Freitag, März 21, 2014

Der Astronaut mit dem vielen Gefühl

James Blunt, Schmusesänger und Formatradio-Held, beglückte sein Wiener Konzertpublikum 

Den Anfang macht ein Raketenstart. Zu entsprechenden Superzeitlupen-Bildern auf der Videowall beginnt in der Wiener Stadthalle auch der Boden zu beben. Feuer züngelt hoch. Mit mächtig Schub geht es ab in den Orbit. Nach Eintritt in die den Heimatplaneten umgebende Umlaufbahn setzt sich die Reise zwischen Space-Night-Ästhetik, Georges Méliès, dem Mann im Mond und Satelliten, die uns auf die Schuhe starren, astralzentriert fort.

Und – bei den Ringen des Saturn! –, James Blunt und seine Band betreten die Bühne im Astronautenanzug. Das hat zwar damit zu tun, dass das live vorzustellende Album den Titel „Moon Landing“ trägt. Die daraus gegebenen Songs allerdings konzentrieren sich ganz auf das irdische Treiben und lassen den staunenden Beobachter hinsichtlich der dünnen Luft hoch droben im All und womöglich auch knapp über uns auf der Bühne immerhin so assoziieren, dass Outer-Space-Missionen zu erhöhter Raumfahrer-Melancholie und zu einem Gefühl des Verlorenseins führen. Holt mich hier raus. Und bringt mich nach Hause!

Das wiederum passt gut zu James Blunt, dessen Kunst nicht zu selten den Herzbruch beklagt – wobei sich der kritische Fremdkörper im begeisterten Publikum während schmerzhaft-wehleidiger Kuschelrockhits wie „You’re Beautiful“ und angerührter Klavierballaden wie „Sun On Sunday“ wie eine fehlprogrammierte Flugkapsel bei Ankunft auf dem falschen Planeten fühlt. Wo bin ich jetzt wieder gelandet? Und was mache ich hier? 

Ein Himmelsritt 

Andererseits gibt es natürlich auch jenen Teil im Schaffen des Barden, der das Publikum über die frohe Botschaft begeistert. In einem solchen Fall bringt James Blunt von seinem Himmelsritt immer auch die Liebe mit. Es geht dann ums Heiraten und um das Gefühl, morgens glücklich aufzuwachen und in die Sonne zu schauen. Die Sonne ist natürlich gar nicht die Sonne, wie man sie in ihrer Rolle als gelbe Sau kennt, sondern eine Metapher für die Frau vom Altar. James Blunt und seine Fans sind in einem solchen Moment „High“. Man erinnert den gleichnamigen Song und seinen uns schmusig machenden Refrain von Autofahrten mit eingestelltem Formatradio oder von der Supermarktbeschallung vor dem Regal mit dem Weichspüler drin. Sein Talent als Songwriter beweist Blunt live aber vor allem mit auf Weinerlichkeit und zu glatte Arrangements verzichtendem Midtempo-Pop. Gegen Songs wie „1973“ oder „These Are The Words“ ist nur dann etwas einzuwenden, wenn Blunt mit abgestreckter Gitarre versucht, den Rocker zu mimen. Das geht nicht gut. 

Nach näher an Coldplay stehenden Weltumarmungssongs wie „I’ll Take Everything“ oder der vor wehender US-Flagge – wir haben ein Problem! – gereichten Whitney-Houston-Gedenk-Hymne „Miss America“ wird mit „Postcards“ auch noch beschwingter Westküstenpop mit Surfer-Feeling gegeben, dessen Ukulele an Hans Krankl denken lässt. Wiener Zucker, irgendwo über dem Regenbogen, Liebe mit „L“ wie in „Meidling“ – oder „Frühling“, dem Blunt als Astronaut mit dem vielen Gefühl an diesem Abend beim Erwachen hilft. Das ist toll. Nur ein Düsenantrieb für die U6 wäre im Anschluss noch hilfreich gewesen.

(Wiener Zeitung, 22./23.3.2014)

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