Schall &
Rauch
Mit
Bestwertungen wie Platz 27 in den australischen, Platz 61 in den russischen
oder Platz 28 in den US-Billboard Charts war dieser Song nur unwesentlich
besser positioniert, als etwa ein rhythmischer Sportgymnast es mit Blech bei
den Olympischen Spielen wäre – oder ein Eisstockschützenverein beim Einzug in
die Regionalliga Simmering Süd. Das
ist insofern bemerkenswert, als die Interpretinnen von „Can’t Remember To
Forget You“ ansonsten durchaus verlässlich große Verkaufs-Erfolge erzielen.
Schließlich gelten die hier aus markstrategischen Überlegungen
zwangsverpartnerten Latino-Schlager- und Porno-Pop-Chanteusen Shakira und
Rihanna sowohl als Schutzheilige der Formatradio-Zunft als auch als
Rettungsschirme über der Weltwirtschaftslage. Ja, im Gegensatz zu kriselnden
ehemaligen Kapitalakkumulations-Branchen ohne Produkt, aber mit Postkasten,
kann ein oberes Promille an Pop-Unterhaltern heute noch durchaus sicher für
Wertschöpfung sorgen.
Leider
aber hat man mit „Can’t Remember To Forget You“ ein zwischen Reggae-Einschlag
und dramatischen Stromrockakkorden eher uninspiriertes Stück Musik eingespielt,
das auch für handelsübliche Ö3-Stangenware etwas zu sehr nach Einheitsbrei
klingt. Mit mehr als 102 Millionen Klicks, die das nachgereichte dazugehörige
Musikvideo auf Youtube in der Zwischenzeit vorweisen kann, wurde vorerst aber
in Sachen Aufmerksamkeits-Ökonomie massig Zaster lukriert – wobei diese
wundersame Vermehrung auf einen klassischen Schwund zurückgeht, der sich im
textilen Bereich beobachten lässt und auch die Charts-Platzierungen noch sanft
aufbessern konnte.
Zweifelsohne
weist dieses mit Shakira und Rihanna in rolligen Rollen besetzte Kammerstück
seine Protagonistinnen als geeignet aus, wenn es um die Repräsentation der „Woki
mit deim Popo“-Universität geht, die man einst mit Diplomarbeiten zu den Themen
„Hüften Lügen nicht“ und „Partymachen im Spielhoserl“ abschließen durfte.
Letztlich wird man sich in vom Kameramann bevorzugt von oben herab gefilmten
Bildern gemeinsam im Bett liegend dicke Zigarren anstecken – man beachte den
Symbolgehalt. Aber wer weiß, vielleicht dürfen Rihanna und Shakira noch nach
dem Vorbild einer Christina Aguilera argumentieren, die ähnliche Inszenierungen
auf kritische Fragen rückwirkend als natürlich krass feministisch
interpretierte.
Was
lernen wir daraus? Erstens: Dem Publikum ist das alles egal. Zweitens: Sex
beschert einem nicht einmal mittelmäßigen Produkt nach wie vor treffsicher mehr
Öffentlichkeit. Drittens: Nein, liebe Wildecker Herzbuben … bitte denkt
trotzdem erst gar nicht daran!
(Wiener Zeitung, 15./16.2.2014)
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