und mit Gästen wie Pharrell Williams eingespielten Album an die eigentliche Kunst des US-Amerikaners erinnert: Man nehme eine kaputte Gitarre, kombiniere Lo-Fi-Ästhetik, eingängige Pop-Hooks und die ironischen Textierungen eines Schelms mit so ziemlich allen Genres zwischen Indie, Hip-Hop, Funkytime, Grenzland-Folk und Gameboy-Klingeling. Ehe es aber wieder soweit ist, erscheint mit „Morning Phase“ am kommenden Freitag zunächst ein weiteres Werk, mit dem sich Beck als Leidensmann und ernstzunehmende Songwriting-Größe in Erinnerung bringt. Als solche etablierte sich der bekennende Scientologe vor zwölf Jahren mit der autobiografisch von einer gescheiterten Beziehung ermöglichten Herzschmerzballaden-Sammlung „Sea Change“ an der Wandergitarre. 

Mit bis ins Jahr 2005 zurückdatierenden Songs, die Beck für ein dann doch nicht zustande gekommenes „Nashville“-Album verwenden wollte, wird es also gefühlig. Passend zur gedämpften Grundstimmung des Materials durfte Becks Vater persönlich die Streicherarrangements komponieren. Diese allein bestimmen dann etwa auch einen bereits vorab ausgekoppelten Song namens „Wave“, der als um ätherischen Gesang erweiterte Elegie zu einer Art „All Is Lost“-Analogie hochbrandet – wobei der Mayday-Ruf hier als eindringliches „Isolation!“ aus dem Innersten der Künstlerseele schallt.

Grundsätzlich legt Beck während einer knappen Dreiviertelstunde aber viel Wert auf die Leerstellen. Mit Schlichtheit statt Schwulst wird das Geschehen über weite Strecken von nur wenigen Tonspuren bestimmt. Das Glockenspiel zerreißt die Stille mit einer lieblichen Melodie. Eine Steel-Gitarre heult zur Sperrstunde an der Trucker-Bar auf. Man ist weinerlich und hat kein Problem, es auch zuzugeben. Das Leben tut weh.

In den folknäheren Stücken dockt Beck nicht zuletzt bei Neil Young an – man höre das entsprechend auch mit Mundharmonika auffahrende „Country  Down“ –, während „Turn Away“ wiederum nicht zu gering simonandgarfunkelt. Andächtig vorgetragene Stoßseufzer fahren mit zartem Streicherschmelz himmelwärts. Näher, mein Gott, zu ihr: „Can we start it all over again this morning? / I lost all my defenses this morning / Wonʼt you show me the way it used to be?“ 

Ganz außen vor kann der Kitsch dabei nicht bleiben. Trotzdem – oder vielleicht gerade auch deshalb – ist Beck mit „Morning Phase“ ein überzeugendes Comeback-Album gelungen. 

Beck: Morning Phase (Universal) 

(Wiener Zeitung, 22./23.2.2014)

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