Samstag, Februar 15, 2014

Pop und Popo

Schall & Rauch 

Mit Bestwertungen wie Platz 27 in den australischen, Platz 61 in den russischen oder Platz 28 in den US-Billboard Charts war dieser Song nur unwesentlich besser positioniert, als etwa ein rhythmischer Sportgymnast es mit Blech bei den Olympischen Spielen wäre – oder ein Eisstockschützenverein beim Einzug in die Regionalliga Simmering Süd. Das ist insofern bemerkenswert, als die Interpretinnen von „Can’t Remember To Forget You“ ansonsten durchaus verlässlich große Verkaufs-Erfolge erzielen. Schließlich gelten die hier aus markstrategischen Überlegungen zwangsverpartnerten Latino-Schlager- und Porno-Pop-Chanteusen Shakira und Rihanna sowohl als Schutzheilige der Formatradio-Zunft als auch als Rettungsschirme über der Weltwirtschaftslage. Ja, im Gegensatz zu kriselnden ehemaligen Kapitalakkumulations-Branchen ohne Produkt, aber mit Postkasten, kann ein oberes Promille an Pop-Unterhaltern heute noch durchaus sicher für Wertschöpfung sorgen.

Leider aber hat man mit „Can’t Remember To Forget You“ ein zwischen Reggae-Einschlag und dramatischen Stromrockakkorden eher uninspiriertes Stück Musik eingespielt, das auch für handelsübliche Ö3-Stangenware etwas zu sehr nach Einheitsbrei klingt. Mit mehr als 102 Millionen Klicks, die das nachgereichte dazugehörige Musikvideo auf Youtube in der Zwischenzeit vorweisen kann, wurde vorerst aber in Sachen Aufmerksamkeits-Ökonomie massig Zaster lukriert – wobei diese wundersame Vermehrung auf einen klassischen Schwund zurückgeht, der sich im textilen Bereich beobachten lässt und auch die Charts-Platzierungen noch sanft aufbessern konnte.

Zweifelsohne weist dieses mit Shakira und Rihanna in rolligen Rollen besetzte Kammerstück seine Protagonistinnen als geeignet aus, wenn es um die Repräsentation der „Woki mit deim Popo“-Universität geht, die man einst mit Diplomarbeiten zu den Themen „Hüften Lügen nicht“ und „Partymachen im Spielhoserl“ abschließen durfte. Letztlich wird man sich in vom Kameramann bevorzugt von oben herab gefilmten Bildern gemeinsam im Bett liegend dicke Zigarren anstecken – man beachte den Symbolgehalt. Aber wer weiß, vielleicht dürfen Rihanna und Shakira noch nach dem Vorbild einer Christina Aguilera argumentieren, die ähnliche Inszenierungen auf kritische Fragen rückwirkend als natürlich krass feministisch interpretierte.

Was lernen wir daraus? Erstens: Dem Publikum ist das alles egal. Zweitens: Sex beschert einem nicht einmal mittelmäßigen Produkt nach wie vor treffsicher mehr Öffentlichkeit. Drittens: Nein, liebe Wildecker Herzbuben … bitte denkt trotzdem erst gar nicht daran! 

(Wiener Zeitung, 15./16.2.2014)

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