- Mit „Girl“ erscheint das zweite Solo-Album des US-Musikers
Dick im Geschäft ist der Mann seit mittlerweile zwei Jahrzehnten. Dass eine breitere Öffentlichkeit, die Musik vor allem als Unterbrechung des Verkehrsfunks wahrnimmt, erst seit kurzem aber auch den Namen Pharrell Williams kennt, ist vor diesem Hintergrund zwar seltsam, doch steht es nicht nur so geschrieben.
Ein Grund dafür, dass man also auch als poptechnisch nicht zwingend interessierter Autofahrer reichlich von Pharrell Williams gehört haben dürfte, ohne davon zu wissen, liegt in der langjährigen Tätigkeit des US-Musikers als ausführendes Organ. Immerhin schloss der heute 40-Jährige im Verbund mit seiner Band N.E.R.D anfangs nicht nur Hip-Hop, Funk und Stromrockgitarren kurz, er beförderte mit seinem Kreativpartner Chad Hugo als Produzentenduo The Neptunes auch eine Heerschar an einschlägigen Namen in Richtung Nummer eins. Nach Jay-Z, Kelis oder Nelly galt es auch, als Plastik-Chanteuse und Boygroup-Bubi gebrandmarkten Mainstream-Größen wie Britney Spears oder Justin Timberlake die nötige Lässigkeit einzuimpfen. Das ging so gut, dass 2008 und mit etlicher Verspätung auch Trendstaubsaugerin Madonna auf die Neptunes zurückgriff, als sie ihr Album „Hard Candy“ aufnahm.
Ein erster Durchgang Pharrell Williamsʼ als Solokünstler wurde mit dem Album „In My Mind“ 2006 vergleichsweise zum Flop. Der Triumpf des nun vorliegenden Zweitlings hingegen schien vorprogrammiert. Immerhin zeichnet sich eine erneute Erfolgswelle ab, seit die Kollaboration mit den ehemaligen Roboterfuturisten Daft Punk in ihrer Rolle als Disco-Wiedergänger und der gemeinsame Sommerhit „Get Lucky“ im Vorjahr die Popwelt eroberten. Parallel dazu landeten auch Produktionsarbeiten für Beyoncé, Aloe Blacc und Miley Cyrus in den Charts, während die mit Robin Thicke aufgenommene Single „Blurred Lines“ zwar kommerziell reüssierte, für seine als frauenfeindlich wahrgenommene Aussage aber auf erheblichen Widerstand stieß.
Feel-good-Sound
Mit den Songs seines nun programmatisch „Girl“ betitelten zweiten Streichs will ein sich missverstanden fühlender Pharrell Williams die Verhältnisse zurechtrücken und nichts weniger als eine Hommage an die Damenwelt liefern. Dabei hört man zärtliche Bekenntnisse, die ein rolliger Rapper im Radikalfalsett raunt, ebenso wie nur als „naughty“ zu bezeichnende Testosteronschübe, die Bilder wie jene des liebestollen Mannes als Lumpi auf der Pirsch („Hunter“) doch nicht ganz sein lassen können. Unter Beigabe des nötigen Prince-Feelings ist es ins Schlafzimmer dann immer nur einen gesampelten Stoßseufzer weit: „Do you wanna get dirty, girl?“
Als musikalischen Nährboden hat sich Pharrell Williams für einen durchgehenden Feel-good-Sound auf R&B-Basis entschieden, der mit slicken Funkgitarren und elektronischen Bässen zum Kopfnicken auf das Lounge-Sofa oder zum Booty-Shaken auf den Dancefloor lädt. Auch die Freunde von Daft Punk schauen vorbei und erfreuen bei „Gust Of Wind“ mit Vocoder-Gesängen aus dem Vollvisierhelm. Gemeinsam mit Miley Cyrus wird das quengelige „Come Get It Bae“ gegeben. Toll vor allem die gleichermaßen geschult-kluge wie dabei verspielt-genussvolle Produktionsarbeit, die etwa den groovenden Dub-Reggae von „Know Who You Are“ im Duett mit Alicia Keys an den Albumsound adaptiert – und zwingender wirkt als die meisten Songs selbst.
Mit dem Hit des Albums ist Pharrell Williams allerdings das Kunststück gelungen, ein trotz Dauerbeschallung per Mahü-Fetzntandler und Klingeling-Klingelton gefälliges Stück Gute-Laune-Pop zu schreiben: „Happy“ zaubert auch dem zur Miselsucht neigenden Misanthropen in uns ein Lächeln ins Gesicht. Das ist im Normalfall nicht wenig – und an einem schlechten Tag sogar ziemlich viel.
Pharrell Williams: Girl (Sony Music)
(Wiener Zeitung, 6.3.2014)
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