Mit „Xscape“ ist
soeben das zweite posthume Album von Michael Jackson erschienen
Eine
hehre Entscheidungsgrundlage für die Veröffentlichung dieses Albums gibt es
natürlich. Zumindest für marktgläubige Kapitalisten. Schließlich lässt sich
posthum auch jenes Geld zurückverdienen, das Michael Jackson in seinen letzten
Karrierejahren in Projekte investieren ließ, die dann exakt keinen Langspieler
mehr nach sich zogen. Zusätzlich darf eingedenk eines Vertrags über angeblich
bis zu zehn Alben, die post mortem erscheinen müssen, sowie der Verschuldung
Jacksons auch an die liebe Familie gedacht werden, die für ihre Ansprüche schon
einmal das Geldschauferl aus dem Keller holt.
Aber
das ist natürlich ein Blödsinn. Wie auch der Musikmarkt-Major Sony angesichts
der mit nur acht Songs künstlich knapp gehaltenen Veröffentlichung erklärt –
wir erinnern uns: der Plattenvertrag! –, hat auch die marketingbedingte
Verscherbelung des auf die neuesten Superhandys aus dem eigenen Konzern geladenen
Werks mit dem Titel „Xscape“ natürlich nur einen Grund: Es geht um die Kunst.
Konkret lautete die Aufgabe diesmal, Michael Jackson auf modern zu produzieren,
was ohne die bei Lebzeiten als gewiss vermutete Intervention von Seiten des
Künstlers grundsätzlich einfach wäre.
Für
das Unterfangen griff man musikmarktmajorseitig nun zuvorderst auf US-Produzent
Timbaland zurück. Das ist der Mann, für den Madonna in Sachen Hipness bereits
um zwei Jahre zu spät kam, als sie ihr Album „Hard Candy“ (2008) bei ihm in
Auftrag gab. Nach einem Siegeszug als Soundbeauftragter hinter Justin
Timberlake oder Nelly Furtado folgten bald immerhin auch Jobs für
Casting-Show-Abgängerin Leona Lewis oder den russischen Songcontest-Sieger von
2008, an den man sich nicht mehr erinnert. Es ist auch Wurst.
Dabei
lässt sich über „Xscape“ behaupten, dass die Mindestvorgabe, besser zu klingen
als der posthume Erstling „Michael“ von 2010, locker erreicht wurde. Um nicht
abermals in Verdacht zu geraten, anstatt Michael Jackson einer Dose beim
King-of-Pop-Imitierungsversuch zuzuhören, liegen der Deluxe-Variante nun auch
die originalen Demo-Aufnahmen bei. Neben der Echtheit der Vokalspuren
bestätigen diese als von Gummisounds geprägte Midi-Notizen weitgehend auch
Jacksons Intention, die Ergebnisse anders klingen zu lassen, als sie es heute
tun. Um Missverständnisse zu vermeiden: Das ist nicht schlecht.
Nach
dem eingangs auf den Disco-Soul eines Barry White getrimmten und von Paul Anka
mitgeschriebenen „Love Never Felt So Good“ erweckt Timbaland aber bald den
Eindruck, stark nach den Vorlagen Justin Timberlakes produzieren zu wollen, der
– verrückt! – selbst nicht zu knapp von Jackson beeinflusst wurde. Der
entsprechend zwischen Klapper-Snares, Keyboardtupfern und Instantstreichern mit
dem dann durchaus zu den Midi-Demos passenden Gummigefühl angelegte Neo-R&B
von Stücken wie „Slave To The Rhythm“ kündet davon. Daneben sorgt „A Place With
No Name“ mit seinem mächtigen Groove für Partystimmung, während „Do You Know
Where The Children Are“ erklärt, dass hittaugliches Material Anfang der 90er
Jahre noch in die Schublade gelegt werden konnte. Es war ja im Überfluss
vorhanden.
Davon kann heute keine Rede mehr sein. Den
Nutznießern ist das egal. Noch. Demnächst mehr auf Ihrem Handy.
(Wiener Zeitung, 15.5.2014)
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