Wir-sind-Helden-Frontfrau
Judith Holofernes gab ihr Solodebüt in der Wiener Arena
Die
direkten Folgen der Auszeit ihrer Stammband auch aus Nachwachsgründen sind
natürlich schon offenkundig. Nicht im Auftreten oder mit in dieser Hinsicht dann
eh ausbleibenden Zwischenansagen – Letzteres mit immerhin einer Ausnahme, die
Judith Holofernes als Solosängerin auf Wir-sind-Helden-Sabbatical das
öffentliche Interesse an ihrer Person als Mutter in gewohnter
Verweigerungshaltung vom Tisch fegen lässt. Man will sich nicht darüber
definieren lassen.
Liebesbekenntnis
Andererseits
legt Holofernes mit ihrem Soloalbum „Ein leichtes Schwert“ und dessen
Livepräsentation in der Wiener Arena Zeugnis davon ab, dass Pop als Begleiter
durch alle Lebenslagen längst auch Trägermedium sich so ihre Gedanken machender
Musiker-Mütter und -Väter sein kann. Judith Holofernes singt dann
beispielsweise über Mamas am Rande zum Burnout, die man zum Rückerwerb der
Lebenslust per Mädelsabend auf die Tanzfläche locken muss. Oder sie sorgt mit
dem hübsch anzuhörenden und von zärtlichem Folkrock beeinflussten „Liebe Teil 2
– Jetzt erst recht“ für Elternpop zwischen Erschöpfungszustand und
Liebesbekenntnis: „Du sagst, komm, wir schieben heute alles den Kindern in die
Schuhe / Du sagst, ich sehe doch toll aus / Ich sag, Mann, lass mich in Ruhe /
Ich sag, ich bin so müde / Du sagst – ist dir Recht / Das ist Liebe, das ist
Liebe / Jetzt erst recht.“
An
anderen Stellen wiederum tritt die spielerisch-infantile Ader der Sängerin mit
gewitzten Abzählreimen heute noch stärker zutage. Das führt im Konzert auch zur
Rezitation von an Christoph Grissemann im Salon Helga erinnernden Tiergedichten.
Kurz: Auf und vor der Bühne regiert dann der Spaß. Judith Holofernes, sich mit
Berliner Schnauze an ihr Publikum wendend: „Na, ihr seid ja jut druff!“
Americana-Einfluss
Während
einer Konzertdauer von gut eineinhalb Stunden vermeidet es die 37-Jährige dabei,
in Konkurrenz mit ihrer Stammband zu treten. Um auf abendfüllende
Auftrittslänge zu kommen, setzt es stattdessen gelungene Coverversionen von
Lyle Lovetts „If I Had A Boat“ oder Elvis Costellos „I Hope You’re Happy Now“,
allesamt in deutscher Übersetzung – wie auch „Catherine The Waitress“ aus der
Feder des färöischen Songwriters Teitur, dessen
köstliche Eröffnungszeilen Holofernes pflichtschuldig nahe am Original
übersetzt: „Catherine the waitress / If you only knew where my mind
is / ,Is there anything youʼd like?‘ / If I could only tell you!“.
„Kamikazefliege“, ihr erster je geschriebener Song, der 1999 an der
Wandergitarre noch erheblich nach Jungscharlager klang, wird live wiederum
dylanesque ausinstrumentiert. Neben einer Aneignung des Stones-Hadern „You
Can’t Always Get What You Want“, einem Abstecher ins Dub-Reggae-Land und eingestreuten Mariachi-Trompeten findet sich
darin auch der überraschendere Teil des Abends, der sich mit den Songs aus „Ein
leichtes Schwert“ auf Kernkompetenzen verlässt.
Wir
hören Judith Holofernes trotzig-kieksend in Opposition zu den auf Leistung und
Konsum gestimmten Verhältnissen („Nichtsnutz“, „Danke, ich hab schon“) oder als
Frau, die die Welt umarmt. Verwurzelt in Americana-Gefilden drängt „Pechmarie“
an die Countrybar. Bei „Havarie“ hat Judith Holofernes den Blues – und
„Brennende Brücken“ ist gefühliger Kaminfeuer-Folk, der inhaltlich nahe an Nick
Caves „Ship Song“ ankert.
Nach dem als Wiegenlied hörbaren „John Irving“
geht es übrigens noch nicht ins Bett, sondern in den Zugabenteil. Von wegen
„Bring mich nach Hause!“ – dann lieber doch eine Auszeit von der Auszeit.
(Wiener Zeitung, 11.4.2014)
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