Freitag, Mai 30, 2014

Und alle, alle tanzen mit

Die Wiener Band Elektro Guzzi und ihr hervorragendes neues Album „Observatory“ 

Die Band gehört aktuell zu den angesagtesten musikalischen Exporten des Landes. Auch die Vielfliegerprogramme der Airlines erfreuende Konzerte auf renommierten Festivals wie dem Sónar in Barcelona oder Roskilde in Dänemark sowie Einzelauftritte quer durch Europa oder in Japan künden davon. An diesem Wochenende gastiert man in Montreal und, unter Patronanz eines Flügel verleihenden Dosengetränkekonzerns, nicht zum ersten Mal auch in New York.

Für diese nicht genuin österreichische Karriere gibt es natürlich auch einen Grund. Oder zwei. Elektro Guzzi veröffentlichen seit ihrem selbstbetitelten Debütalbum aus dem Jahr 2010 nicht nur für sich genommen sehr gute Musik. Sie verbuchen mit dem Ursprungsgedanken, die sonst DJs überlassene Darbietung ebenso klugen wie schweißtreibenden Technos als Band zu übernehmen, auch ein atemberaubendes Alleinstellungsmerkmal. Wie spannend auch immer diese Musik im Optimalfall von einer Schallplatte abgespielt klingen mag, so mindestens maximal erstaunlich erweist sie sich in der Live-Situation. Spätestens seit dem zweiten Streich „Parquet“ von 2011 klingen die ausschließlich mit Schlagzeug, Bass, Gitarre und einigen Effektgeräten errichteten Tracks eben exakt überhaupt nicht nach ihren Produktionsbedingungen. Im Konzert führt das zu einer gewissen Transparenz der Intransparenz – wird hier doch eindeutig vorgeführt, dass nicht immer alles ist, wie es scheint. Und das ohne Hilfsmittelchen. 

Hypnotischer Sog 

Nach zwei Alben unter Regie von Patrick Pulsinger und dem Konzert-Dokument „Live P.A.“ interessierten sich Elektro Guzzi zuletzt verstärkt für kubanische und afrikanische Musiken. Der davon angestoßene Denkprozess und der Wunsch, sich neuen Einflüssen zu öffnen, ist mit „Observatory“ nun auch dem dritten Werk zumindest teilweise anzuhören. Gleich im Eröffnungsstück „Rough Tide“ lässt die auf „Fuzz“ gestellte Eingangssequenz etwa die Gitarren wieder als solche erkennen und näher an Post-Rock-Gefilden vermuten, ehe die Bass-Drum mit einem strammen Vierviertelbeat ansetzt und das Restschlagwerk nach Südamerika bittet. Mit einer Orgel, die keine Orgel ist, und etwas, das im Anklang an ein Free-Jazz-Saxofon erinnert, ohne freilich eines zu sein, entsteht ein hypnotischer Sog, der sieben Minuten lang reinste Freude verbreitet. Klangliche Schönheit, harmonische Intensität und rhythmische Dringlichkeit in innigster Umarmung.

Die stärkere Betonung organischer Elemente lässt bei „Undulata“ an im Wind wogende Klangstäbe denken. „The Grist“ wiederum eignet sich mit seinem zart angefunkten Bass und einem keineswegs beliebigen „Lounge“-Gefühl für den Tag am Meer. Das die Körper umhüllende Dunkel hingegen bringt sich mit dem trocken pumpenden Bass von „Acid Camouflage“ und dessen elektronischem Brutzeln und Surren bald in Erinnerung. Härter gesetzte, strikt auf den Dancefloor fokussierte Stücke wie „Atlas“ und „Threshold People“ demonstrieren daraufhin auch die erinnerten Kernkompetenzen in Perfektion. Es geht dann um das Auf und Ab einer Nacht, die auf Enthemmung, Ausschweifung und Ekstase baut, uns letztlich aber dazu zwingen wird, wieder runterzukommen. Ein Album wie ein Manifest. Am 18. Juni live im Wiener Flex. 

Elektro Guzzi: Observatory (Macro/Trost)

(Wiener Zeitung, 31.5./1.6.2014)

Keine Kommentare: