Schall & Rauch
Markant
erscheint unser Zottelfreund nicht nur durch seine Strubbelfrisur, die
Theo-Waigel-gleichen Augenbrauen und eine branntweinrote Nase in
Fleischknödelform. Ein gewisser Wahnsinn, der ihm aus dem Restgesicht lugt,
dominiert seine Gestalt ebenso wie die fesselgleiche Kette am Hals und sein Keuchen und Schnauben, das an einen
Braunbären mit Raucherlunge erinnert. Zusätzlich wird über in Versalien
geschriebene Hauptwörter mit Rufzeichen hinten dran kommuniziert. Unter
Aussparung als überschätzt geltender Verben entlässt so ein gutturales Grunzen
seine Kehle, das Zartbesaiteten das Fürchten und Tom Waits Ehrfurcht lehren
könnte – wobei der solchermaßen Begnadete als harmlos und liebenswert gilt und
zu Tom Waits in keinerlei vokale Konkurrenz treten will. In die
Stammbuch-Auflistung der Kategorie „Hobbys“ hätte er nämlich nur „Drums“
einzutragen, während sein Autogramm darunter schlicht den Bühnennamen ausweist:
„Tier“ oder, im amerikanischen Original, „Animal“ steht dann auf dem Papier
geschrieben.
Im
launigen Universum der Muppets sorgt Animal für die humorvoll psychotische
Note. Ja, unser mit „Muppets Most Wanted“ derzeit auch wieder im Kino aktiver
Freund hat einen Hammer, der über die Boing-Bum-Tschak-Kunst an den Trommeln
sublimiert werden will. Auf Youtube zeugen als Bubenspaß betrachtbare
Drum-Battles mit The-Roots-Mann Questlove oder dem 1987 verstorbenen
Jazz-Virtuosen Buddy Rich davon. So ausdrucksstark sich Animal in seinem
Kernelement erweisen mag, so einsilbig („DRUMS! EAT! DRUMS!“) erscheint er
hingegen in Interviews mit Kermit dem ganz und gar nicht aufs Maul gefallenen
Frosch. Vielleicht ist es ja doch kein plumpes Vorurteil, dass die Sache mit
dem im Regelfall nicht vorhandenen Mikrofon vor dem Drumset auch ihre Gründe
hat. Stichwort Lars Ulrich, der metronomische Meister Metallicas, dessen
Genre-Vorreiter mitverantwortlich für die Zeichnung des Tiers als Schlagzeuger
(und umgekehrt) sind. In keiner Spielart ist der Drummer als primitiver
Haudraufwienix bekanntlich so präsent wie im Heavy Metal und seinen vielen
Derivaten.
Der
Vorwurf, Stütze des einst gegen das System und den guten Geschmack gerichteten Rock
’n’ Roll zu sein, sich in der manischen Wiederholung präziser Arbeitsvorgänge
aber den Regeln der Leistungsgesellschaft zu unterwerfen (und damit massig
Kohle zu machen), prallt am Tier übrigens ab. Es spielt ja schließlich nicht
bei Metallica und ist nur ein Muppet, das seinen Wahnsinn mit dem liebsten
Hobby in Schach halten will. Wer könnte es diesem Held der Taktarbeit auch verdenken?
(Wiener Zeitung, 10./11.5.2014)
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