Freitag, April 25, 2014

Ein Roboter wird müde

Damon Albarn und sein zurückgenommenes Solodebüt „Everyday Robots“

Zweifelsohne ist der Mann nicht darauf gebucht, sich einen Lenz zu machen und mindestens manifeste Erfolge seiner musikalischen Vergangenheit für ein Leben mit zu viel Tagesfreizeit zu instrumentalisieren. Stichwort: Ruhe, Lorbeeren, Ernte einfahren, die Welt Welt und sich selbst jemand sein lassen, der die Nachmittage in der Hängematte über dem englischen Rasen darüber sinnierend verbringt, ob nach einem Glas frischer Minzlimonade nicht vielleicht doch langsam ein erbaulicher Gin Tonic angebracht wäre. La dolce vita. Keep it easy. Die Streiche der Reichen!

Immerhin gilt Damon Albarn dank seiner Rolle als Mastermind Blurs nicht nur einer in den 90er Jahren mit Britpop sozialisierten Hörerschaft als Held; auch dafür zu spät Geborene mochten ihn für seine eklektische Zweitkarriere gefeiert haben, die nach der Jahrtausendwende zunächst mit den Gorillaz auf dem Programm stand. Die Entwicklung zum modernistischen Genre-Mix zeichnete sich in dieser Form zwar noch nicht ab, als Blur zwischen ursprünglicher Madchester-Nähe und 60er-Jahre-Einfluss changierten. Im Gegensatz zu Oasis und deren breitbeinig bodenständiger Deutung einer teils ähnlichen Harmonik aber fanden Blur im Blick zurück nur eine Durchzugsstation. Aus einer medial in Richtung Feindschaft hochgejazzten Konkurrenzsituation, die Damon Albarn mit Komplimenten für Noel Gallagher in aktuellen Interviews heute versöhnlich betrachtet, gingen Blur bekanntlich als jene Genre-Vertreter hervor, die vorausblicken wollten.

Spätestens das Album „13“ und dessen Absorbierung von Gospel-Zwischentönen aber markierte das Auseinandertriften der Band. Albarns im Alleingang durchgesetzte Visionen degradierten die Kollegen zunehmend zu Statisten, was letztlich auch zur Trennung im Jahre 2003 führte. Eine seit 2008 unternommene Live-Reunion ist vor allem den Fans geschuldet und hat wohl auch damit zu tun, dass Albarns (Ex-)Band im Gegensatz zu ihm selbst einen größeren Honorarschub auf dem Konto noch bemerken, sprich durchaus benötigen kann.

Nach dem Erfolgszug mit dem virtuellen Bandprojekt Gorillaz, das den zusätzlichen Vorteil hatte, auch ohne auf demokratische Grundbedürfnisse pochende Mitglieder zu funktionieren, hatte sich Albarn endgültig freigespielt. Er musizierte mit unter anderem The-Clash-Bassist Paul Simonon und Afrobeat-Schlagzeuger Tony Allen als The Good, The Bad & The Queen und kümmerte sich mit diversen Projekten vor allem um afrikanische Musiktraditionen, die er mit strikt am Puls der Zeit produzierter Elektronik kurzschloss. Daneben leistete er sich den Luxus, seine mit elisabethanischem Instrumentarium eingespielte Oper „Dr Dee“ zu schreiben. Mit „Everyday Robots“ legt der 46-Jährige aber erst jetzt sein ausgewiesenes Debüt als Solokünstler vor, das er gemeinsam mit XL-Recordings-Labelboss Richard Russell produzierte, mit dem er vor zwei Jahren auch das Comeback-Album von Bobby Womack verantwortete.

An den Sound von Womacks Rückkehr lässt dann auch gleich „Lonely Press Play“ denken, das vielleicht eine Spur expliziter ausfällt als weite Teile dieses als Understatement hörbaren Albums, das ebenso herbstlich-nachdenklich klingt wie es mit sich beiläufig einschleichenden Songs und zurückgenommenem Gesang alles andere als mit der Brechstange daherkommt. Durch die Audiokanäle wischende Percussions, vorsichtig aufgetragene Basstupfer, melancholisches Salonklavier und dezente Streicherarrangements bestimmen das Klangbild, während Albarn zu den Orten seiner Kindheit zurückkehrt und dabei auch den Leytonstone City Mission Choir aufgabelt, der sich im Weiteren aber fast so nobel zurückhält wie die ebenfalls als Gaststimme gewonnene, besser als Bat For Lashes bekannte britische Musikerin Natasha Khan.

Mit betont ausgelaugten, bettschweren und keineswegs im negativen Sinne müden Songs dürfte sich Albarn nach rastlosen Jahren hier auch eine gewisse Erschöpfung zugestehen. Immerhin kündet bereits der Titelsong vom alltäglichen Roboter-Individuum, dem langsam der Saft ausgeht. Alles ist zu viel und zu schnell und zu „Wahnsinn“! Abes es hilft nichts. 

Umso kontrastreicher, wenn das kinderliedartige „Mr. Tembo“ einen dem Sänger bekannten Baby-Elefanten adressiert und mit Brian Eno bei „Heavy Seas Of Love“ in bester Müssen-nur-wollen-Stimmung wieder an das Licht am Ende des Tunnels geglaubt wird: „Itʼs in your hands!“ – Kopf hoch, Robotomat, Kopf hoch! 

(Wiener Zeitung, 26./27.4.2014)

Keine Kommentare: