Dienstag, April 29, 2014

Lustigsein in der Fettpanier

Schubi-di-du-da-du: Robbie Williams gastierte mit seiner Swing-Revue in Wien

Anpassungsschwierigkeiten in Sachen Swing-Revue hat Robbie Williams nur ganz zu Beginn und insofern, als Wien erst recht wieder mit den Mitteln einer Poprockshow für kleinstadtgroße Areale im urbanen Vergnügungsviertel erobert werden soll. Während die Big Band also als aua im Ohr machender Soundbrei aus den Boxen plärrt, erinnert sich der Held des Abends an sein bestes Konzert von absolut immer. Das war im Vorjahr in der Krieau im schönen – wie heißt es hier schnell? –, ja, Australien. Wie bitte, was? Es gibt hier gar keine Kängurus? Und tatsächlich. Spätestens beim Schmähführen zeigt sich dann doch, dass das mit dem Schwingen und Dingelingen und dem weltweiten Poprockmegastar Robbie Williams von Ö3 natürlich eh funktioniert.

Sinatrischer Anklang


Immerhin benötigt die Swing-Revue als solche immer auch einen Entertainer. Und weiß Gott, Robbie Williams ist ein solcher. Am erst dritten Stopp der „Swings Both Ways“-Tour hören die Besucher in der ausverkauften Wiener Stadthalle an zwei Abenden also nicht nur Ratpack-Gedenkmusik, die es im Regelfall ebenso wenig auf Ö3 spielt wie irgend so eine österreichische Band, die wahrscheinlich ganz schlecht ist. Sie erleben vor allem einen Schelm, der den Fanblock mit den Plakatbotschaften augenzwinkernd für seine nicht vorhandenen Grammatikkenntnisse rügt, eine Frau aus dem Publikum zeremoniell instantehelicht und wahlweise mit seinem alten Herren oder einem Kinderchor tiriliert. Apropos Kinder: Den größten Applaus an diesem an Applaus wahrlich nicht armen ersten Wien-Termin am Montag erntet Robbie Williams für die öffentliche Verkündung, zum zweiten Mal Vater zu werden.

Kinder sind bei Konzerten von Robbie Williams auch deshalb ein Thema, weil im Rahmen einer nostalgischen Show für die ganze Familie auch etwas für die Kleinsten dabei sein muss. Das passt zum nicht ungern infantilen Gemüt des Sängers, der sich beim Lied aus dem Dschungelbuch freiwillig zum Affen macht oder, im Fettkostüm über der Bühne schwebend, das überzeichnet operettenhafte „No One Likes A Fat Pop Star“ in Szene setzt, mit dem es Zirkus- und Jahrmarktmusik spielt. Dazu das lustige R-R-Rubbel-dich-reich-Lied der österreichischen Lotterien, gleich zwei Mal Konfettiregen, Steppeinlagen, ein Feuerwerk auf der Videowall und Popcorn mit Coca Cola zur Verpflegung!

Ballsaal-Choreografien


Die älteren Konzertbesucher wiederum freuen sich, wenn Robbie Williams mit Evergreens wie „That’s Amore“ oder „New York, New York“ einen auf Dean Martin oder Frank Sinatra macht. Zeitlose Klassik. Schön! Und sie werden, an einem Prosecco benannten Amüsiergetränk nippend, das zumindest entfernt an den in der goldenen Swing-Ära beliebten Champagner erinnert, mit Witzen über den doppelten Boden des Showbusiness und dessen Auswirkungen auf den Antidepressiva-Konsum des Sängers unterhalten. Stichwort: Krusty der Clown als abgetakelter Entertainer kurz vor dem Burn-out. An diesen kann Williams mit betont rau vorgetragenen Nummern wie „Minnie The Moocher“ immerhin auch gesanglich anknüpfen. Der Stimmung ist das ebenso wenig abträglich wie die Tatsache, dass im Hauptteil des Konzerts ausschließlich fremde und eigene Swing-Nummern auf dem Programm stehen und es zu den  Hits von Ö3 mit dem Revuesound angepassten Versionen erst gegen Ende kommt.

Dass die 20er-Jahre-Outfits und dekadenten Ballsaal-Choreografien im Frack auf die Zeit vor dem großen, langen Schwarz verweisen und im zweiten Konzertteil mit Robbie Williams als Dampfschiffskapitän und der Big Band als Kapelle zum Untergang an die letzten Stunden der Titanic gedacht werden darf: ja eh. Aber wer will sich schon mit Swing als Verdrängungsmusik und unnötigen Krisenanalogien beschäftigen, wenn es auf der Bühne gerade so lustig ist? Dann lieber Kinder und Tiere. Und alles wird gut!


(Wiener Zeitung, 30.4.2014)

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