James
Blunt, Schmusesänger und Formatradio-Held, beglückte sein Wiener
Konzertpublikum
Den
Anfang macht ein Raketenstart. Zu entsprechenden Superzeitlupen-Bildern auf der
Videowall beginnt in der Wiener Stadthalle auch der Boden zu beben. Feuer züngelt
hoch. Mit mächtig Schub geht es ab in den Orbit. Nach Eintritt in die den
Heimatplaneten umgebende Umlaufbahn setzt sich die Reise zwischen Space-Night-Ästhetik,
Georges Méliès, dem Mann im Mond und Satelliten, die uns auf die Schuhe
starren, astralzentriert fort.
Und
– bei den Ringen des Saturn! –, James Blunt und seine Band betreten die Bühne
im Astronautenanzug. Das hat zwar damit zu tun, dass das live vorzustellende
Album den Titel „Moon Landing“ trägt. Die daraus gegebenen Songs allerdings
konzentrieren sich ganz auf das irdische Treiben und lassen den staunenden
Beobachter hinsichtlich der dünnen Luft hoch droben im All und womöglich auch
knapp über uns auf der Bühne immerhin so assoziieren, dass
Outer-Space-Missionen zu erhöhter Raumfahrer-Melancholie und zu einem Gefühl
des Verlorenseins führen. Holt mich hier raus. Und bringt mich nach Hause!
Das
wiederum passt gut zu James Blunt, dessen Kunst nicht zu selten den Herzbruch
beklagt – wobei sich der kritische Fremdkörper im begeisterten Publikum während
schmerzhaft-wehleidiger Kuschelrockhits wie „You’re Beautiful“ und angerührter
Klavierballaden wie „Sun On Sunday“ wie eine fehlprogrammierte Flugkapsel bei
Ankunft auf dem falschen Planeten fühlt. Wo bin ich jetzt wieder gelandet? Und
was mache ich hier?
Ein Himmelsritt
Andererseits
gibt es natürlich auch jenen Teil im Schaffen des Barden, der das Publikum über
die frohe Botschaft begeistert. In einem solchen Fall bringt James Blunt von
seinem Himmelsritt immer auch die Liebe mit. Es geht dann ums Heiraten und um
das Gefühl, morgens glücklich aufzuwachen und in die Sonne zu schauen. Die Sonne
ist natürlich gar nicht die Sonne, wie man sie in ihrer Rolle als gelbe Sau
kennt, sondern eine Metapher für die Frau vom Altar. James Blunt und seine Fans
sind in einem solchen Moment „High“. Man erinnert den gleichnamigen Song und
seinen uns schmusig machenden Refrain von Autofahrten mit eingestelltem
Formatradio oder von der Supermarktbeschallung vor dem Regal mit dem
Weichspüler drin. Sein Talent als Songwriter beweist Blunt live aber vor allem
mit auf Weinerlichkeit und zu glatte Arrangements verzichtendem Midtempo-Pop.
Gegen Songs wie „1973“ oder „These Are The Words“ ist nur dann etwas
einzuwenden, wenn Blunt mit abgestreckter Gitarre versucht, den Rocker zu
mimen. Das geht nicht gut.
Nach näher an Coldplay stehenden
Weltumarmungssongs wie „I’ll Take Everything“ oder der vor wehender US-Flagge –
wir haben ein Problem! – gereichten Whitney-Houston-Gedenk-Hymne „Miss America“
wird mit „Postcards“ auch noch beschwingter Westküstenpop mit Surfer-Feeling
gegeben, dessen Ukulele an Hans Krankl denken lässt. Wiener Zucker, irgendwo
über dem Regenbogen, Liebe mit „L“ wie in „Meidling“ – oder „Frühling“, dem
Blunt als Astronaut mit dem vielen Gefühl an diesem Abend beim Erwachen hilft.
Das ist toll. Nur ein Düsenantrieb für die U6 wäre im Anschluss noch hilfreich
gewesen.
(Wiener Zeitung, 22./23.3.2014)
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