Nachdem der Ö3-DJ seinen Auftrag als ökonomischste Vorband der Welt mit einem Best-of-Set in Sachen Schlumpfendisco erfüllt hat, dauert die Pause erst einmal länger, als man vermuten durfte. Miley Cyrus ist heute zwar ein bisserl krank und übt vielleicht auch schon für ihren dereinstigen Status der „die Cyrus“ als Elder Stateswoman des verhaltensauffälligen Partypop. Unterstellen wir der 21-jährigen US-Amerikanerin aber die gute Tatabsicht, den massig in die Wiener Stadthalle gepilgerten Kindern zur Feier des Tages auch die Schlafenszeit nach hinten zu legen. Morgen erste Stunde Reli? Fällt aus.
In der Eigenbeinhose
Um auch eingedenk der klimatischen Verhältnisse einer Massensauna mit 12.000 Leuten sehr viel später ist es aber endlich 20.58 Uhr. Und – kreisch!! – es geht los. Aus einer Projektion des Cyrusʼschen Antlitzes öffnet sich der Mund, aus dem eine Rutsche in Zungenform fährt. Miley erscheint am Einstieg, winkt und schwingt sich auf die Bühne. Dort wartet bereits eine Tänzerin, die ihr den Popo versohlt. Niemand weiß, warum. Aber es ist bestimmt ur viel lustiger als jetzt schon schlafen und morgen Reli!
Eine andere Tänzerin läuft mit Britney-Spears-Maske herum. Es kommt zur ersten Gruppenchoreografie mit im Plüschtier-Kostüm verkleideten Entertainment-Praktikanten, die einen sehr lässigen Job haben. Wie, das sind gar keine echten Kuscheltiere? Dafür aber ist Miley Cyrus sehr echt, sagen wir, so wie bei den MTV Awards. Sie trägt stoffarme Kleidung mit langen Beinen als Hose und hinten nichts. Das sieht kriminell aus. Alleine anwesende Männer über 25 werden von den Müttern im Saal skeptisch beäugt. Man könnte ein schrulliger Onkel sein, der sich bloß umsehen will.
Keine Aussage
Zwei Songs später wird Miley Cyrus mit einem goldenen Auto auf die Bühne geschoben, auf dem sie die Eigenbeinhose nach oben streckt. Der Restanzug besteht aus Dollarnoten, deren mehr über die Bühne wehen. Miley Cyrus beginnt parallel dazu, mit der Motorhaube zu kopulieren. Der Song heißt „Love Money Party“. Es geht darin um Love, Money und Party. Alle wollen das, weil es super ist.
An dieser Stelle im Konzert erklärt sich natürlich, was vorher noch niemand wusste: Außer, dass die wilde Reise durch Absurdistan Spaß macht, wenn man die Matura noch vor sich hat, ist von Miley Cyrus keine Aussage zu erwarten. Auch die Diskussion, ob der einstige Kinderstar als Hannah Montana aus dem Disney-Kanal heute eine Dings, na, Feministerin ist, wenn sie nackt auf der Abrissbirne reitet und andere crazy Sachen besteigt – heute etwa noch einen Riesen-Hot-Dog, auf dem es quer durch die Stadthalle geht –, ist müßig. Die sogenannte Selbstermächtigung mit sexuellen Bildern verpufft unter Regie des seit 2013 auch von Miley Cyrus beschäftigten Managers Larry Rudolph, der bereits Britney Spears zur angesagtesten „Bitch“ ihrer Zeit transformierte.
Den Fans ist das egal. Miley Cyrus greift sich jetzt in den Schritt. Und natürlich, es stimmt. Wenn Mick Jagger am kommenden Montag im Ernst-Happel-Stadion das gleiche tun wird, wird sich die Vater- und Großvatergeneration einer Miley Cyrus keineswegs daran stören. Alte Männer dürfen das. Der Heldin des heutigen Abends gelingt in diesem Spannungsfeld zumindest ein gelungener Kalauer, wenn sie den Song, in dem sie sehr oft „bitch“ und noch öfter „fuck“ sagt, mit einem „Parental Advisory“-Sticker auf der Videowall umrahmt. Ein weiteres Spannungsfeld ergibt sich etwa aus der Choreografie mit der Massenfummelei im puffgleichen Riesenbett und den allgegenwärtigen Reliquien aus dem Kinderzimmer. Alles verschiebt sich nach hinten. Früher war das Alter mit um die 15 herum schwierig, heute geht das auch mit 21.
Schema-F-Kirtags-Pop
Musikalisch hört man den gepimpten Elektrorap, die dramatischen Powerballaden sowie den zünftigen Schema-F-Kirtags-Pop des aktuellen Albums „Bangerz“. Akustisch auf einer kleinen Bühne am anderen Hallenende und ohne optischen Zierrat gegeben, ist etwa ein „Jolene“-Cover sehr langweilig. Nichts passiert. Wie gut, wenn Miley Cyrus sich also den Hängebrust-Schal (!) anlegt und an seinen Nippeln nuckelt oder Wasser aus dem Mund ins Publikum spuckt und über sich selbst laufen lässt. „It’s fucking hot!“
Bei „Adore You“ soll man sich im Saal küssen. Die Wenigsten wissen, wie das geht. Für die Verbildlichung von „Can’t Be Tamed“ singt Miley Cyrus in der Rodeo-Montur einen hallenhohen Husky an. Als Zugaben gibt es „Wrecking Ball“ ohne Visuals, um nicht von der Kunst abzulenken, und „Party In The U.S.A.“, zu dem die Freiheitsstatue, ein Felsen vom Mount Rushmore und die Cheerleader vom Campus gemeinsam tanzen.
Nach dem finalen Feuerwerk mit Konfettiregen sind einige irritiert und die meisten platt. Fast alle aber sind glücklich. Es ist vorbei.
(Wiener Zeitung, 12.6.2014)
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