Mittwoch, April 16, 2014

„Blitzkrieg“ auf doppeltem Boden

Widerstand zwecklos – und zu spät: Laibach in der Wiener Arena 

Am Merchandising-Stand werden neben handelsüblichen Waren wie prototypisch mit dem Malewitsch-Kreuz versehene Band-T-Shirts und Teile des Werkkatalogs auch an Devotionalien totalitärer Regimes gemahnende Orden feilgeboten. Die Band selbst erlaubt es sich, vor Schwarz-Weiß-Aufnahmen sich beratender Reichsoberschergen und stramm aufmarschierender Heerestruppen zu konzertieren, während Sängerin Mina Špiler im flotten Führerlook weniger vor einem Keyboard als vielmehr vor einem Rednerpult steht, von dem herab es auf die Konzertmasse einzuwirken gilt. Mastermind Milan Fras, der Mann mit dem Emblem über der Stirn, folgt ihr mit betont ost-akzentuiertem Bariton treu. Habt Acht – und jawoll: „Do not fight against us! Resistance is futile! We are Laibach! And you will be assimilated with Blitzkrieg!“ 

Einschlägige Symbolik 

Publikumsseitig wiederum hält sich die Gefahr weitgehend in Grenzen, es trotz partiellen Kostümauflaufs mit Menschen zu tun zu haben, die das Konzept nicht verstehen. Anders als in den 80er Jahren, als Konzertbesucher aus dem rechten Eck eine Folge der auf Provokation durch einschlägige Symbolik sowie auf eindeutige Uneindeutigkeit setzenden Arbeitsweise Laibachs waren, versammelt sich heute eine alteingesessene Stammklientel mit dem Nachwuchs von der Kunst-Uni und den reflektiert tanzenden Pop-Aficionados von hinten neben der Bar. Im Kollektiv wird so ein Gesamtkunstwerk bestaunt, das einst im – auf Österreichisch gesagt – Dritten Lager vermutet oder gleichzeitig (!) als kommunistisch missverstanden wurde. Kurz, es war selbst dann Verwirrung angesagt, wenn Laibach mit radikalen Aneignungen unterschwellige Faschismen wie etwa jene des Stadionrock als Massenphänomen freizulegen gedachten. Als diesbezüglicher Klassiker demaskierte ein Cover des Queen-Songs „One Vision“ entsprechende Formalismen mit einer beinahe wörtlichen Übersetzung. Bei Laibach klang das unter dem Titel „Geburt einer Nation“ dann so: „Ein Mensch, ein Ziel und eine Weisung. Ein Herz, ein Geist, nur eine Lösung. Ein Ruf, ein Traum, ein starker Wille. Gebt mir ein Leitbild!“ 

In der Wiener Arena konzentriert sich der live zu fünft agierende musikalische Seitenarm des Kunstkollektivs Neue Slowenische Kunst (NSK) zunächst auf sein aktuelles Album „Spectre“. Wir hören von der Kritik unterschätzte Demonstrationen einer Hinwendung zum elektronischen Popsong, der sich mit Gewehrsalven, Marschrhythmen, Fanfaren und wagnerianischem Arrangement-Monumentalismus verbrüdert. Dazwischen ein Tusch, Gitarren, die wie Bohrmaschinen klingen und fröhlich gepfiffene Melodien, wie sie bei Wanderausflügen militanter Gruppierungen beliebt sein dürften. Dancehall- und Trip-Hop-Beats sind heute auch erlaubt, während sich Laibach inhaltlich mit den Folgen der Wirtschaftskrise beschäftigen und das Lied vom Auseinanderbruch Europas anstimmen. Dabei abgefallene Auseinandersetzungen mit dem Thema Krieg wiederum wirken nicht nur vor dem Hintergrund der Krim-Krise erschütternd aktuell. Dazwischen karikiert eine vorprogrammierte Computerstimme die banalen Abläufe standardisierter Popkonzerte ausdruckslos-trocken: „We-are-so-happy-to-be-here!“ 

Nach einer fünfzehnminütigen Pause, während der die Videowall Final Countdown spielt, geht es in den historischen Teil. Wir hören dampfende Industrial-Ruinen („Brat moj“) und Teile des martialischen Soundtracks zur Nazi-Groteske „Iron Sky“. Das Grande Finale aber bleibt dem Ostblock-Techno vorbehalten, dessen gestrenge Vierviertel-Beats die Ordnung der im Gleichschritt tanzenden „Party-Crowds“ als Masse verhandeln. Quasi: Wollt ihr den totalen Techno? Selbst der Tanzboden, auf dem Laibach Kunst produzieren, ist durchwegs doppelt. 

(Wiener Zeitung, 17.4.2014)

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