Mit „Out Of
Chaos“ veröffentlicht Yello-Sänger Dieter Meier sein spätes Solodebüt
Zuletzt
musste Dieter Meier erleben, wie Helene Fischer ihn im Rahmen der
„Echo“-Verleihung anmoderierte. Mit seinem Kompagnon Boris Blank ging es
immerhin darum, eine Auszeichnung für das mit Yello erschaffene Lebenswerk
abzuholen. Dieter Meier nahm es gelassen. Und er erwies sich einmal mehr als
jener Sir, als den ihn seit jungen Jahren auch ein Erscheinungsbild zwischen
Maßschuhen und Halstuch ausweist.
Ein Tausendsassa
Ab
Ende der 70er Jahre und somit den Anfangstagen des elektronisch generierten Popsongs
stand das schweizerische Duo für Musik, die die minimalistisch-verspielten, aus
Dilettantismus und Neugierde geborenen Sound-Experimente Blanks mit dem
Dada-Sprech Meiers („Bow bow, oh yeah, chick-chicka-chicka!“) zu einer
originellen Mischung verwob. Nach frühen Veröffentlichungen auf Ralph Records,
der Brutstätte der spinnerten Pop-Enigmatiker The Residents, sorgten auch die
von Meier gestalteten, buchstäblich „poppigen“ Videoclips für damals wichtige
Rotation auf MTV. Zwei, drei der dabei abgefallenen, vielfach für Film und
Werbung lizensierten Hits wie „The Race“ oder „Oh Yeah“, das bei den Simpsons
immer erklingt, wenn der Duffman um die Ecke biegt, sind nach wie vor im
kollektiven Gedächtnis gespeichert. Und sie ermöglichten Mastermind Blank den Luxus,
Yello ohne Veröffentlichungsdruck fortzuführen.
Parallel
dazu entschied sich Meier – nichts gelernt, alles probiert! – für einen von
Abwechslung geprägten Karriereweg. Bereits in seiner Zeit als hauptberuflicher
Pokerspieler drängte es den Bankierssohn in die Konzeptkunst. Eine 1972 auf der
Documenta präsentierte Arbeit um eine in Beton eingelassene Tafel mit dem
Schriftzug „Am 23.
März 1994 von 15.00 – 16.00 Uhr wird Dieter Meier auf dieser Platte stehen“
wurde schließlich an besagtem Datum vollendet. Heute ist Meier als Investor,
Hersteller digitaler Mischpulte mit einer Firma im Silicon Valley sowie als
Rinderzüchter und Weinbauer aktiv. Nur für eine weitere Kleinigkeit musste er
69 Jahre alt werden: sein am kommenden Freitag erscheinendes erstes Soloalbum.
Nachdenklich gestimmt
Im
Gegensatz zu Boris Blank, dessen Solodebüt gleichfalls heuer erschien,
benötigte Meier als deklarierter Nichtmusiker die ausführende Hilfe junger
Produzenten für seinen Erstling. Unter Regie von T.Raumschmiere, Nackt und Ben
Lauber ist durchaus überraschend aber kein am Zeitgeist orientiertes Album
entstanden, sondern eine auf Alterswerk gestimmte Songsammlung, deren
elektronischer Zierrat sich nobel im Hintergrund hält. Mit Meiers
Erzählbariton, introspektivem Barhockerklavier und bei Tom Waits andockenden
Percussions, die nach einem Malheur in der Kuchl klingen, geht es hübsch
nachdenklich zu. In gut der Hälfte der Lieder sitzt ein Mann zu früh bei zu
vielen Martinis an der Bar und denkt über sein Leben nach. Es geht dann
gleichermaßen um von Meiers Autoren-Ich besungene Liebschaften, die nie mehr
zurückkehren werden, wie auch um semibiografisch lesbare Reflexionen über ein
hektisches Leben: „Running
in circles / I never arrive / Busy going nowhere / It looks like my life.“ Man
hat den Altmännerblues, ohne aber zu verzweifeln. Schließlich wird der Leerraum
zwischen den Eiswürfeln mit der durch die Türe blinzelnden Sonne gelegentlich
auch von Licht ausgefüllt. Das tut weh in den Augen. Aber es lässt den Ausweg
erkennen.
Den
Songcharakter unterstützen der von seiner Arbeit mit Nick Cave bekannte
Schlagzeuger Thomas Wydler oder Tobias Preisig an der Geige, mit der es nicht
nur bei „Loveblind“ sanft melodramatisch wird. Ein Hauch von
brecht-weill’scher-Cabaret-Ästhetik rundet diesen gelungenen Kern des Albums ab, das um das zu einem nachtschwarzen Vierviertel-Beat auf Schwizerdütsch
vorgetragene „Schueffele“ im letzten Drittel noch etwas ausfranst. Live am 29.
Mai im Wiener WUK.
Dieter Meier:
„Out Of Chaos“ (Staatsakt)
(Wiener Zeitung, 5./6.4.2014)
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