Mittwoch, April 16, 2014

Songs zwischen Horror und Zuckerguss

Anna Attar alias Monsterheart veröffentlicht ihr Debütalbum „W“ auf Seayou Records. Eingängiger Pop trifft auf kunststudentischen Gestus 

Wohnen zwei Seelen, ach, in ihrer Brust? Nicht nur der Künstlername lässt es vermuten. Immerhin demonstriert Anna Attar mit ihrer Musik zwar eine unbedingte Neigung zur Herzensangelegenheit, ohne aber auf die mit dieser oft einhergehenden Abgründe zu vergessen. Das Herz als Schlangengrube gebiert immer auch Monster – so oder so ähnlich jedenfalls darf assoziiert werden, wenn es um den Künstlernamen geht: „Monsterheart“ steht in Versalien auf dem Albumcover geschrieben. 

Düster-Moll 

Das soeben auf Seayou Records erschienene Erstlingswerk „W“ verstärkt den Eindruck einer gewissen Dialektik. Einerseits hört man eingängige Hooklines, die gerne leichtfüßig daherkommen und süß bis zum Rande der Klebrigkeit aus den Boxen strömen. Andererseits wird mit auf Licht und Schatten fokussierten Texten zwischen Grabes- und Alptraumsujets mit beigestellten Hexen und schmusen wollenden Skeletten nicht zuletzt der Horror unter dem Zuckerguss entblößt. In solchen Momenten kippt auch die Musik in Richtung Düster-Moll, um zwischen der Collapsing-New-People-Harmonik eines Songs namens „Wired“ und dem mitunter schwarzromantischen Unterton auch zu erklären, warum die Albumpräsentations-Party im nicht zuletzt bei der IG Gothic beliebten Viper Room in Wien Landstraße über die Bühne ging.

Weil man vermutlich nicht zwingend dogmatisch veranlagt ist und in der Neigungsgruppe ohnehin ein spielerischer Zugang vorherrscht, der bedeutet, dass immer alles gehen kann, sprich dürfen muss, sind die von Monsterheart stimmig vereinten Pole und (scheinbaren) Widersprüchlichkeiten aber noch durchwegs breiter. Nicht zuletzt werden mit den elf Songs, deren Fokus auf schlicht-simple Melodien durch Stilmittel wie Repetition und eine grundsätzlich auf Homogenität gestimmte Produktion nachdrücklich Unterstützung erhält, die Lo-Fi-Wurzeln einer Berliner Kelleraufnahme nicht etwa gegen die schillernde Oberfläche dreier Buchstaben namens Pop ausgespielt. Und auch, dass Pop im eigentlichen Sinn hier nicht im Widerspruch zur kunststudentischen Inszenierung und deren Nachhall im nicht nur bei einem Song namens „Bunnies“ womöglich von Claire Boucher alias Grimes inspirierten Gesang steht, darf man erwähnen. 

One-Woman-Show 

Durchgehende Orgelgrundierung, Tagträume übersetzende Zwischenspiele und reichlich Hall, Hall, Hall runden die Ergebnisse ab. Gegen Ende wird mit einem Blockflötenarrangement auch noch daran erinnert, dass Anna Attar vor ihrer 2011 erfolgten Neuerfindung als One-Woman-Show der Wiener Indie-Rasselband Go Die Big City vorstand. Das ist jetzt auch schon ein Zeitl her – nicht nur eingedenk der in die (Un-)Endlichkeit deutenden Dimensionen, die Monsterheart mit ihrer (aufgelegten) Aneignung des US-Traditionals „Oh Death“ beschwört: „Oh, Death / Wonʼt you spare me over ʼtil another year?" 

Monsterheart: W (Seayou Records) 

(Wiener Zeitung, 17.4.2014) 

Keine Kommentare: