Der Sound von
gar nicht einmal so 2014: Sam Smith veröffentlicht sein Debütalbum
„When I signed my deal I
felt pressure. Donʼt wanna see the numbers, I wanna see heaven. I donʼt have
money on my mind, money on my mind. I do it for … I do it for the love.“ Und: „Please
donʼt get me wrong, I wanna keep it moving. I know what that requires. Iʼm not
foolish. Please,
can you make this work for me?“ – ja, für die Verhältnisse eines Debütalbums
geht es hier doch recht ungewohnt selbstreferenziell los. Und natürlich
erstaunlich altruistisch, was Nebensächlichkeiten wie beispielsweise Geld
betrifft. Man muss erst Interviews lesen, mit denen sich Sam Smith dann eh als
Fan nicht zwingend unter Discounter-Verdacht stehender Bekleidungs- und Kofferketten
wie Prada und Louis Vuitton bekennt. Im echten Leben nämlich hat der 22-Jährige
ein zweites Standbein als Sohn. Frau Muttern, vormals hochdotierte Bankerin in
der Finanzmetropole London, UK, sorgte als frühe Förderin höchstpersönlich
dafür, dass Smith seiner gleichnamigen Single entsprechend weniger „Money on my
mind“ haben muss und sich – it’s the Kunst, stupid! – stattdessen anschicken
darf, uns Liebe zu bringen.
Start als
Gastsänger
Wobei,
Liebe. Sie wäre schön, findet aber nicht statt. Davon kündet bereits auch der
Titel des nun also erscheinenden Erstlings „In The Lonely Hour“
(Capitol/Universal Music), mit dem Sam Smith endgültig durchstarten will.
Karrieretechnisch stehen die Zeichen ja mindestens gut, seit der junge Mann mit
der ausdrucksstarken, bevorzugt auf Falsett gebuchten Stimme als Gastsänger
unter gleichfalls jungen Leuten beliebter britischer Acts wie Disclosure oder
Naughty Boy an der Chartsspitze vorstellig wurde. Am Ende eines für Smith also
sehr erfolgreichen Jahres 2013 stand schließlich eine Nominierung zum „BBC
Sound Of 2014“-Poll, der unter heftigem Rascheln und Rauschen zwischen
Blätterwald und Blogosphäre wieder einmal die Neuentdeckung der Folgesaison
prognostizieren (und dabei natürlich gleich selbst mitgestalten) sollte. Zur
Überraschung aller – und angesichts des mit einer Spielzeit von nur 32 Minuten
gar nicht einmal so kurzweiligen Albums nun noch verwunderlicher – ging Smith
am Ende sogar als Sieger hervor.
Dabei
klingen die zehn Songs auch in ihrer Ausrichtung zwischen
US-Südstaaten-Authentizität vermitteln wollendem Ergriffenheits-Gospel und
Faserschmeichler-Soul, wie er einem George Michael in den 80er Jahren selbst
„under the influence“ nicht als B-Seite passiert wäre, exakt überhaupt nicht
nach 2014. Im Gegenteil. Sieht man vom dezenten elektronischen Zierrat von
„Money On My Mind“ einmal ab, der potenzielle Kunden eventuell noch auf die
falsche Fährte bringen und Sam Smith auch solo nahe am UK-Garage-geprägten
Sound von Disclosure vermuten lassen könnte, fallen die Ergebnisse doch recht
betulich, andächtig und – sagen wir es – langweilig aus.
Mit
seiner raunenden, flehenden oder winselnden Stimme ist Sam Smith aber zumindest
insofern am Puls der Zeit, als es sich damit durchwegs gut jammern und leiden
und klagen lässt. Es ist also gar nicht so unwahrscheinlich, dass der Mann in
Österreich noch weltberühmt werden könnte. Wobei es für einen zusätzlichen
Karriere-Boost über wurstgleiche Solidarisierungen seitens des Publikums oder
ein bestimmtes „Aber! Nicht! Mit! Mir!“ für alle, die bei Humboldt gerade den
Düringer machen, noch an den fehlenden Inhalten scheitern könnte. Sam „Wonʼt
you stay with me? ʼCause youʼre all I need“ Smith beschränkt sich ganz auf die
Liebe und ihre Diebe und die Terz mit dem Herz. Nur die Liebe quält und macht
uns „aua“ im Herzen. Ja, „In The Lonely Hour“ ist letztlich eine doch recht
traurige Sache.
Es ist zu viel
Wir
hören müde Akkordzerlegungen, betulich angeschlagene Schlafzimmergitarren und
mitunter auch Supermarkt-Streicher wie von James Last arrangiert, wenn dieser
den Happy Sound einmal hinter sich lassen würde. „Leave Your Lover“ dockt – es
hätte nicht sein müssen – mit „Yesterday“ wiederum kurz bei den Beatles an,
während „Like I Can“ auf eine Ö3 und
seine Hörerschaft nicht enttäuschen sollende Weise verhältnismäßig aus den
Boxen poprockt. Dazu immer ein Greinen und Weinen und das in Smiths Stimme
eingebrannte Selbstmitleid, das schon nach einer halben Stunde außer zu viel
nur viel zu viel ist.
Ob die BBC-Super-Top-Listen-Checker nun
gleichsam sehr traurig sind, ist übrigens nicht überliefert. Nach einem noch
stärkeren Fehlgriff als im Vorjahr mit den eh netten Haim-Schwestern aus
Kalifornien gäbe es jedenfalls einen handfesten Grund dafür. The sound of heul.
(Wiener Zeitung, 24./25.5.2014)
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