US-Sängerin
Mariah Carey kehrt mit einem neuen Album ins Geschäft zurück
Am Ende hat dieses bereits seit dem Jahr 2011 in
Entstehung befindliche Album ganze 16 Produzenten verschlissen. Über das Budget
für die Aufnahmesessions ist nichts bekannt. Aber auch die Tatsache, dass die
erste Singleauskopplung „Triumphant (Get ʼEm)“ letztlich wegen akuter
Erfolglosigkeit von der Tracklist gekippt wurde, demonstriert, warum man sich
an Mariah Carey vor allem als Diva erinnert. Sofern man sich heute noch an sie
erinnert.
Nach einem kommerziellen Siegeszug im Zeichen
weichgespült Soul- und R&B-induzierter Charts-Nummereinsen um von Whitney
Houston beeinflusste Schmalzballaden wie „Hero“ in den 90er Jahren, einer
späteren Modernisierung über durchaus brauchbare Bezüge zum Hip-Hop und
wohldokumentierten Fahrten mit der Karriere-Achterbahn wurde der
Comeback-Versuch auch von Careys mittelalterlicher Jungmutterschaft nicht
zwingend beschleunigt.
Wieder in die Hände gespuckt
Und eigentlich wäre eine Ruhepause im Alter von 44 oder
45 Jahren – über das exakte Geburtsjahr gibt es, Careys Rolle als Diva
entsprechend, kein gesichertes Wissen – auch eingedenk der Leistungsbilanz nun zwar
ebenso verdient wie von allen Beteiligten (denken wir nur an uns selbst!)
selbstverständlich begrüßt.
Auch aufgrund der aktuellen Ertragschancen für
Sparefrohs bei gleichzeitigem Fortlaufen der Erhaltungskosten für, sagen wir,
kleinstadtgroße Popstar-Anwesen und den dort beschäftigen Personalstab sowie
natürlich die erwähnten 16 Produzenten wird aktuell dann aber doch wieder in
die Hände gespuckt. Vielleicht muss Mariah Carey am Ende sogar auf Tournee
gehen wollen. Gottlob wird es womöglich irgendwann auch in Europa wieder
Auftritte geben, weil nach Privatkonzerten für
Muammar al-Gaddafi (2008) oder Angolas mindestens umstrittenen
Präsidenten Josè
Eduardo dos Santos im Vorjahr aktuell noch kein Angebot aus Nordkorea vorliegt.
Ah ja,
dafür also gibt es jetzt auch dieses neue Album. Den Titel „Me. I Am Mariah …“
– Beisatz: „The Elusive Chanteuse“ – erklärt
die Protagonistin mit einem Sprechstück am Ende und einem im Alter von drei
Jahren angefertigten Selbstporträt ihrer selbst am Backcover gleich doppelt.
Das verdeutlicht den nostalgischen Charakter des Werks, dessen Songs in gewohnt
melismatischer Vortragsweise („Ooh-oooh-a-ooh-a-heeeyy!!!“) wieder einmal über
gebrochene Herzen sinnierend waidwund zersungen werden. Diesbezüglich könnte
Mariah Carey noch etwas von ihren vergleichsweise zurückhaltend agierenden
Kindern lernen, die ihren Dienst sanft im Hintergrund brabbelnd versehen. Weil
Nachwuchs immer auch die Absicherung der eigenen Zukunft bedeutet, ging es für
die Carey-Zwillinge vermutlich direkt vom Fashion-Shooting mit dem
Celebrity-Magazin aus NYC in the US of A gleich ab ins Studio zu den
Produzenten.
Photoshop-Desaster
Ja,
man vergisst es gerne, woran die von leidendem Auweh-Gospel, auf Rihanna
gebuchten Neo-R&B-Presets und organisch in die Disco verweisenden
Midtempogrooves getragene Spielstunde zwischendurch immer wieder erinnert:
Mariah Carey war vokal auch für eine Folgegeneration Aguilera verantwortlich, deren
überemphatischer Ausdrucksgesang für schwer verdaulichen Popmainstream sorgte.
Dieser aber zeitigte immerhin nicht nur in Sachen Kritikerprosa
preisverdächtige Bezeichnungen wie jene der „Kampfkoloratur“.
Große
Hits sind heute übrigens ebenso wenig auszumachen wie Komplettausfälle – sieht
man vom George-Michael-Cover „One More Try“ oder der Fantasy-Ästhetik des
Album-Artworks einmal ab, das zweifelsohne unter „Photoshop Disaster“ getaggt
werden muss. Diesbezüglich kennt man sich auch in Nordkorea aus. Eine erste
Brücke scheint gelegt. Wehe.
Mariah Carey: Me. I Am Mariah... The Elusive
Chanteuse (Universal)
(Wiener Zeitung, 28./29.5.2014)
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