Herz schmerzt! Lykke Li und die
Break-up-Songs ihres Albums „I Never Learn“
Ziel
dieses Albums ist es nicht nur, eine als persönlich umschriebene und vermutlich
erst rückwirkend ausgerufene Trilogie abzuschließen. Immerhin steht Lykke Li nach
Lehrjahren im Geschäft, die nach dem grundsätzlich leichtfüßigen Pop ihres Erstlingswerks
„Youth Novels“ mit „Wounded Rhymes“ 2011 in eine sanft abgedunkelte Richtung
führten, mit 28 Jahren heute erklärtermaßen am Ende einer Phase; aus dieser
ging sie mittlerweile als erwachsener Mensch hervor, der sich einerseits also mitten
im Leben befindet. Andererseits musste die gebürtige Schwedin nach einer ersten
Runde im Hamsterrad zwischen Albumproduktionen und Konzert-Ochsentouren feststellen,
dass für Reisende die Zeit daheim keineswegs angehalten wird. Vermutlich wartet
dort auch gar niemand mehr auf einen. Und wo oder was genau ist das eigentlich,
„zu Hause“?
Trennungsleiden
Für
Lykke Li hatten die letzten beruflichen Weltreisen zwar insofern auch ihr definitiv
Gutes, als der Durchbruch mit „Wounded Rhymes“ neben einem persönlichen Treffen
mit David Lynch zum Nachmittagskaffee am Mulholland Drive auch einen
gemeinsamen Song zeitigte und die Tournee selbst in vollen Hallen über die
Bühne ging. Auf österreichische Verhältnisse umgelegt: Lykke Li ist eine Frau, dank
der ein FM4-affines Publikum durchaus ins Schwärmen gerät, obwohl sie per Heavy
Rotation auch Ö3-Hörer begeistert. Das sichert neben einer gewissen
Kredibilität auch die Existenz ab und vermehrt das Ersparte. Es ist, wie jeder
ambitionierte berufliche Werdegang, aber auch mit Auflagen und Bürden verbunden.
Diese haben mit verringerter Freizeit und einem erhöhten Arbeitspensum zu tun
und dürfen natürlich als privilegiert abgetan werden. Für Lykke Li, und da wäre
man jetzt bei den tatsächlich negativen Auswirkungen der Karriere, führte der
Terminkalender aber zur Entscheidung des Boyfriends, ihr den Laufpass zu geben.
Neben der Sängerin selbst darf jetzt also auch das Publikum unter der Trennung
leiden. Schließlich ist „I Never Learn“ ein Album mit klassischen Break-up-Songs
geworden, das die zartbesaitete Künstlerseele in Sachen Katharsis unterstützt und
gleichzeitig Therapie-Kosten sparen helfen soll. Man hat gerade als
Selbstständiger in der sogenannten Unterhaltungsindustrie heute nichts mehr zu
verschenken.
Bitte tapfer
sein!
Songtitel
wie „Never Gonna Love Again“ oder „Heart Of Steel“ jedenfalls sagen über den
Inhalt des neues Albums beinahe so viel aus wie über die Stimmung Lykke Lis bei
seiner Entstehung: Herz schmerzt! Frau leidet! Habt mich gern! Mit der Sängerin
als Frau, die alleine schläft, und „try“ auf „die“ reimenden Texten über das
bittersüße Gift der Liebe, immerwährende Dunkelheit und ewige Pein erleben wir
Lykke Li auf dem Höhepunkt ihrer Larmoyanz. Das führt bei einer Spielzeit von
nur 32 Minuten zu erstaunlich langatmigen Momenten – man höre etwa die von
Bonnie Tyler inspirierten Powerballaden „Just Like A Dream“ oder „Silverline“. Aber
auch das akustisch an der Wandergitarre gegebene „Love Me Like I’m Not Made Of
Stone“ oder der bemühte, an die Orangensaftwerbung für glückliche Sonnentage
erinnernde Formatradio-Gospel von „Heart Of Steel“ sei in dieser Hinsicht
erwähnt.
Umso
besser, wenn „Sleeping Alone“ sublim mit der im Hintergrund aufheulenden
Steelgitarre daherkommt oder „No Rest For The Wicked“ als erste
Singleauskopplung erklärt, wie man seine gedämpfte Stimmung beibehalten und
dabei trotzdem eine Hymne entstehen lassen kann.
Als
eigentlicher Hit des Albums dockt das durchaus käsige „Gunshot“ zwischen
Orgelgrundierung und Pistolenschüsse imitierenden Snare-Drums übrigens ungeniert
bei Madonna in ihrer „Like A Prayer“-Phase an. Das ist ebenso schauderhaft wie
fantastisch. Was reimt sich auf Not, was reimt sich auf Pein? Alles kommt
wieder ins Lot. Bitte tapfer sein!
Lykke Li: I Never Learn (Warner)
(Wiener Zeitung, 7.5.2014)
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