Schubi-di-du-da-du: Robbie Williams gastierte mit seiner Swing-Revue in
Wien
Anpassungsschwierigkeiten in Sachen Swing-Revue hat
Robbie Williams nur ganz zu Beginn und insofern, als Wien erst recht wieder mit
den Mitteln einer Poprockshow für kleinstadtgroße Areale im urbanen Vergnügungsviertel
erobert werden soll. Während die Big Band also als aua im
Ohr machender Soundbrei aus den Boxen plärrt, erinnert sich der Held des Abends
an sein bestes Konzert von absolut immer. Das war im Vorjahr in der Krieau im
schönen – wie heißt es hier schnell? –, ja, Australien. Wie bitte, was? Es gibt
hier gar keine Kängurus? Und tatsächlich. Spätestens beim Schmähführen zeigt
sich dann doch, dass das mit dem Schwingen und Dingelingen und dem weltweiten Poprockmegastar
Robbie Williams von Ö3 natürlich eh funktioniert.
Sinatrischer Anklang
Immerhin benötigt die Swing-Revue als solche immer
auch einen Entertainer. Und weiß Gott, Robbie Williams ist ein solcher. Am erst
dritten Stopp der „Swings Both Ways“-Tour hören die Besucher in der
ausverkauften Wiener Stadthalle an zwei Abenden also nicht nur Ratpack-Gedenkmusik,
die es im Regelfall ebenso wenig auf Ö3 spielt wie irgend so eine österreichische
Band, die wahrscheinlich ganz schlecht ist. Sie erleben vor allem einen Schelm,
der den Fanblock mit den Plakatbotschaften augenzwinkernd für seine nicht
vorhandenen Grammatikkenntnisse rügt, eine Frau aus dem Publikum zeremoniell instantehelicht
und wahlweise mit seinem alten Herren oder einem Kinderchor tiriliert. Apropos
Kinder: Den größten Applaus an diesem an Applaus wahrlich nicht armen ersten
Wien-Termin am Montag erntet Robbie Williams für die öffentliche Verkündung,
zum zweiten Mal Vater zu werden.
Kinder sind bei Konzerten von Robbie Williams auch
deshalb ein Thema, weil im Rahmen einer nostalgischen Show für die ganze
Familie auch etwas für die Kleinsten dabei sein muss. Das passt zum nicht
ungern infantilen Gemüt des Sängers, der sich beim Lied aus dem Dschungelbuch
freiwillig zum Affen macht oder, im Fettkostüm über der Bühne schwebend, das
überzeichnet operettenhafte „No One Likes A Fat Pop Star“ in Szene setzt, mit
dem es Zirkus- und Jahrmarktmusik spielt. Dazu das lustige R-R-Rubbel-dich-reich-Lied
der österreichischen Lotterien, gleich zwei Mal Konfettiregen, Steppeinlagen,
ein Feuerwerk auf der Videowall und Popcorn mit Coca Cola zur Verpflegung!
Ballsaal-Choreografien
Die älteren Konzertbesucher wiederum freuen sich,
wenn Robbie Williams mit Evergreens wie „That’s Amore“ oder „New York, New
York“ einen auf Dean Martin oder Frank Sinatra macht. Zeitlose Klassik. Schön! Und
sie werden, an einem Prosecco benannten Amüsiergetränk nippend, das zumindest
entfernt an den in der goldenen Swing-Ära beliebten Champagner erinnert, mit Witzen
über den doppelten Boden des Showbusiness und dessen Auswirkungen auf den
Antidepressiva-Konsum des Sängers unterhalten. Stichwort: Krusty der Clown als
abgetakelter Entertainer kurz vor dem Burn-out. An diesen kann Williams mit betont
rau vorgetragenen Nummern wie „Minnie The Moocher“ immerhin auch gesanglich
anknüpfen. Der Stimmung ist das ebenso wenig abträglich wie die Tatsache, dass
im Hauptteil des Konzerts ausschließlich fremde und eigene Swing-Nummern auf
dem Programm stehen und es zu den Hits
von Ö3 mit dem Revuesound angepassten Versionen erst gegen Ende kommt.
Dass die 20er-Jahre-Outfits und dekadenten Ballsaal-Choreografien
im Frack auf die Zeit vor dem großen, langen Schwarz verweisen und im zweiten
Konzertteil mit Robbie Williams als Dampfschiffskapitän und der Big Band als
Kapelle zum Untergang an die letzten Stunden der Titanic gedacht werden darf: ja
eh. Aber wer will sich schon mit Swing als Verdrängungsmusik und unnötigen
Krisenanalogien beschäftigen, wenn es auf der Bühne gerade so lustig ist? Dann
lieber Kinder und Tiere. Und alles wird gut!
(Wiener Zeitung, 30.4.2014)
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