Montag, Mai 12, 2014

Tier im Takt

Schall & Rauch 

Markant erscheint unser Zottelfreund nicht nur durch seine Strubbelfrisur, die Theo-Waigel-gleichen Augenbrauen und eine branntweinrote Nase in Fleischknödelform. Ein gewisser Wahnsinn, der ihm aus dem Restgesicht lugt, dominiert seine Gestalt ebenso wie die fesselgleiche Kette am Hals und sein Keuchen und Schnauben, das an einen Braunbären mit Raucherlunge erinnert. Zusätzlich wird über in Versalien geschriebene Hauptwörter mit Rufzeichen hinten dran kommuniziert. Unter Aussparung als überschätzt geltender Verben entlässt so ein gutturales Grunzen seine Kehle, das Zartbesaiteten das Fürchten und Tom Waits Ehrfurcht lehren könnte – wobei der solchermaßen Begnadete als harmlos und liebenswert gilt und zu Tom Waits in keinerlei vokale Konkurrenz treten will. In die Stammbuch-Auflistung der Kategorie „Hobbys“ hätte er nämlich nur „Drums“ einzutragen, während sein Autogramm darunter schlicht den Bühnennamen ausweist: „Tier“ oder, im amerikanischen Original, „Animal“ steht dann auf dem Papier geschrieben. 

Im launigen Universum der Muppets sorgt Animal für die humorvoll psychotische Note. Ja, unser mit „Muppets Most Wanted“ derzeit auch wieder im Kino aktiver Freund hat einen Hammer, der über die Boing-Bum-Tschak-Kunst an den Trommeln sublimiert werden will. Auf Youtube zeugen als Bubenspaß betrachtbare Drum-Battles mit The-Roots-Mann Questlove oder dem 1987 verstorbenen Jazz-Virtuosen Buddy Rich davon. So ausdrucksstark sich Animal in seinem Kernelement erweisen mag, so einsilbig („DRUMS! EAT! DRUMS!“) erscheint er hingegen in Interviews mit Kermit dem ganz und gar nicht aufs Maul gefallenen Frosch. Vielleicht ist es ja doch kein plumpes Vorurteil, dass die Sache mit dem im Regelfall nicht vorhandenen Mikrofon vor dem Drumset auch ihre Gründe hat. Stichwort Lars Ulrich, der metronomische Meister Metallicas, dessen Genre-Vorreiter mitverantwortlich für die Zeichnung des Tiers als Schlagzeuger (und umgekehrt) sind. In keiner Spielart ist der Drummer als primitiver Haudraufwienix bekanntlich so präsent wie im Heavy Metal und seinen vielen Derivaten.

Der Vorwurf, Stütze des einst gegen das System und den guten Geschmack gerichteten Rock ’n’ Roll zu sein, sich in der manischen Wiederholung präziser Arbeitsvorgänge aber den Regeln der Leistungsgesellschaft zu unterwerfen (und damit massig Kohle zu machen), prallt am Tier übrigens ab. Es spielt ja schließlich nicht bei Metallica und ist nur ein Muppet, das seinen Wahnsinn mit dem liebsten Hobby in Schach halten will. Wer könnte es diesem Held der Taktarbeit auch verdenken?

(Wiener Zeitung, 10./11.5.2014)

Keine Kommentare: