Die Wiener Band
Elektro Guzzi und ihr hervorragendes neues Album „Observatory“
Die Band gehört aktuell zu den angesagtesten musikalischen Exporten des Landes.
Auch die Vielfliegerprogramme der Airlines erfreuende Konzerte auf renommierten
Festivals wie dem Sónar in Barcelona oder Roskilde in Dänemark sowie
Einzelauftritte quer durch Europa oder in Japan künden davon. An diesem
Wochenende gastiert man in Montreal und, unter Patronanz eines Flügel
verleihenden Dosengetränkekonzerns, nicht zum ersten Mal auch in New York.
Für
diese nicht genuin österreichische Karriere gibt es natürlich auch einen Grund.
Oder zwei. Elektro Guzzi veröffentlichen seit ihrem selbstbetitelten Debütalbum
aus dem Jahr 2010 nicht nur für sich genommen sehr gute Musik. Sie verbuchen
mit dem Ursprungsgedanken, die sonst DJs überlassene Darbietung ebenso klugen
wie schweißtreibenden Technos als Band zu übernehmen, auch ein atemberaubendes
Alleinstellungsmerkmal. Wie spannend auch immer diese Musik im Optimalfall von
einer Schallplatte abgespielt klingen mag, so mindestens maximal erstaunlich
erweist sie sich in der Live-Situation. Spätestens seit dem zweiten Streich
„Parquet“ von 2011 klingen die ausschließlich mit Schlagzeug, Bass, Gitarre und
einigen Effektgeräten errichteten Tracks eben exakt überhaupt nicht nach ihren
Produktionsbedingungen. Im Konzert führt das zu einer gewissen Transparenz der
Intransparenz – wird hier doch eindeutig vorgeführt, dass nicht immer alles
ist, wie es scheint. Und das ohne Hilfsmittelchen.
Hypnotischer Sog
Nach
zwei Alben unter Regie von Patrick Pulsinger und dem Konzert-Dokument „Live
P.A.“ interessierten sich Elektro Guzzi zuletzt verstärkt für kubanische und
afrikanische Musiken. Der davon angestoßene Denkprozess und der Wunsch, sich
neuen Einflüssen zu öffnen, ist mit „Observatory“ nun auch dem dritten Werk
zumindest teilweise anzuhören. Gleich im Eröffnungsstück „Rough Tide“ lässt die
auf „Fuzz“ gestellte Eingangssequenz etwa die Gitarren wieder als solche
erkennen und näher an Post-Rock-Gefilden vermuten, ehe die Bass-Drum mit einem
strammen Vierviertelbeat ansetzt und das Restschlagwerk nach Südamerika bittet.
Mit einer Orgel, die keine Orgel ist, und etwas, das im Anklang an ein
Free-Jazz-Saxofon erinnert, ohne freilich eines zu sein, entsteht ein
hypnotischer Sog, der sieben Minuten lang reinste Freude verbreitet. Klangliche
Schönheit, harmonische Intensität und rhythmische Dringlichkeit in innigster
Umarmung.
Die
stärkere Betonung organischer Elemente lässt bei „Undulata“ an im Wind wogende
Klangstäbe denken. „The Grist“ wiederum eignet sich mit seinem zart angefunkten
Bass und einem keineswegs beliebigen „Lounge“-Gefühl für den Tag am Meer. Das
die Körper umhüllende Dunkel hingegen bringt sich mit dem trocken pumpenden
Bass von „Acid Camouflage“ und dessen elektronischem Brutzeln und Surren bald
in Erinnerung. Härter gesetzte, strikt auf den Dancefloor fokussierte Stücke
wie „Atlas“ und „Threshold People“ demonstrieren daraufhin auch die erinnerten
Kernkompetenzen in Perfektion. Es geht dann um das Auf und Ab einer Nacht, die
auf Enthemmung, Ausschweifung und Ekstase baut, uns letztlich aber dazu zwingen
wird, wieder runterzukommen. Ein Album wie ein Manifest. Am 18. Juni live im
Wiener Flex.
Elektro Guzzi: Observatory (Macro/Trost)
(Wiener Zeitung, 31.5./1.6.2014)
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