Donnerstag, Juni 12, 2014

Rocken mit der Rettungsboje

Nova Rock: Das größte heimische Festival für totale Härte und keinen Geschmack wird zehn

Mit dem Start in seine zehnte Saison am heutigen Freitag und einem von 50.000 Besuchern an jedem der drei Spieltage heimgesuchten Areal erklärt das Nova-Rock-Festival im burgenländischen Nickelsdorf zunächst einmal, dass es doch recht gehabt haben dürfte. Aus seiner Sicht. Immerhin hat sich der Erfolg über Jahre hinweg nicht augenscheinlich aufgrund, sondern trotz des immergleichen Line-ups aus dem Telefonbuch des Veranstalters mit Musik, die die Härte ist, eingestellt. Wobei sich das Festival als gelungenste heimische Veranstaltung in Hinsicht auf maximal wenig Geschmack – die Erotikmesse in Vösendorf jetzt einmal ausgenommen – mit den am Gelände nur bei akuter Sehschwäche nicht erkennbaren Sponsoren, die sehr viele, und den alkoholischen Erfrischungsgetränken, die noch mehr sind, kommerziell prächtig gemausert hat. 

Auch eingedenk der Vergnügungsangebote, die sich mit dem „Braualtar“ zur Schließung einer Blitzehe für das Festivalleben, dem Funpark als Miniatur-Wurstlprater, der Peckerlhütte hinten rechts oder dem Frühschoppen mit Blasmusik auch heuer wieder gestalten, wie man es gewohnt ist, dürfen zwei, drei Veränderungen allerdings als beinahe revolutionär bezeichnet werden. So treten Motörhead etwa nicht auf, obwohl die Band nach gesundheitlichen Problemen ihres Frontmannes Lemmy Kilmister, die sich aus einer Weltkarriere im Whisky-Cola-Missbrauch ergaben, aktuell wieder buchbar wäre. Als Hauptattraktion für von burgenländischen Tranklerpartys geeichte Nova Rocker wird am Samstag dafür David Hasselhoff erklären, dass das Festival, je nach Standpunkt, entweder witzig oder ein Witz sein kann. Zu erwarten ist ein Dorfdisco-Best-of-Set um den Hit „Looking For Freibier“ oder das Eröffnungslied aus „Baywatch“. Das wird fantastisch. Man sollte vor allem auch wegen der womöglich erhöhten Temperatur aber vorsichtig mit dem Trinken sein und im Zweifelsfall nicht vergessen, Ausschau nach der nächsten Rettungsboje zu halten.

Das führt uns jetzt natürlich zu einem weiteren Stichwort. Es geht um den Untergang. Ja, am Nova Rock spielen sehr viele Bands, die einschlägige Sujets kultivieren. Es blickt dann etwa das Tier 666 grimmig vor feuerrotem Endzeitleuchten vom CD-Cover herab. Mit den Bühnennebel durch Schwefelgeruch ersetzenden, in ewiger Pein darbenden Wanderbiestern der IG Metal im schwärzesten Schwarz der pannonischen Nacht regieren dann Angst und Schrecken. Bei der mit dem ÖVP-Nationalratsabgeordneten Werner Amon übrigens nicht verwandten Melodic-Death-Metal-Band Amon Amarth fährt die Welt zu heftigen Doublebassdrumattacken etwa im Sekundentakt in den Höllenschlund. Es grunzt. Es kläscht. Man erfreut sich an den Moll-Tonleitern des Quintenzirkels. 

Stilistische Ausreißer gibt es mit Casper und Sammy Deluxe im deutschen Hip-Hop. Die Dropkick Murphys aus Massachusetts, USA, spielen irischen Folklorepunk. Bei Mando Diao setzt es heute Synthesizer und Softrock. Aha. Wundern darf man sich zudem über die Metal-Karikaturisten Steel Panther und deren Hang zu pornografischen Songtiteln, die man hier nicht herschreiben kann. Hier wird es eindeutig. Ja, doch. Es ist ein Witz!

Zum Abschluss am Sonntag steht mit dem Konzert von Black Sabbath, das Gerüchten zufolge eines der letzten in der Bandgeschichte sein könnte, allerdings ein tatsächlicher Höhepunkt an. Nach der Krebserkrankung Tony Iommis, die 2012 zu einem Wien-Konzert Ozzy Osbournes mit der B-Mannschaft führte, wird (mit Ausnahme des Schlagzeugerpostens) in Originalbesetzung sowohl das Material des Albumklassikers „Paranoid“ als auch das durchaus in dessen Tradition stehende aktuelle Spätwerk „13“ gereicht.

Puls-4-Koch Oliver Hoffinger sorgt übrigens für eine weitere Neuigkeit: Beim Nova Rock wird es heuer erstmals auch echtes Essen geben. Mahlzeit, Prost – und rock on!

Nova-Rock-Festival
: 13. bis 15. Juni Nickelsdorf


(Wiener Zeitung, 13.6.2014)

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