Widerstand
zwecklos – und zu spät: Laibach in der Wiener Arena
Am
Merchandising-Stand werden neben handelsüblichen Waren wie prototypisch mit dem
Malewitsch-Kreuz versehene Band-T-Shirts und Teile des Werkkatalogs auch an
Devotionalien totalitärer Regimes gemahnende Orden feilgeboten. Die Band selbst
erlaubt es sich, vor Schwarz-Weiß-Aufnahmen sich beratender Reichsoberschergen und
stramm aufmarschierender Heerestruppen zu konzertieren, während Sängerin Mina
Špiler im flotten Führerlook weniger vor einem Keyboard als vielmehr vor einem
Rednerpult steht, von dem herab es auf die Konzertmasse einzuwirken gilt.
Mastermind Milan Fras, der Mann mit dem Emblem über der Stirn, folgt ihr mit betont
ost-akzentuiertem Bariton treu. Habt Acht – und jawoll:
„Do not fight against us! Resistance is futile! We are Laibach! And you will
be assimilated with Blitzkrieg!“
Einschlägige
Symbolik
Publikumsseitig
wiederum hält sich die Gefahr weitgehend in Grenzen, es trotz partiellen
Kostümauflaufs mit Menschen zu tun zu haben, die das Konzept nicht verstehen.
Anders als in den 80er Jahren, als Konzertbesucher aus dem rechten Eck eine
Folge der auf Provokation durch einschlägige Symbolik sowie auf eindeutige
Uneindeutigkeit setzenden Arbeitsweise Laibachs waren, versammelt sich heute
eine alteingesessene Stammklientel mit dem Nachwuchs von der Kunst-Uni und den reflektiert
tanzenden Pop-Aficionados von hinten neben der Bar. Im Kollektiv wird so ein
Gesamtkunstwerk bestaunt, das einst im – auf Österreichisch gesagt – Dritten
Lager vermutet oder gleichzeitig (!) als kommunistisch missverstanden wurde.
Kurz, es war selbst dann Verwirrung angesagt, wenn Laibach mit radikalen
Aneignungen unterschwellige Faschismen wie etwa jene des Stadionrock als
Massenphänomen freizulegen gedachten. Als diesbezüglicher Klassiker demaskierte
ein Cover des Queen-Songs „One Vision“ entsprechende Formalismen mit einer
beinahe wörtlichen Übersetzung. Bei Laibach klang das unter dem Titel „Geburt
einer Nation“ dann so: „Ein Mensch, ein Ziel und eine
Weisung. Ein Herz, ein Geist,
nur eine Lösung. Ein Ruf, ein Traum,
ein starker Wille. Gebt mir ein Leitbild!“
In der Wiener Arena konzentriert sich der live zu
fünft agierende musikalische Seitenarm des Kunstkollektivs Neue Slowenische
Kunst (NSK) zunächst auf sein aktuelles Album „Spectre“. Wir hören von der
Kritik unterschätzte Demonstrationen einer Hinwendung zum elektronischen
Popsong, der sich mit Gewehrsalven, Marschrhythmen, Fanfaren und wagnerianischem
Arrangement-Monumentalismus verbrüdert. Dazwischen ein Tusch, Gitarren, die wie
Bohrmaschinen klingen und fröhlich gepfiffene Melodien, wie sie bei
Wanderausflügen militanter Gruppierungen beliebt sein dürften. Dancehall- und
Trip-Hop-Beats sind heute auch erlaubt, während sich Laibach inhaltlich mit den
Folgen der Wirtschaftskrise beschäftigen und das Lied vom Auseinanderbruch
Europas anstimmen. Dabei abgefallene Auseinandersetzungen mit dem Thema Krieg
wiederum wirken nicht nur vor dem Hintergrund der Krim-Krise erschütternd
aktuell. Dazwischen karikiert eine vorprogrammierte Computerstimme die banalen
Abläufe standardisierter Popkonzerte ausdruckslos-trocken:
„We-are-so-happy-to-be-here!“
Nach einer
fünfzehnminütigen Pause, während der die Videowall Final Countdown spielt, geht
es in den historischen Teil. Wir hören dampfende Industrial-Ruinen („Brat moj“)
und Teile des martialischen Soundtracks zur Nazi-Groteske „Iron Sky“. Das
Grande Finale aber bleibt dem Ostblock-Techno vorbehalten, dessen gestrenge
Vierviertel-Beats die Ordnung der im Gleichschritt tanzenden „Party-Crowds“ als
Masse verhandeln. Quasi: Wollt ihr den totalen Techno? Selbst der Tanzboden,
auf dem Laibach Kunst produzieren, ist durchwegs doppelt.
(Wiener Zeitung, 17.4.2014)
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