Dienstag, Mai 06, 2014

Die Frau, die alleine schläft

Herz schmerzt! Lykke Li und die Break-up-Songs ihres Albums „I Never Learn“ 

Ziel dieses Albums ist es nicht nur, eine als persönlich umschriebene und vermutlich erst rückwirkend ausgerufene Trilogie abzuschließen. Immerhin steht Lykke Li nach Lehrjahren im Geschäft, die nach dem grundsätzlich leichtfüßigen Pop ihres Erstlingswerks „Youth Novels“ mit „Wounded Rhymes“ 2011 in eine sanft abgedunkelte Richtung führten, mit 28 Jahren heute erklärtermaßen am Ende einer Phase; aus dieser ging sie mittlerweile als erwachsener Mensch hervor, der sich einerseits also mitten im Leben befindet. Andererseits musste die gebürtige Schwedin nach einer ersten Runde im Hamsterrad zwischen Albumproduktionen und Konzert-Ochsentouren feststellen, dass für Reisende die Zeit daheim keineswegs angehalten wird. Vermutlich wartet dort auch gar niemand mehr auf einen. Und wo oder was genau ist das eigentlich, „zu Hause“? 

Trennungsleiden 

Für Lykke Li hatten die letzten beruflichen Weltreisen zwar insofern auch ihr definitiv Gutes, als der Durchbruch mit „Wounded Rhymes“ neben einem persönlichen Treffen mit David Lynch zum Nachmittagskaffee am Mulholland Drive auch einen gemeinsamen Song zeitigte und die Tournee selbst in vollen Hallen über die Bühne ging. Auf österreichische Verhältnisse umgelegt: Lykke Li ist eine Frau, dank der ein FM4-affines Publikum durchaus ins Schwärmen gerät, obwohl sie per Heavy Rotation auch Ö3-Hörer begeistert. Das sichert neben einer gewissen Kredibilität auch die Existenz ab und vermehrt das Ersparte. Es ist, wie jeder ambitionierte berufliche Werdegang, aber auch mit Auflagen und Bürden verbunden. Diese haben mit verringerter Freizeit und einem erhöhten Arbeitspensum zu tun und dürfen natürlich als privilegiert abgetan werden. Für Lykke Li, und da wäre man jetzt bei den tatsächlich negativen Auswirkungen der Karriere, führte der Terminkalender aber zur Entscheidung des Boyfriends, ihr den Laufpass zu geben. Neben der Sängerin selbst darf jetzt also auch das Publikum unter der Trennung leiden. Schließlich ist „I Never Learn“ ein Album mit klassischen Break-up-Songs geworden, das die zartbesaitete Künstlerseele in Sachen Katharsis unterstützt und gleichzeitig Therapie-Kosten sparen helfen soll. Man hat gerade als Selbstständiger in der sogenannten Unterhaltungsindustrie heute nichts mehr zu verschenken. 

Bitte tapfer sein! 

Songtitel wie „Never Gonna Love Again“ oder „Heart Of Steel“ jedenfalls sagen über den Inhalt des neues Albums beinahe so viel aus wie über die Stimmung Lykke Lis bei seiner Entstehung: Herz schmerzt! Frau leidet! Habt mich gern! Mit der Sängerin als Frau, die alleine schläft, und „try“ auf „die“ reimenden Texten über das bittersüße Gift der Liebe, immerwährende Dunkelheit und ewige Pein erleben wir Lykke Li auf dem Höhepunkt ihrer Larmoyanz. Das führt bei einer Spielzeit von nur 32 Minuten zu erstaunlich langatmigen Momenten – man höre etwa die von Bonnie Tyler inspirierten Powerballaden „Just Like A Dream“ oder „Silverline“. Aber auch das akustisch an der Wandergitarre gegebene „Love Me Like I’m Not Made Of Stone“ oder der bemühte, an die Orangensaftwerbung für glückliche Sonnentage erinnernde Formatradio-Gospel von „Heart Of Steel“ sei in dieser Hinsicht erwähnt.

Umso besser, wenn „Sleeping Alone“ sublim mit der im Hintergrund aufheulenden Steelgitarre daherkommt oder „No Rest For The Wicked“ als erste Singleauskopplung erklärt, wie man seine gedämpfte Stimmung beibehalten und dabei trotzdem eine Hymne entstehen lassen kann.

Als eigentlicher Hit des Albums dockt das durchaus käsige „Gunshot“ zwischen Orgelgrundierung und Pistolenschüsse imitierenden Snare-Drums übrigens ungeniert bei Madonna in ihrer „Like A Prayer“-Phase an. Das ist ebenso schauderhaft wie fantastisch. Was reimt sich auf Not, was reimt sich auf Pein? Alles kommt wieder ins Lot. Bitte tapfer sein! 

Lykke Li: I Never Learn (Warner) 

(Wiener Zeitung, 7.5.2014)

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