Damon Albarn und sein zurückgenommenes Solodebüt „Everyday
Robots“
Zweifelsohne
ist der Mann nicht darauf gebucht, sich einen Lenz zu machen und mindestens
manifeste Erfolge seiner musikalischen Vergangenheit für ein Leben mit zu viel
Tagesfreizeit zu instrumentalisieren. Stichwort: Ruhe, Lorbeeren, Ernte
einfahren, die Welt Welt und sich selbst jemand sein lassen, der die
Nachmittage in der Hängematte über dem englischen Rasen darüber sinnierend
verbringt, ob nach einem Glas frischer Minzlimonade nicht vielleicht doch
langsam ein erbaulicher Gin Tonic angebracht wäre. La dolce vita. Keep it easy.
Die Streiche der Reichen!
Immerhin
gilt Damon Albarn dank seiner Rolle als Mastermind Blurs nicht nur einer in den
90er Jahren mit Britpop sozialisierten Hörerschaft als Held; auch dafür zu spät
Geborene mochten ihn für seine eklektische Zweitkarriere gefeiert haben, die
nach der Jahrtausendwende zunächst mit den Gorillaz auf dem Programm stand. Die
Entwicklung zum modernistischen Genre-Mix zeichnete sich in dieser Form zwar
noch nicht ab, als Blur zwischen ursprünglicher Madchester-Nähe und
60er-Jahre-Einfluss changierten. Im Gegensatz zu Oasis und deren breitbeinig
bodenständiger Deutung einer teils ähnlichen Harmonik aber fanden Blur im Blick
zurück nur eine Durchzugsstation. Aus einer medial in Richtung Feindschaft
hochgejazzten Konkurrenzsituation, die Damon Albarn mit Komplimenten für Noel
Gallagher in aktuellen Interviews heute versöhnlich betrachtet, gingen Blur
bekanntlich als jene Genre-Vertreter hervor, die vorausblicken wollten.
Spätestens
das Album „13“ und dessen Absorbierung von Gospel-Zwischentönen aber markierte
das Auseinandertriften der Band. Albarns im Alleingang durchgesetzte Visionen
degradierten die Kollegen zunehmend zu Statisten, was letztlich auch zur
Trennung im Jahre 2003 führte. Eine seit 2008 unternommene Live-Reunion ist vor
allem den Fans geschuldet und hat wohl auch damit zu tun, dass Albarns (Ex-)Band
im Gegensatz zu ihm selbst einen größeren Honorarschub auf dem Konto noch
bemerken, sprich durchaus benötigen kann.
Nach
dem Erfolgszug mit dem virtuellen Bandprojekt Gorillaz, das den zusätzlichen
Vorteil hatte, auch ohne auf demokratische Grundbedürfnisse pochende Mitglieder
zu funktionieren, hatte sich Albarn endgültig freigespielt. Er musizierte mit
unter anderem The-Clash-Bassist Paul Simonon und Afrobeat-Schlagzeuger Tony Allen als
The Good, The Bad & The Queen und kümmerte sich mit diversen Projekten vor
allem um afrikanische Musiktraditionen, die er mit strikt am Puls der Zeit
produzierter Elektronik kurzschloss. Daneben leistete er sich den Luxus, seine
mit elisabethanischem Instrumentarium eingespielte Oper „Dr Dee“ zu schreiben.
Mit „Everyday Robots“ legt der 46-Jährige aber erst jetzt sein ausgewiesenes
Debüt als Solokünstler vor, das er gemeinsam mit XL-Recordings-Labelboss
Richard Russell produzierte, mit dem er vor zwei Jahren auch das Comeback-Album
von Bobby Womack verantwortete.
An
den Sound von Womacks Rückkehr lässt dann auch gleich „Lonely Press Play“
denken, das vielleicht eine Spur expliziter ausfällt als weite Teile dieses als
Understatement hörbaren Albums, das ebenso herbstlich-nachdenklich klingt wie
es mit sich beiläufig einschleichenden Songs und zurückgenommenem Gesang alles
andere als mit der Brechstange daherkommt. Durch die Audiokanäle wischende
Percussions, vorsichtig aufgetragene Basstupfer, melancholisches Salonklavier
und dezente Streicherarrangements bestimmen das Klangbild, während Albarn zu
den Orten seiner Kindheit zurückkehrt und dabei auch den Leytonstone City
Mission Choir aufgabelt, der sich im Weiteren aber fast so nobel zurückhält wie
die ebenfalls als Gaststimme gewonnene, besser als Bat For Lashes bekannte
britische Musikerin Natasha Khan.
Mit
betont ausgelaugten, bettschweren und keineswegs im negativen Sinne müden Songs
dürfte sich Albarn nach rastlosen Jahren hier auch eine gewisse Erschöpfung
zugestehen. Immerhin kündet bereits der Titelsong vom alltäglichen
Roboter-Individuum, dem langsam der Saft ausgeht. Alles ist zu viel und zu
schnell und zu „Wahnsinn“! Abes es hilft nichts.
Umso kontrastreicher, wenn das kinderliedartige „Mr.
Tembo“ einen dem Sänger bekannten Baby-Elefanten adressiert und mit Brian Eno bei
„Heavy Seas Of Love“ in bester Müssen-nur-wollen-Stimmung wieder an das Licht
am Ende des Tunnels geglaubt wird: „Itʼs in your hands!“ – Kopf hoch,
Robotomat, Kopf hoch!
(Wiener Zeitung, 26./27.4.2014)
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